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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.04.1931
- Strukturtyp
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- 1931-04-16
- Erscheinungsdatum
- 16.04.1931
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- Deutsch
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^ 87, 16. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. d.Dtschn.Buchhanbel. 2481 „Um so schlimmer", erklärte Willy ungerührt, „dann solltest du dich schämen, mit solchen nachgemachten Soldaten zusammen zu sein!" Der Unteroffizier kommt näher. „Es ist Revolution", sagt er ruhig, „und wer nicht für uns ist, der ist gegen uns!" Willy lacht. „Schöne Revolution, mit deinem Verein der Achselklappenabreißer da! Wenn ihr mehr nicht wollt —" Er spuckt verächtlich aus. „Doch!" sagt der Einarmige und geht jetzt rasch auf ihn zu, „wir wollen mehr! Schluß mit dem Krieg, Schluß mit der Verhetzung! Schluß mit dem Mord! Wir wollen wieder Menschen werden und keine Kriegsmaschinen!" Willy läßt die Handgranate sinken. „Dafür war das ja ein feiner Anfang", sagt er und deutet auf Ludwigs zer tretenen Verband. Dann geht er mit ein paar Sprüngen aus den Trupp los. „Macht, daß ihr nach Hause koinmt, ihr Säuglinge!" brüllt er in den zurückweichenden Haufen. „Menschen wollt ihr werden? Ihr seid ja noch nicht mal Soldaten! Wenn man steht, wie ihr eure Gewehre anfaßt, kann man Angst kriegen, daß ihr euch die Hände brecht!" Der Schwarm verläuft sich. Willy macht kehrt und baut sich vor dem Unteroffizier auf. „So, jetzt will ich dir mal was sagen! Wir haben den Kram genau so satt wie ihr, und Schluß werden muß einmal damit, das ist klar! Aber nicht so! Wenn wir was machen, denn tun wir es selbst, aber vorschreiben lasten wir uns noch lange nichts! Und nun sperr deine Augen mal ganz weit auf!" Er reißt sich mit zwei Griffen die Achselklappen ab. „Das mache ich, weil ich es will, und nicht, weil ihr es wollt! Das ist meine Sache. Der da aber —", er zeigt auf Ludwig hinüber, „ist unser Leutnant, und er behält sie, und wehe dem, der was dazu sagt." Der Einarmige nickt. In seinem Gesicht arbeitet es. „Ich war doch auch draußen, Mensch", stößt er hervor, „ich weiß doch auch Bescheid! Hier —", er weist erregt seinen Stumpf vor. „Zwanzigste I. D., Verdun!" „Waren wir auch", sagt Willy lakonisch, „dann also — Mahlzeit —" Er lupft seinen Tornister an und hängt die Knarre um. Wir marschieren weiter. Aber als Ludwig an ihm vorüber geht, nimmt der Unteroffizier mit der roten Armbinde plötzlich die Hand an die Mütze, und wir verstehen, was er will: er grüßt nicht die Uniform und nicht den Krieg; — er grüßt den Kameraden von draußen. Willys Wohnung ist am nächsten. Gerührt winkt er zu dem kleinen Hause hinüber. „Salü, alter Kasten! Jetzt hat Reserve Ruhe." Wir wollen stehenbleiben. Doch Willy wehrt ab. „Erst bringen wir Ludwig weg", erklärt er kampflustig, „meinen Kartoffelsalat und meine Ermahnungen kriege ich früh genug." Unterwegs halten wir an und säubern uns, damit unsere Eltern nicht sehen, daß wir grade aus einer Schlägerei kommen. Ich wische Ludwigs Gesicht ab, und wir machen seinen Verband los, um die blutigen Stellen zu verdecken, weil seine Mutter sich sonst leicht erschrecken könnte. Er muß sowieso später zum Lazarett und sich neu verbinden lassen. Wir kommen ruhig hin. Ludwig sieht immer noch sehr angegriffen aus. „Mach dir nichts draus", sage ich und gebe ihm die Hand. Willy legt ihm seine Pranke um die Schultern. „Kann jedem mal passieren, alter Junge. Ohne den Schuß hättest du Gulasch aus ihnen gemacht." Ludwig nickt uns zu und geht hinein. Wir sehen ihm nach, ob er auch richtig die Treppe hinauskommt. Er ist schon halb oben, da fällt Willy plötzlich noch etwas ein. „Das nächstemal treten, Ludwig", ruft er beschwörend hinter ihm her, „immer nur treten! Nie rankommen lassen in solchen Fällen!" Dann läßt er befriedigt die Haustür zu fallen. „Ich möchte wissen, was er seit ein paar Wochen hat", sag ich. Willy kratzt sich den Schädel. „Es wird die Ruhr sein", meint er, „denn Ludwig sonst! — Weißt du noch, wie er den Tank bei Bixschoote erledigte? — Ganz allein? Das war nicht so einfach, mein lieber Scholli —" Er lupft seinen Tornister an. „Also mach's gut, Ernst — ich will jetzt mal Nachsehen, was Familie Homeyer im letzten halben Jahr gemacht hat. Eine Stunde Rührung schätze ich, dann geht's los mit dem Erziehen. Meine Mutter — Mensch, das wäre ein Feldwebel geworden! Ein goldenes Herz hat die Alte — aber in einer Fassung von Granit!" Ich gehe allein weiter, und auf einmal ist die Welt ver ändert. In meinen Ohren rauscht es, als ströme ein Fluß unter dem Pflaster her, und ich sehe und höre nicht eher mehr etwas, als bis ich vor unserm Hause stehe. Langsam gehe ich hinauf. Ueber der Tür hängt ein Schild „Herzlich willkommen", und ein Strauß Blumen steckt daneben. Sie haben mich schon kommen sehen und stehen alle da, meine Mutter ganz vorne an der Treppe, mein Vater, meine Schwestern — hinter ihnen ist das Wohnzimmer zu sehen, auf dem Tisch steht Esten, und alles ist feierlich. — „Was macht ihr denn für Unsinn", sage ich, „Blumen und alles, — wozu denn? — so wichtig ist das doch nicht — weshalb weinst du denn, Mutter? — ich bin doch wieder da — und der Krieg ist zu Ende — da braucht man doch nicht zu weinen —", und dann erst merke ich, daß mir selbst die Tränen salzig in die Schnauze lausen. » * II Wir haben Kartoffelpuffer mit Eiern und Wurst ge gessen — eine wunderbare Mahlzeit. Fast zwei Jahre ist es her, seit ich zuletzt ein Ei gesehen habe; — von Kartoffelpuffern ganz zu schweigen. Jetzt sitzen wir satt und behaglich um den großen Tisch im Wohnzimmer und trinken Eichelkaffee Mt Zuckerersatz. Die Lampe brennt, der Kanarienvogel singt, sogar der Ofen ist warm, und Wolf liegt unter dem Tisch und schläft. Es ist so schön, wie es nur sein kann. „Nun erzähl mal, was du alles erlebt hast, Ernst", sagt mein Vater. „Erlebt —", erwidere ich und denke nach, „erlebt habe ich eigentlich gar nichts. Es war doch andauernd Krieg, was soll man da schon erleben." Fortsetzung morgen!
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