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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.04.1934
- Strukturtyp
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- 1934-04-12
- Erscheinungsdatum
- 12.04.1934
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- Deutsch
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»uch nur einmal ein paar Stunden auf einer guten Freizeit weilte. Was er da unter jungen Menschen erlebte, war zweierlei: Einmal eine frische, natürliche, kameradschaftliche Verbundenheit, die sich auf allen guten Freizeiten vom ersten Tage an ergibt Und vor allem denjenigen in Erstaunen versetzt, der Jugendbewegung und politische Jugendbünde nur vom Hörensagen oder nur aus Bü chern und Zeitschriften kennt. Drang er etwas tiefer in den Freizeit-Geist ein, so kam noch ein zweites Erlebnis hinzu. Er mußte (oder durfte) erleben, wie arbcitshungrig, aber auch wie verantwortungsdurstig und entscheidungsbereit der buchhänd lerische Nachwuchs ist, ja daß sich die kameradschaftliche Verbun denheit als ganz selbstverständliche Äußerung aus der gemein samen inneren Haltung ergab. Und diese innere Verantwortung?- und Entscheidungs-Bereit schaft der jungen Teilnehmer ist der erste und wichtigste An spruch, der an die Freizeit-Gestaltung herantritt. Der buchhänd lerische Alltag bringt so zahlreiche, ermüdende Anforderungen mit sich, daß es besonders dem jungen Buchhändler vielfach — trotz großer Liebe zum buchhändlerischcn Beruf — schwer fällt, seine Kleinarbeit als eine für die Erfüllung der gesamtbuchhändlerischen Aufgabe notwendige Teilarbeit zu erkennen, sie als solche zu be jahen und einzugliedern. Hinzu kommt, daß er sich — vielfach sogar erst durch seinen Berus — vor allgemeine Lebens- und Zeit fragen gestellt sicht, mit denen er — stark beansprucht durch seine praktische Arbeit — oftmals um so weniger fertig wird, je ernst hafter er innerlich mit ihnen ringt. Geht er nun zu einer Frei zeit, so bringt er, bewußt oder unbewußt, den Anspruch mit, daß man ihm helfe, daß man sich dort gemeinsam um größere Klar heit in bezug aus berufliche und allgemeine Lebensfragen bemühe. Er will seine Krast sinnvoll einsetzen, ist bereit, als Buchhändler sein Leben aus Grund strenger Verantwortlichkeit dem Dienst an seinem Volk zu weihen, weiß, daß hierzu Entscheidungen — große und kleine — nötig sind und erwartet, daß ihm die Freizeit zu solchen Entscheidungen verhilft. Er braucht sie für seinen ent schlossenen, persönlichen Einsatz. Die Freizeit soll eine Kraftquelle für den Alltag sein. Man verstehe mich richtig! Wenn im vorigen Jahr aus manchen Freizeiten z. B. Arbeitsgemeinschaften über den Natio nalsozialismus gehalten wurden, so konnte dabei nicht bezweckt werden, daß am letzten Tage der Freizeit etwa von jedem einzelnen Teilnehmer ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus erwartet oder verlangt wurde. Ziel durste und konnte nur sein, daß am Schluß der Freizeit jeder Teilnehmer genau wußte, um was es geht, vor welche inhaltliche Entscheidung er gestellt ist. Die Ent scheidung selbst liegt nicht im Machtbereich der Freizeit: sie liegt bei jedem Einzelnen — und bei der Sache, bei der inneren Kraft der Sache, um die cs geht. Nach meinen Beobachtungen ist nun aber nicht immer die Erörterung weitgespannter, abstrakter Themen ohne weiteres geeignet, wirkliche Klarheit über die Sache, um die es geht, — sei es auch die größte, die es gibt — zu vermitteln oder zu erarbeiten. Solche Arbeitsgemeinschaften und Aussprachen verlieren sich leicht ins Uferlose und enden oft in unfruchtbarer Problematik, d. h. sic überlassen den Suchenden vor vielen Fragen, unter denen das Thema behandelt wurde, seinem Schicksal — ohne ihn vor die eine Frage seiner persönlichen Entscheidung zu stellen. So not wendig es mir zu sein scheint, daß jede Freizeit durch ein Gesamt thema aus eine möglichst große Geschlossenheit ausgerichtet wird, so wichtig ist es aber auch, daß das Thema aus dem realen ge meinsamen Lebensbereich aller Teilnehmer genommen wird. Das ist für uns der Buchhandel. Damit ist auch schon gesagt, daß der praktische Nutzen der Freizeit für den Berus nicht zu kurz kommen soll. Wenn wir uns z. B. im Jahre 1932 um das Thema sammelten: »Die Junge Bür gerliche Generation und das Buch«, so konnte man aus diesem Thema -die Frage heraushören: »Welche Bücher kommen für die Junge Bürgerliche Generation in Frage und wie bringe ich diese an sie heran?« Tatsächlich haben wir uns auch zunächst bemüht, Standort und Eigenart dieses Menschenkreises zu erkennen, haben uns weiter gefragt, welche Bücher zu diesen Menschen sprechen 322 und endlich, wie wir Mensch und Buch zueinander führen könnten. Hellhörige haben aber von vornherein empfunden, daß noch etwas anderes in dem Thema angerllhrt wurde: die einen von ihnen kamen mit besonders großen Erwartungen zur Freizeit. Die an deren blieben unter Protest der Freizeit fern, diejenigen nämlich, für die das Aufgehen des Bürgertums im Proletariat beschlossene und unabänderliche Tatsache war. Und schon während unserer berufspraktischen Arbeitsgemeinschaften brach immer wieder die Frage nach der Existenz und nach der Berechtigung der Bürger lichen Jungen Generation auf, um sich dann am letzten Abend elementar in den Vordergrund alles Fragens zu stellen. Ein jeder von uns hatte hier eine sein Inneres anrllhrende Begegnung mit dem Kern der Frage. Neben der uns allen gemeinsamen Hal tung, daß jede bürgerliche Isolierung unmöglich — weil ein Ver sagen sich selbst und dem Nächsten gegenüber — sei, wurde der ein zelne vor die Entscheidung gestellt, aus welchem Wege und aus welcher Krast heraus er die nun einmal bestehende unnatürliche Trennung von den Menschen aus anderen Volksschichten zu durch brechen bemüht sein solle. Der eine bekannte sich dazu, daß er an die Erreichung dieses Zieles nur mit Hilfe einer übergeord neten autoritären, geistigen Macht glaube, welche auch Menschen verschiedenster Prägung unter Beibehaltung ihrer Eigenart zu einer Einheit zusammenwachsen lasse. Der andere hielt es für möglich, die Menschen durch äußere Angleichung und menschliches Miteinander-Vcrtrautwerden zur Gemeinschaft zu bringen. Der dritte schwankte zwischen beiden Haltungen. Aber auch dieser dritte sah sich vor ein Entweder-Oder gestellt und mancher schrieb mir später, daß er sich auf Grund seines Freizeiterlebnisses so oder so entschieden habe, daß er von dieser inneren Entscheidung her zur Klarheit darüber gekommen sei, für welche Bücher er sich persönlich einsetzen könne und daß er auf diesem Wege zu beruf lichen, zu direkten Verkaufserfolgen gelangt sei. Nicht immer muß es sich bei den auf eine persönliche Ent scheidung des einzelnen hindrängcnden Fragen unmittelbar um Weltanschauungs-Prinzipien handeln. Im Alltag begegnen wir so manchen, scheinbar belanglosen Situationen, die aber doch — wenn wir sie ernst nehmen — eine klare Entscheidung von uns fordern. Entscheidungen, die oftmals nur Zweckmäßigkeitsfragen oder auch nur Fertigkeitsansorderungen zu sein scheinen, und die doch in Wirklichkeit klar und entschlossen erst von einer voraus gegangenen weltanschaulichen Entscheidung her getroffen werden können. Wenn wir zum Beispiel aus der letztjährigen Freizeit mit dem Thema »Das Volksbuch» die Auseinandersetzung über volkhafte Dichtung cröffneten, so konnte man wiederum meinen, daß wir dabei lediglich der zu Anfang vorigen Jahres sogar offi ziell an den Buchhandel ergangenen Aufforderung, das Deutsche Buch ins ganze Deutsche Volk zu tragen, in dem Sinne folgten, daß wir eine Bücherliste aufstellen und überlegen wollten, an wen sich diese Bücher wenden und auch verkaufen lassen. In Wirk lichkeit aber ging es uns darum, das Beurteilungsvermögen für wirkliche Volksbücher zu wecken und zu vertiefen. Wir arbeiteten ganz bewußt darauf hin, die Entscheidungsbereitschaft der jungen Teilnehmer aus das literarische Gebiet zu lenken, dergestalt, daß man den Wert des Buches nicht mehr nur nach seiner Bedeu tung im Raum des literarischen Schaffens, sondern auch nach seiner Brauchbarkeit, d. h. nach seiner Wirkungsmöglichkeit aus das Volk in feinen verschiedenen Schichtungen beurteilt. An schul mäßigen, gewohnheitsmäßigen und sonstwie übernommenen Ur teilen wurde so lange gerüttelt, bis sich wohl jeder Teilnehmer vor die Notwendigkeit gestellt sah, seine bisherige Einstellung zu manchen Büchern nochmals zu prüfen. Daneben wurden die buch technische Gestaltung und auch die üblichen (und möglichen) Formen der Buchverbreitung besprochen, stets mit der Fragestellung, auf welche Weise man am besten die Ansprüche aller Volksschichten erfüllen könne. Immer wieder sahen wir uns vor -kleine- Ent scheidungen gestellt, die der einzelne für sich ganz allein treffen muß. Im Thema der Woche lag an und für sich kein Anlaß zu einer Erörterung abstrakter Weltanschauungsfragen. So wurde denn auch vor allem fleißig literarhistorisch gearbeitet. Doch tauchte immer wieder die prinzipielle Frage auf, was denn eigentlich »Volk« fei, und wieder war es der letzte Abend, der es erzwang,
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