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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.07.1934
- Strukturtyp
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- 1934-07-05
- Erscheinungsdatum
- 05.07.1934
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- Deutsch
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x; 1Ö4, 5. Juli 1934. Redaktioneller Teil. trauten Kreise äußern. Gleichwohl, ob müde oder verrannt, haben sie den nationalsozialistischen Staat noch nicht verstanden, geschweige erlebt. Sie stehen noch drüben und schimpfen, aber Versammlungen besuchen sie nicht, ebenso schwer überzeugt sie das geschriebene Wort, denn sie lesen es gar nicht erst. Sie fühlen unterbewußt die Mängel ihrer Überzeugung und haben fast Furcht, sie selbst hören und sehen zil müssen. Bemüht sich aber einer redlich und andauernd, ihnen deutschen Kultnrwillen deutlich zu machen, verschütten sie sich ängstlich und rasch wieder ihre Erkenntnisse mit neuen Sophismen und Gegen reden ohne Ende. Im Buchhandel gibt es im beschränkten Maße in drei Gruppen diese Gattung Menschen, die natürlich auch das ent sprechende Gesicht ihres Arbeitsbereiches zeigen. Da sind die Verleger, die ohne Bindung All ihrem Volk nur um des Geschäftes willen Bücher verlegen: Bücher, die sittliches und deutsches Empfinde» verzerren oder hcrunterziehen, Bücher, mit denen wohl entarteten Menschen oder Schmarotzern eine nette Ver kleidung ihres eigenen Verfalls gegeben wird, die aber die gesunde Anschauung und die Lebenseinstellung eines großen und wertvollen Teiles unseres Volkes unnötig bcrennen. Zumal diese Verfalls- litcratur, zu der alle artfremden, gekünstelten, gcschmack- und scham losen, schwächlichen und kranken Bücher gehören, ihre zweifelhaften Anschauungen oft mit besonderer Sicherheit oder Gewissenlosigkeit unter dem Deckmantel des I'nrt i-our 1'art oder ähnlichen Vorwänden dem Leser als das einzig Wahre im Leben hinstellt. Die deutschen Lehrer stehen mit dieser Literatur hartnäckig auf dem Kriegsfuß, weil in ihr der deutschen Sprache die unsinnigsten Verstümmlungen widerfahren. Auf Beispiele können wir hier verzichten. Wir sehen, es gibt leider noch Verleger, die nicht im Sinne des national sozialistischen Staates arbeiten. Und natürlich gibt es auch noch gewisse Sortimen ts- b u ch h ä n d l e r, die solche Werke bestellen und in ihrem Laden auslegen. Wie schon oben gesagt, sie sind entweder urteilslos oder richten sich nach den Kundenwünschen, ohne den Versuch einer Beein flussung zu machen, oder sie fühlen sich persönlich jener Verfalls- literatur so gleichgesinnt, daß sie sich für sie wie für sich selbst ein- setzen. Sehr berechtigt sind die Vorwürfe Will Vespers gegen die dritte Gruppe, den B a h n h o f s b u ch h a n d e l, wo er warenhausmäßig beliefert wird und alles händlermäßig vertreibt, was nicht gerade die Kontrolle der Sittenpolizei beanstandet. Als geistiges Aushänge schild der Nation an den Straßen der Welt soll nach Vesper der Bahnhofsbuchhandel an das ortsansässige Sortiment übergeben werden, da nicht Konzerne, wohl aber Buchhändler dort entsprechend der kulturpolitischen Richtung des nationalsozialistischen Staates wirken können. Es gibt also noch Verleger, Buchhändler und Bahnhofshändler, die keine Mittler des Dritten Reiches sind. Sie lassen sich nicht überzeugen und schneiden die nationalsozialistische Gesinnung in Wort und Schrift. Wir Jungbuchhändler können noch so viele Schnlungswochen gemeinsam mit unseren geistigen und politischen Führern veranstalten, wir können noch so viel örtliche Fachgruppen arbeit leisten, bei jenen Leuten hilft nichts mehr. Viel tragen auch die Bürger, welche heute als Miesmacher bekämpft werden, dazu bei. Geistig gilt bislang als vornehm, und so gehen sie in den Buch laden, kaufen eine Berliner Jllustrirte und entschuldigen gleichsam ihren billigen Kanf mit Sätzen wie: » . . . ja, für den geistigen Menschen gibt es heutzutage wirklich nichts besonderes mehr, nur Bücher noch von diesem faden Blut und Boden, diese fürchterliche Rasse, diese entsetzlichen politischen Nazibücher. Sie als Buchhändler sind doch auch ein geistig aufgeklärter Mensch . . .«, und wenn sie dann an den Nichtigen gekommen sind, stimmt er mit ein in den Jammer über die »geistlose, kulturlose« Zeit mit ihrem »öden« SA-»Drill« usw. Er ist unzufrieden, denn obwohl er möglichst schnell 193-3 das nationalsozialistische Schrifttum und solches, das ihm äußer lich dank geschickter Umschläge ähnelt, in seinen Laden aufnahm, be kommt er nicht die genügenden Käufer dafür. Denn nur das verkauft der Buchhändler wirklich viel, von dem er überzeugt i st. Vor hundert Jahren machten in Frankreich die Adligen und ihre Gesinnungsgenossen einen weiten Bogen um jeden Buchhändler, der in dem schlechten Gerüche stand, ein Liberaler zu sein, und es war ein großes Vergehen, solche Leute in Nahrung zu setzen. Viel leicht wird auch in Deutschland künftig der Bücherkänfer so kritisch. Dabei wird er sowohl heute wie seit Jahren eine große Auswahl guter Buchhandlungen entdecken, die der deutschen Kultur dienen, wo man ihm mit Humor über augenblickliche Verärgerung hinweg hilft, ihn hinführt zu einem Buch, das ihm wirklich etwas gibt, sei es Politik, Lebensanschauung, Wissenschaft, Unterhaltung oder Freude. Man wird doch einiger unklarer oder verrannter Gehilfen wegen nicht gleich alle Jungbuchhändler und ihre Chefs kulturlos nennen. 600 Wo findet man wohl so viel freundliche Herren, die zwar genau wissen, daß ihr Kunde kaum über 10 RM kaufen wird, und die ihm trotzdem entgegenkommcn, als ob er ein Auto kaufen wollte. Probe fahrten — bitte nehmen Sie in diesem Sessel Platz und lesen Sie die Bücher an, oder wünschen Sie zur Ansicht ins Haus geliefert? Vorzüge und Unterschiede — bitte, zu jedem Buch wird eine Cha rakteristik vorgetragen unter Berücksichtigung der persönlichen Wünsche eines Kunden. Umtauschen, Selbstherumsnchen, an die obersten Regale klettern, Literaturübersichten, Lieferung von weit her und bei kürzester Zeit, Feststcllen von Titeln nach den dürftigsten Schlagworten, Vorschläge für Urlaubsreisen oder Kindererziehnng, Aufsatzthemen, Sport oder Malerei — alles wird dem Besucher eines Buchladens gern und freundlich vermittelt, und nicht etwa weil hier wie etwa dem Autohändler ein hoher Gewinn winkt, sondern ans Idealismus und Freude am geistigen Mittlertum. Um solcher Sorti menter willen, die man von Stallnpönen bis Freiburg bestimmt in ganz Deutschland sehr zahlreich findet und die schon immer da waren, ganz zu schweigen von der Menge unserer anerkannten deutsche» und nationalsozialistischen Verleger, sollte jetzt wirklich damit Schluß gemacht werden, das Vertrauen unseres Volkes zum deutschen Buch Handel zu erschüttern. Wer kritisiert, greife seine Leute tunlichst gleich beim Schopfe. Wie erst das Vertrauen zur Negierung eine gesunde Wirtschaft ermöglicht, kann nur das Vertrauen zum Buch handel ihm die Stellung erhalten, wirksamer Mittler deutschen Geistesgutes und des nationalsozialistischen Kultnrwillens zu sein. Der Waschzettel*). Fast alle Verleger versenden ihre Neuerscheinungen an die Re daktionen der Zeitungen und Zeitschriften mit einem gedruckten oder vervielfältigten »Waschzettel«. Diese sonderbare Beilage ist nichts anderes als eine vom Verlag selbst verfaßte Rezension der Neu erscheinung. »Sollten Sie aus irgendwelchen Gründen sich nicht selber in der Lage sehen, eine kritische Würdigung unseres neuen Verlags werkes vorzunehmen, dann bitten wir Sie, die nebenstehende Be sprechung zu benutzen«, heißt es dann meistens in dem ebenfalls bei- gelegten Begleitschreiben. Nicht alle Zeitschriften und Zeitungen »sehen sich aus irgend welchen Gründen nicht in der Lage«, das ihnen zur Besprechung gesandte Buch von ihren eigenen Mitarbeitern kurz oder ausführlich würdigen zu lassen, auch werden nicht alle Neuerscheinungen in gleicher Art und Weise behandelt. Aber bei der Durchsicht des Nezensionsarchives eines mittelgroßen Verlages stellt sich doch heraus, daß die überwiegende Mehrzahl aller Buchbesprechungen entweder ein gewöhnlicher Nachdruck des Waschzettels oder eine leicht erkennbare Umformulierung dieser Schablonenkritik ist. Den Waschzettel aber verfaßt der Propaganöachcf, bestenfalls der Lektor des Verlages. Er ist daher zwangsläufig unsachlich, meist voll pathetischen Lobes, niemals aber so verfaßt, daß er sich organisch in das individuelle Bild einer Zeitung oder Zeitschrift einsügen ließe. Warum wird der »Waschzettel« aber trotzdem abgedruckt? Es muß doch ein Grund vorliegen, der diese Bedenken aufhebt! — Jede Einrichtung hat doch, selbst wenn sie noch so verfehlt erscheint, einen bestimmten Sinn. Die riesenhafte Produktion auf dem dent schen Büchermarkt hat es schließlich mit sich gebracht, daß die Buch rezensenten der Zeitungen und Zeitschriften vor den sich auf ihrem Schreibtische häufenden Bücherstößen resignierten. Der Leser aber merkte bald, welch Spiel mit ihm getrieben wird. Hinter ausführlichen Besprechungen witterte er »Beziehungen« (die leider in nicht wenigen Fällen sehr auf der Hand lagen). Hinter kurzen Referaten erblickte er die Schablonenkritik des Waschzettels. Die Bnchrezension wurde in seinen Augen und seinem Urteil schlechthin diskreditiert. Der Leser glaubte und glaubt Ihr nicht mehr. Daß dieser Zustand sowohl für die Zeitungen und Zeitschriften, als auch für die Autoren und Verleger, als auch für die breite Leserschicht untragbar geworden ist, erkennt man bereits heute überall. Immer wieder erhebt sich der Ruf nach einer Reform der Buchkritik. Immer wieder wird auf ihre stiefmütterliche Behand lung hingewiesen. Was wird dadurch aber erreicht? Bestenfalls die Besinnung einzelner Schriftleiter auf ihre mora lische Verpflichtung gegenüber dem deutschen Schrifttum. Einige Zeit werden diese Einzelnen wie verrückt Bücher lesen, eigene Refe rate schreiben, um früher oder später wieder in den alten Trott zurückzuversallen. *) Mit Erlaubnis des Verlages und des Verfassers entnehmen wir der Zeitschrift »Die Tat« diesen Beitrag.
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