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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1934
- Strukturtyp
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- 1934-06-16
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1934
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- Deutsch
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Hi 138, 16. Juni 1934. Redaktioneller Teil. Vürlevblatt f. b. Dtschn vuchhaabel. schwarzen Wolken hinauf. Ein Viertelstündchen später war ein zwei strophiges Gedicht fertig, das sich an die fliegenden Wolken hängte und zu dein Furchtbarsten gehört, was das Buch überhaupt gebracht hat. Aber der Hauptzweck war erreicht: die leere Seite gut aus gefüllt. Nun litt ich auch schon damals an einer Eigenschaft, die mich bis in meine alten Tage geplagt hat: Wenn ich das neu Ge schaffene in schönem Druck vor mir sah, packte mich allemal ein geradezu saumäßiges Verlangen, das Gedruckte wieder zu vernichten oder doch so zu verbessern, daß von dem ursprünglichen Satz nicht viel übrigblicb. Der Drucker und Verleger aber, der sich nach dem ausbedungenen bestimmten Kostenbeitrag richtete, war darüber natür lich sehr aufgebracht, und eine zweite Korrektur, also die Revision der ersten, erhielt ich nicht mehr. Er fürchtete wohl nicht ohne Grund, daß ich sie ebenfalls übel zurichten würde. Nachdem ich deshalb wiederholt vergeblich in die Druckerei geeilt war, wurde mir wie ein Blitz aus heiterm Himmel plötzlich das fertige Buch gereicht. Daß ich mich durch meine heimlichen schriftstellerischen Versuche immerhin stilistisch sehr gefördert haben mußte, scheint mir folgende Tatsache zu beweisen: Für das Abgangsexamen war als Aufsatz thema die epische Dichtung gegeben, und da strengte ich mich denn einmal wieder ordentlich an und schrieb so recht aus dem Vollen. Mit dem Erfolg, daß der Direktor mich zu sich rufen ließ und mit sehr verschlossenem Gesicht zu mir sagte: Die Lehrer ständen vor einem Rätsel, denn mein Aufsatz wäre so auffallend gut, daß ich ihn unmöglich selber geschrieben haben könnte. Irgendwo abge schrieben hätte ich ihn aber wohl auch nicht. Also woher und wieso? Ich wußte darauf nichts zu sagen, und die Zensurnummer ging spurlos an meinem Abgangszeugnis vorüber. Und dann platzte die Bombe, als nach eben bestandenem Examen in allen Buchhandlungen in der Sphäre des Hunöemarktes mein Büchlein erschien, dessen Titel ich wohlweislich verschweige. Auf den Effekt gespannte Seminaristen hatten meinen Freund, den Herrn Oberlehrer, auf das unerhörte literarische Ereignis auf merksam gemacht, und er war einer der ersten, der ein Exemplar erstand. Natürlich hat er es in Grund und Boden kritisiert, sogar in einem hannoverschen Blatte. Die einzige Handlung gegen mich, die ich ihm nicht nachgetragen habe. Meine literarische Schuld hatte einen gerechten Richter gefunden. NuÜolf Ätoffregen: Begegnung mit Heinrich Äohnreg. Kaum zwölf Fahre zählte ich. als mir unser Dorflehrer eine Anzahl mit Anschriften versehener Wochenblätter, die in einer Sammelsendnng ans Berlin einaetroffen waren, mit dem Auftrag in die Hand drückte, sie den Bestellern ans den verstreut liegenden Bauernhöfen zu übermitteln. »Deutsche Dorfzeitung« hießen diese Blätter, deren Titel ein wirkungsvoller Frieß umrahmte, der einen pflügenden, einen säenden und einen den Erntewagen einholenden Bauern zeigte. Lesehungrig wie ich nun einmal war. durcheilte ich die Seiten dieser »Dorfzeitung« und fand viel Fesselndes, besonders unter den Abschnitten »Was die Dorfglocke ruft«, »Aus dem Eulen loch der Zeit«, »Was der Doktor sagt« usf. Der Herausgeber der »Deutschen Dorfzeitung«, die in unserem niedersächsischen Dorf da mals viel gelesen wurde, war Heinrich Sohnrey. Ich merkte mir seinen Namen und Wohnsitz genau. Als ich den Fungenschuhen ent wachsen und eines Tages »Eine Glockenweihe auf dem Lande« mit tiefer innerer Anteilnahme in meinem Heimatdorfs erlebte, legte ich dieses, mein Erleben, in einer Niederschrift fest und schickte sie promp test an Heinrich Sohnrey zur Veröffentlichung in der »Deutschen Torfzeitung«. Fch traute meinen Augen nicht, als ich meine sicherlich noch recht unbeholfenen Zeilen in der nächsten Dorszeitungsausgabe als Leitartikel abgeöruckt fand. Dies gab mir Mut, von dieser Stunde an war ich Heinrich Sohnrey verbunden und wurde ein eifriger Mitarbeiter an seinem Wochenblatt, bis mich eines Tages eine stille Traurigkeit überfiel, in jenen unseligen Jahren, als wir lernen mußten, nur noch mit Millionen zu rechnen. Ich hielt einen Brief von Prof. Heinrich Sohnrey aus Berlin in Händen, in dem er mir u. a. schrieb: »Die ,Dorfzeitung' hat leider sehr zu kämpfen, und wir werden die schweren Opfer, die Nummer für Nummer er fordern. über Ostern hinaus nicht mehr tragen können«. Die »Deutsche Dorfzeitung« mußte kapitalistisch stärkeren, konjunktur- ritterlich eingestellten Blättern weichen. Sie ging bedauerlicherweise in einen anderen Verlag über und verlor ihre ursprüngliche Eigenart als Wochenblatt für Landwirtschaft, Ansiedlungswesen und Volkstum. Heinrich Sohnrey ließ ich aber trotz dieses unerfreulichen, zeit bedingten Umstandes nicht mehr aus den Augen. Fch forschte nach dem. was von und über ihn erschien und machte es mir zu eigen. Sein »Bruderhof- mußte bei mir in einer Nacht »daran glauben*. 538 Er blieb mir von all seinen Werken bis heute nachhaltigst in Er innerung. Besonders wohl auch dadurch, daß er in demselben Bauern dorfe in den Hildesheimer Waldbergen entstand, in dem mein Onkel später das Lehrererbe Heinrich Sohnreys fortsetzte. In erlebnis starken Jugendjahren suchte ich dieses Bauerndorf auf, und mich be herbergte das gleiche Schulhaus, wo der Bauernerzähler vielleicht Nächte über seinem werdenden Werk vergrübelte, lauschte dem von ihm besungenen eiligen Geplätscher der Despe hinter der Haselhecke, vernahm den Betglockenschlag in der Dämmerung, hörte die in seinem Roman gezeichnete Eule »Kumm mit! Kumm mit!« rufen und ging mit Erschauern über den moudbeschienenen kleinen Dorfkirchhof, wo jener »Steffen« aus dem »Bruderhof« am Hochzeitstage seines Bruders auf des Vaters Grabe endete. — Jahre sind vergangen. Inzwischen brauste ein bereinigender Sturmwind über Deutschland. Morsches wurde hinweggefegt; nur das Gesunde, Echte, im Volk Gewachsene konnte und wird sich für alle Zukunft behaupten. Zu ihm zählt das Werk Heinrich Sohnreys, zu dem mich nun endlich kurz vor seinem 75. Geburtstag ein glück licher Zufall führte. Ich stehe plötzlich vor ihm, dem »Alten vom Sollinger Walde« in seinem Dichterheim draußen im grünen Steglitz vor den Toren der lauten Weltstadt. Ich konnte in ein paar leb hafte Augen schauen, die mich aus einem vergeistigten Bauern gesicht anblicken. Er freut sich aufrichtig, einen Landsmann be grüßen zu können. Wir plaudern bald wie alte Vertraute in einer gemütlichen Ecke vor dem vollgepackten schweren Eichenschreibtisch des Bauernerzählers inmitten der vielen buntrückigcn Bücherreihen, die die Borte an den Wänden füllen. Peter, der schlaue Pudel, liegt zu unseren Füßen. Draußen blaut ein herrlicher Junisonucntag, durch die lichten offenen Fenster strömt Jasmin- und Nosenduft, Amseln flöten, und ein leichtes Wehen bewegt die schlanken Birken und die hohen Pappeln, die die Dichterklause windschützend umgeben. Freudig bewegt erzählt mir Heinrich Sohnrey von den kleinen und großen Ehrungen, die ihm in den letzten Wochen zuteil werden. Da hatte er eben noch vor meinem Kommen unter Manuskripten und Büchern gekramt, um für den Deutschlandsender eine Lesung vorzubereiten. Kürzlich noch war er in seinen Solling gefahren, wohin es ihn recht oft zieht, wenn ihn das Wanderblut prickelt, da hatte ihn auf der Sohnrey-Hütte der Aufnahmewagen der Ufa überrascht, um ihn im Bilde für die »Wochenschau« festzuhalten. In sinn voller Weise huldigte ihm die Weserstadt Karlshafen, die die höchste Erhebung der dortigen Weserbergkette »Sohnreyhöhe« benannte. — Wir kommen auf literarische Dinge zu sprechen. Heinrich Sohnrey berichtet über seine Begegnungen mit Hermann Löns und der im Volksmund viel umraunten Swaantje, über seine literarische Ent deckung von Helene Voigt-Diederichs, über den Marschendichter Gustav Frenssen und über seine Verehrung für Peter Rosegger. — Ich frage den Bauerndichter, der einen selten rüstigen Eindruck auf mich macht, nach seinen weiteren literarischen Plänen und bin über rascht, was der junge »Alte vom Sollinger Walde« noch vorhat: »Möge mich der Herrgott in dieser Frische hundert Jahre alt werden lassen, damit ich all das bewältigen kann, was mich zuinnerst bewegt und zur Gestaltung drängt!« Sein größtes Werk hat er noch nicht geschrieben. Seit dreißig Jahren schon arbeiten seine Gedanken an ibm. Ein wuchtiges Dorfgemälde soll es werden, nicht nur ein Gemälde Niedersachsens, sondern bas ganze deutsche Dorf soll es sein. »Das Dorf vor der Himmelstür« will er dieses, sein lebens reifstes Werk nennen. Mehr darf ich über seine Planung und eine andere bald beendete Arbeit »Die Kreuzigung des Jesugreifers« nicht verraten, sonst wird mir der »Alte vom Solling« böse und droht mit dem Finger: »Du! Du! wahr deck!« — Fch spreche mit Heinrich Sohnrey noch über »Die Landjugend«, die ihre Aufgabe, vorwiegend der Dorfjugend guten, belehrenden Stoff zu bieten, bis zum Welt kriege in einer einzigartigen Weise erfüllte und betone, daß das Ein gehen dieses von ihm gegründeten Jugenöjahrbuches bedauerlich bleibe bei all den gewaltigen Zukunftsaufgaben, die zu lösen unsere deutsche Jugend und im besonderen unsere Landjugend berufen sei tm werdenden Bau des Reiches. Mit Mannesfrische greift Heinrich Sohnrey meinen Vorschlag auf. »Die Landjugend« neu zu beleben. In der nächsten Zeit schon wollen wir mit führenden Kräften, die um das Wollen der heutigen Jugend wissen, und mit Heinrich Sohnrey als dem erfahrenen Berater, diesen unseren »Landjugend«-Be- lebungsplan weiter ausbauen. In diesem Zusammenhang berühren wir im Lauf des Gesprächs auch die längst verklungenen Spinnstuben lieder, von denen Heinrich Sohnrey eine kostbare Sammlung zu sammenträgt. Ein Thema, das uns bei der einfallenöen Dämmerung in der Dichterklause hätte noch stundenlang beschäftigen können bei der lebendigen Erzählungskunst des »Alten vom Sollinger Walde«. Fch dränge zum Aufbruch swenn es mir auch recht schwer fällt), da ich doch weiß und fühle, wie sehr die schnell eilende Zeit eines 75jährigen Geburtstagskindes von seinen Verehrern in Anspruch
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