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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.08.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-08-09
- Erscheinungsdatum
- 09.08.1911
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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9016 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 183. 9. August 1911. dienen. Im allgemeinen aber soll man seine statistisch fest gestellten Geschäftsspesen auf die Ware schlagen und einen bestimmten Verdienst hinzunehmen, der sich nach dem Umsatz zu richten hat. Je höher dieser Umsatz ist. um so geringer sind die Spesen und um so billiger kann man die Ware verkaufen. Das schafft eine gesunde Konkurrenz, die bei dem Vertrieb von Ladenpreisartikeln ausschaltet. Sie hat Auswiichse gezeugt, und um unnötigem Schleudern vorzubeugen, haben die be kannten Großanliquariate für diejenigen Artikel, die sie dauernd führen, sogenannte Mindestoerkaufspreise festgesetzt, unter denen die Ware nicht an das Publikum abgegeben werden darf. Doch ist das Prinzip hier nur dann ein ge sundes. wenn der Minimalpreis selbst dem kleineren Buch händler noch einen wenn auch bescheidenen Nutzen läßt. Er hat meist nicht die Spesen wie der größere Abnehmer und kann sich also mit einem kleineren Verdienst begnügen. Da er jedoch nach oben hin jeden Preis nehmen darf, steht es in seinem Belieben, konkurrenzfähig zu bleiben oder nicht. So kann man sehen, daß Artikel, die in Berlin mit 95 H verkauft werden, in großen Städten drei Bahnstunden ent fernt oder in noch näher gelegenen kleineren Plätzen bis zu 2 ^ pro Stück in Massen vertrieben werden. Einige moderne Antiquare, die. um günstige Preise zu erzielen, große Warenposten einkauften, mußten zur Ver wertung dieser ihren Wirkungskreis erweitern. Sie sandten ihre Kataloge und Prospekte nicht nur an ihnen bekannte Adressen, sondern suchten durch systematische Bearbeitung be stimmter Bezirke oder einzelner Berufe neue Kunden zu werben. So entstanden die großen buchhändlerischen Versand häuser. Einige entwickelten sich zu solcher Ausdehnung, daß die Besitzer dieser Geschäfte den Ladenverkehr ganz ausgaben. Viele Versandfirmen müssen auf ihre Kundschaft, die sie am Orte haben. Rücksicht nehmen. Ihre Kataloge haben sich daher immer mehr zu Sammelstätten billiger, aber guter Bücher herausgebildet. Ob das Geschäft heute noch den Nutzen von ehedem abwirft. möchte ich bezweifeln. Früher war es mehr zentralisiert, während jetzt in fast jeder größeren Stadt ein tüchtiger Kollege besondere Gelegenheitsofferten versendet. Eine andere Gruppe von Versandfirmen sieht den Buch vertrieb nur vom Standpunkt des reinen Warenvcrtriebs ohne Rücksicht aus ideelle Faktoren an. Diese Firmen arbeiten hauptsächlich durch Zeitungsbeilagen, die in Auflagen bis über eine Million durch Rotationsdruck hergeftcllt werden. Hierzu ist eine genaue Kenntnis der Presse not wendig, die »etwas bringt«. Außerdem machen sich Beilagen dieser Art nur durch Aufnahme populärer und sexueller Artikel bezahlt. Man setzt auf 100 000 Prospekte vielleicht 3 Goethe, Gedichte, 20 tjuo v»äis und 300 Exemplare einer »ausklärenden« Broschüre ab. Die Texte sind bei solcher Propaganda möglichst banal gehalten, der Mund wird recht voll genommen und das Ganze stark geschminkt. Für jeden ist das Geschäft nicht, wer es aber versteht, kann darin groß werden. Noch heute. Denn täuschen wir uns doch darüber nicht, daß die sogenannte Kultur die Grenzen einer bestimmten Menschenklaffe selten überschreitet. Man gehe, wie ich es von Zeit zu Zeit mache, in mittleren und kleineren Plätzen in das Theater oder in das untere Varistö. Man beobachte dort die Menschen, worüber sie lachen und was ihnen zu Herzen geht, und man wird auch als Verleger andere An schauungen bekommen. Ein solches Entsagen aus ideellen Motiven wie im Buchhandel findet man wohl in keinem andern Berufe. Alles läuft heute auf Erotik hinaus. Die Lokale könnten von dem Familienbesuch allein nicht bestehen und diesen bisher nur in alten Schlössern gesehenen Prunk nicht ent wickeln. Fast jedes öffentliche Vergnügen ist auf die Erotik ein gestellt. Vom Theater, besonders von der Operette, von unseren modernen Tänzen gar nicht zu reden. Könnten die Kon fektionshäuser die Prachtbauten in den Hauptstraßen er richten. wenn sie nur Flanell verkaufen würden? Man be achte ihre Auslagen mit den seidenen Jupons und der Spitzenwäsche. Dazu die Schuhgeschäfte, eins eleganter auf gemacht als das andere. Die Korsettgeschäfte, die Par fümerien und sogar die Apotheken. Nur wir Buchhändler sind sittsam und fromm. Wir fördern die Kultur und hungern. Wir erreichen jedoch dabei nichts, denn das was wir zu verkaufen ablehnen, verkaufen andere Geschäfte.') Man entschuldige die Offenheit gerade an dieser Stelle, die stets in nicht genug zu lobender Weise die Interessen der Sittlichkeit fördert. Ich kann und will aber meine Gedanken hierüber nicht verbergen und brauche es umso weniger, da ich ja vor acht Jahren, als ich dis Flut Herein brechen sah. den Buchhandel öffentlich vor den Schäden gar zu rührigen Vertriebs sexueller Literatur warnte und ihn auf die Nachteile aufmerksam machte. Wer heute sieht, wie man das Kind mit dem Bade ausschültet, wird zugeben, daß meine damals aufgestellte Forderung einer Sach verständigenkammer richtig war. Ausdrücklich möchte ich jedoch, auch um Mißverständnissen vorzubeugen, bemerken, daß die »leichte Ware«, mit der das moderne Antiquariat arbeitet, nicht zu verwechseln ist mit der Pornographie. Während jene durch die hohen Auflagen für die breiten Massen bestimmt ist. wird diese meist direkt unter der Hand vertrieben. Es ist daher durchaus zu verwerfen, daß ver sucht wurde, erotische Literatur perverser Richtung in das moderne Antiquariat hincinzuschmuggeln. Dagegen spielt die gesunde Sinnlichkeit »ohne Hiebe» im Leben eine solche Rolle, daß wir als Kaufleute ste nicht aus der Literatur verbannen können. Die Käufer solcher Bücher sind auch nicht die Jugend, wie immer behauptet wird. Die Geschäfts inhaber. die diese Bücher führen, kennen den 8 184a ganz genau, sie hüten sich, jüngeren Leuten etwas zu verkaufen, was nicht für sie paßt. Ihre Kundschaft sind vielmehr Reisende, die für die Bahn Lektüre suchen, ferner Angestellte in Geschäften, Studenten usw. Diese wollen billig den Abend totschlagen. Wenn sie kein Geld zum Bummeln haben, kaufen sie ein Buch und setzen sich auf ihre »Bude». Glaubt man diesen Leuten mit »Kultur« dienen zu können? Selbst wenn man als Weltreformer jemand Darwins Abstammung des Menschen oder Jmmermanns Oberhof ver kauft. hat man den geschäftlichen Nachteil. An solchem Buche liest der Kunde vier Wochen, während er mit einem spannenden Roman in ein oder zwei Abenden fertig ist. Dann kauft er einen neuen. »Geben Sie mir wieder so einen schönen, spannenden wie das vorige Mal.« Lesefutter. . . . Am besten im modernen Antiquariat schlagen die Bücher ein, die eine Vergangenheit, ein Schicksal haben. Inhaltlich ziehen die Romane am besten, die. auf einer Liebesgeschichte aufgebaut, die Gesellschaft möglichst getreu schildern, in der sie spielen. Auch geschichtliche Themata verarbeitende Romane werden gern gekauft, wenn ste span nend geschrieben sind. Schönheit der Sprache wird nicht verlangt, aber das Buch muß sich leicht lesen lassen. ES darf nicht viel zu denken und zu überlegen geben. Die Effekte müssen stark aufgetragen sein und die Handlung einen einfachen, nicht zu verwickelten Faden haben. Während früher Novellen und Schilderungen bevorzugt wurden, werden jetzt mehr größere Romane verlangt. *i Wir bitten bei diesen und den folgenden Ausführungen zu beachten, daß es sich hier um die Darlegung der Anschauungen ge wisser Großantiquariate handelt, von denen wir nicht wünschen möchten, daß sie sich das Sortiment zu eigen macht. Denn schließlich gibt es doch noch andere Mittel sür den Buchhändler sich durchs Leben zu schlagen auch ohne zu hungern als den Vertrieb mehr oder minder erotisch angehauchter Literatur. Red.
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