Rn Mussolini JZ nur zu gut, wie fremd, ja oft unfaßlich viele südländischen Leser so manches in die- Buche sein wird. All jene Wesen ohne Fleisch und Blut, die in unseren nordischen Sagen und Träumen noch leben, die Heinzel männchen, die unsere Kindheit bewachten, die Elfen, die auf unseren Wiesen über schlafenden Blumen tanzen, das „kleine Volk", das dem Bären ins Winterlager Speise bringt, die mit Riesenschritten unsere Wälder durchstampfen, sind alle vom lateinischen Boden verschwunden mit dem letzten Echo von Pans Flöte. Der einzig Überlebende aus dem Untergang der unsichtbaren Welt ist der Teufel. ZumLohne für sein Drohen mit Höllenpein, für sein selbstloses persönliches Eingreifen zur Rettung schwankender oder widerspenstiger Sünderseelen, ruht er geborgen im Mutterschoß der heiligen römischen Kirche, eine wohlverdiente Gegen leistung für einen Anteil am endlichen Sieg des Guten! Bei uns im Norden dagegen ist der Teufel fast ver schwunden, vielleicht eine Frage der Temperatur. Ich fürchte, selbst die Tiere, die in diesem Buche ihre Freuden und Leiden erzählen, werden es schwerer finden, sich auf Jtalienisch verständlich zu machen, als auf Englisch, in ihrer zweiten Muttersprache. Die römische Kirche lehrt die Kinder die Worte des Gesanges der Engel, aber sie lehrt sie nicht die Worte des Gesanges der Vögel, Himmelsboten wie sie mit der gleichen himmlischen Botschaft. Er war doch der größte Heilige, den diese Kirche ihr eigen nennt, Sankt Franziskus von Assisi, der zuerst unserer barbarischen Welt den Sinn dieser Botschaft deutete: Liebe und Mitleid für unsere Brüder und Schwestern in Wald und Feld und in den Lüften. Ein Mensch kann leben und sterben in einem anderen Lande, als dem, wo er geboren ward, aber seine Men talität bleibt dieselbe. Die Franzosen sagen: >,l,'bomm6 n« nsit pss wusours äans son Aber es wäre vielleicht besser, wenn solcher Mensch nie geboren würde. Ein Mensch und sein Buch sind eins im Guten und Bösen. Lebensfähige Bücher sind meist irgendwie Selbst biographien, anderenfalls ist die Vaterschaft verdächtig. Der Mensch aus dem Norden ist ein unverbesser licher Idealist, ein Träumer und schweigender Dichter, tief im Herzen seinen ungeschriebenen Lobgesang an die Sonne. — Erblickt er endlich das gelobte Land, wird er sentimental und sinkt vor der Zauberin ins Knie, die blumcnbekränzt wie Botticellis Primavera vor ihm steht. Er wird ihr Ritter fürs Leben, bereit auch, ihr so manche kleine Treulosigkeit zu vergeben. Der Mensch aus dem Süden ist ein Realist, das Blut, das in seinen Adern fließt, ist heißer, aber sein Hirn ist kühler als das des Nordländers. Er ist leidenschaftlich, ja gewaltsam in Liebe und Haß, aber er ist kein Enthusiast. Träger der stolzesten Namen der Weltgeschichte und Erbe von so viel Glanz und Pracht! Kein Wunder, wenn er sich als hoher Herr fühlt neben uns Kleinbürgern aus Ultima Thule mit unserem kümmerlichen Stammbaum von Haudegen und Seeräubern und unserem kargen Erbteil an Kunst und Literatur. Schon in der Wiege umgeben von hohen Werken des Himmels und der Erde und mit so viel machtvollen Schutzpatronen in Hörweite! Kein Wunder, wenn er dazu neigt, sich etwas zu sehr auf sie zu verlassen, sicher wie die Lazzaroni, die am Hochaltar von San Gennaro knien, daß auch dies mal das Wunder geschehen, daß auch diesmal das erstarrte Blut in dem heiligen Kelche aufwallen wird. Und wahrhaftig! Das Wunder ist geschehen, ein Wunder groß genug, um all die alten Heiligen erbleichen zu lassen: das Blut siedet von neuem in den Adern eines ganzen Volkes, das vor der Ara Augusti auf den Knien liegt, dem Altar des Vaterlandes, den der große Magier mit stolzer römischer Geste aus den Trümmern ans Licht brachte. Wird es mir vergönnt sein, ehe ich sterbe, noch ein anderes Wunder des großen Zauberers zu erleben in diesem Land der Wunderwerke? Wird der Tag kommen, an dem die geängstigten Zugvögel, die in jedem Frühjahr über Italien hinflüchten, ihre müden Flügel eine Weile ausruhen können auf diesem Boden, den San Francesco segnete, ehe sie die lange Reise fortsetzten, um den Sommer im Norden einzusingen? Wird der Tag kommen, wenn in die Jubelfanfaren des Faschistenhymnus die Glocken von Assisi hinein klingen und der Triller der Lerchen? ^ Paul Lift Verlag Leipzig