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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.10.1919
- Strukturtyp
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- Band
- 1919-10-22
- Erscheinungsdatum
- 22.10.1919
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. X: 232, 22. Oktober 1919. 2 ^ 5V H, eine Eisenbahnfahrt, die vor dem Kriege 25 -K kostete, würde auf 125 bemessen uff. Zwar würde dann die Miete eines Ladens, die Mitte 1914 10 909 -K jährlich betrug, 59 000 ^ kosten, die Gehälter der Gehilfen würden ver fünffacht, die Spesen des Kommissionärs ebenso, die Honorar« der Autoren müssten entsprechend steigen; aber da alle Welt das Gleiche rechnet, käme ja auch der fünffache Umsatz heraus uud annähernd Wohl auch der fünffache Nutzen. Alles wäre dann in schönster Ordnung: der Bankier würde ein Guthaben fünfmal so hoch auszahlen, eine Schuld von damals freilich mich in fünffachem Betrage fordern. Dann kan» man ja auch für Nahrung, Kleidung und Wohnung das Fünffache zahlen, also für das Ei 60 H statt 12 H, für Butter 8 .F statt 1 -Ä 60 H das Pfund, für einen Anzug statt 80 400 -kk, für ein Paar Stiefel 75 .M statt 15 ^k, für die Wohnung 5000 ^ statt 1000 Miete, für Briketts 3 50 H statt 70 H den Zentner usw. Es wäre vergleichsweise etwa so wie seinerzeit bei dem Über gang von der Talerwährung zur Markwährung. Die Ziffern aller Preise verdreifachten sich, ohne den geringsten Anstoß. Der große Unterschied zwischen damals und heute ist nun der, daß die stehenden Kapitalien und die umlausenden sich nicht ver- fünffachen, sondern, verglichen mit dem alten Goldpreis, stark zusammengeschmolzcn sind. Ein Haus, das vor dem Kriege 100 000 -kk wert war, wird heute nicht mit einer halben Million bewertet, sondern erzielt im freihändigen Verkauf etwa 150 000 also^MIlOO .M sind verdunstet. Ein Bauerngut, das 1913 mit 60 000 in Gold bezahlt wurde, steht etwa aus 120 000 statt auf 300 000 in Papier. Zinstragende Pa- Piere aus älterer Zeit haben fast alle vier Fünftel ihres Wertes eingebllßt; eine Hypothek von damals bringt statt Gold Papier- notcn, und was der Rentner dafür kauft, hat vielfach höhere Preise. Alle Sparer haben daher eingebützt; wer vor dem Kriege Jndustriepapiere gekauft hatte, hat trotz des vielleicht höheren Kurses nicht gewonnen, sondern stark geblutet. Che mische Papiere, z. B. Höchster Farbwerke, standen vor dem Kriege 600, d. h. für eine Aktie mußte man 6000 ^ in Gold erlegen; wer sie heute verkauft, erhält etwa 3200 -)( in Papier, was nach amtlicher Festsetzung einem Goldwerte von 660 gleichkommt; also sind von den ehemaligen 6000 nicht weniger als 5340 ^ verschwunden, 89"/» sind verloren, 11°/» sind übrig geblieben. Von dem Rest von 11°/» verlangt die Steuerbehörde noch Reichsnotopfer und sonstige Kapitalabgaben. Wer mit Glück operiert und sein Vermögen von 100 000 ^ in Gold ziffernmäßig aus 200 000 in Papier gebracht hat, besitzt in Wirklichkeit nur ein Fünftel davon, also bei der Verdoppelung zwei Fünftel, statt 100 000 in Gold also 40 000 ^ Goldwert; trotzdem wird aber behauptet, er habe gewonnen. Selbst der Kriegsgewinnler hat sein wirklicher Vermögen nicht vermehrt, wenn er nicht den fünffachen ziffermäßigen Betrag erlangt hat, den er 1914 besaß. Daß es sich hier nicht um Kapitalsberschiebung, sondern um Kapitalschwund handelt, geht aus folgenden Erwägungen hervor. Der Staat beschafft Kanonen, Granaten, Sprengstoffe, baut Kriegsschiffe (zu je 50 Mtll. Mark), Flugzeuge, Luftschiffe, von denen heute fast nichts mehr da ist; die Kanonen sind un brauchbar geworden oder erbeutet, die Granaten sind zer sprungen wie Seifenblasen, das Pulver ist verpulvert, die Kriegs- schiffe sind versenkt, die Flugzeuge zerstört, die Zeppeline ver brannt. Die Krieger sind vergeblich gelöhnt worden, die Krüppel müssen erhalten, die Witwen und Waisen unterstützt werden. Für alle diese Dinge und vieles andere mehr sind Anleihen ausgenom men worden, die dauernd Zinszahlungen erheischen; das ist so, als ob man für zerschossene Häuser von den ehemaligen Bewohnern dauernd Miete erheben wollte! Das Geld zur Kriegführung ist ebenso verschwunden, wie das für ein abge branntes Feuerwerk. Anfangs genügten ja die Kriegsanleihen; erst traten dann die Goldmünzen vom Schauplatz ab, darauf verschwanden die Silbermünzen, zuletzt haben sich die Nickel- stücke verkrochen. An ihre Stelle trat Papier, Papier, Papier; lauter Schuldscheine des Staates und der Gemeinden. Es heißt nun wie in Goethes Faust 17: Die Goldespforten sind verrammelt, Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, Und unsre Kassen bleiben leer . . . Nun soll ich zahlen, alle lohnen, Der Jude wird mich nicht verschonen, Der schafft Anticipationen, Die speisen Jahr um Jahr voraus. Die Schweine kommen nicht zu Fette, Verpfändet ist der Pfühl im Bette, Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot. Das Kapital ist also zusammengcschrumpft; der Krieg hat es verzehrt. Nur die Löhne haben beim Wettlauf der Werte den Siegespreis erhalten. Das kommt daher, daß die Arbeit?- stunde schließlich und endgültig der Maßstab ist, der die eigent lichen Werte bestimmt. Bei der Vergleichung der Theorie und der Praxis wird natürlich in Betracht zu ziehen sein, daß sonst alles beim alten bleibe; wird also die Arbeitszeit von 10 Stunden auf 8 Stun- den festgesetzt, bei sonst gleichbleibender Leistung, so muß natür lich das Entgelt entsprechend geringer sein — also für ehemals 100 in Gold gäbe es dann heute nicht 500 .-/) in Papier, sondern nur 400 für 30 Wochenlohn in Gold bei zehn- stündiger Arbeitszeit heute 120 -1k Wochenlohn in Papier bei achtstündiger. Den Mut, den Lohn der Arbeit ziffermätzig zu verfünf fachen, haben aber die Staatsbehörden nicht. Zwar bessern sie die Gehälter nach und nach auf; aber für Briefbestellung 50 L, statt 10 zu fordern, wagt man nicht; so weit zu gehen, blieb der Zollbehörde Vorbehalten. Denn die internationalen Verträge sind dagegen; und es wäre doch nicht nur ungereimt, sondern auch bedenklich, für einen Brief nach Amerika 20 H, für einen im Inlands aber 50 H zu verlangen. Die Aufbesse, rung des alten Postgeldez um 1007, ist nicht überschreitbar. Die Folge ist, daß man auch die Friedensgehälter der Postbeamten nicht um mehr als 1007» steigern kann, ohne daß dieser soziali sierte Betrieb im Ertrag zurückgeht. Man schaudert davor, aus- zurechnen, was aus der Post werden würde, wenn die Ein- nahmen sich nur verdoppeln, die Gehälter und Löhne sich aber verfünffachen würden. Dasselbe gilt von der Eisenbahn. Wenn die Kosten sich verfünffachen (für Gehalt und Lohn, Kohle, rollendes Material usw.), so kann man nicht mit dem doppelten Fahrpreis auskommen. Sonst kann die Eisenbahn bald ein packen. Schon jetzt werfen die Ereignisse ihren Schatten voraus; man sucht zu sparen, es soll möglichst wenig gereist werden, denn jede Zunahme des Verkehrs schreckt, wenn der Verkehr mehr kostet, als er einbringt. Eine gesunde Post, eine gesunde Eisenbahn muß mehr einbringen, als sie erfordert; denn sonst kann der Staat sie nicht erhalten. Er braucht den Überschuß u. a. für die Erhaltung der Schulen, für den Bau von Irren- Häusern und Gefängnissen, da die Benutzer dieser Gebäude keine Miete zahlen; er braucht den Überschuß vor allem, um zu be weisen, daß die Sozialisierung, auf die jetzt eifrig hingesteuert wird, sich lohnt. Denn wenn schon diese Betriebe nicht mehr lohnen, welche sollen sich denn in Zukunft lohnen? Und wenn alles sozialisiert wird, fallen alle Steuern weg, kein Privat- kapital wird mehr aufgespeichert — und woher soll der Staat dann Anleihen aufnehmen? Wie soll er Zinsen (ans Ausland) zahlen? Was für den Staat gilt, muß auch für Handel und Industrie maßgebend sein. Es ist leicht, zu zerstören, schwer, zu errichten; die Vernichtung geht rasch, der Aufbau langsam. Daß die Aus saugung der größten und glänzend entwickelten Betriebe in ganz kurzer Frist erfolgen kann, dafür hat die letzte Zeit Beispiele genug geliefert. Die Lähmung der Betriebe bringt aber Arbeits losigkeit, also Lohnlosigkeit hervor; Arbeitslosenunterstützung ist aber eine verzweifelte Maßregel, der Arbeitslose verzehrt frem den Lohn statt eigenen; der Wirtschastskörper lebt dann von seinem eigenen Bfute; daß er dabei nicht zu Kräften kommen kann, ist einleuchtend. Er saugt sich selber aus. Das Resultat dieser Betrachtungen nun ist dies: Es ist theo retisch erklärlich, daß heute wesentlich höhere Löhne und Ge hälter gefordert werden; praktisch ist es aber für alle Beteiligten 930
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