3722 Künftig erscheinende Bitcher. SS, 17, April 1905. Das deutsche Bildungsbedürfnis ist auf Abwegen! „Schriften, deren Wert in den Resultaten des Ver standes liegt, sind schon nach einem Menschenalter, wenn der Verstand gegen diese Resultate gleichgültiger wird oder auf leichterem Wege dazu gelangt, veraltet. Schriften aber, in denen sich ein Individuum lebend abdrückt, werden nie entbehrlich, denn sie enthalten in sich ein »nvertilgbares Lebensprinzip, eben weil jedes Individuum einzig und mithin auch unersetzlich ist." So äußert sich Schiller in einem Brief an Fichte. Was tun aber die Deutschen von heute, um eine lebendige Persönlichkeit auf sich wirken zu lassen? Sie lesen Bücher über dieselbe. Denn die Bildungsfrönerei schreibt vor, über etwas in formiert zu sein, und man beladet sich ihr zuliebe mit totem Wissen. Man sucht nicht selbständig nach dem, was die eigene Seele je nach ihrer Veranlagung zur Nahrung braucht. Man traut sich ja auch keine Persönliche Stellung zu irgend einer Lebenserscheinung zu, falls sich nicht in einer Zeitung oder Zeitschrift eine „Autorität" darüber ausgesprochen hat, deren Ansicht man meistens je nach dem Grad der Tagesberühmtheit annimmt. Wird das Schillerjubiläum der erste Anlaß werden, aus der einseitigen Ver standeskultur von heute loszukommen, damit wir den „schöpferischen" Menschen wieder auf uns wirken lassen und dadurch in unserer eigenen Sphäre Schöpfer werden? Damit wir nicht mehr über einseitiger Ausbildung des Intellektes uns selbst versäumen? Denn wie Schiller sagt „durch Verbreiterung der Wiffensfläche „ergreifen" wir zwar immer mehr, doch hängt das „Begreifen" von der „Kraft und Tiefe der Persönlichkeit" und von der „Freiheit ihrer Vernunft" ab". Es geht daher meine Verlagstätigkeit bei der deutschen Schillsrfeier in den nach folgend angezeigten Büchern darauf aus, die Persönlichkeit Schillers in eigenen Worten wirken zu lassen und ihn hauptsächlich da zu zeigen, wo er unersetzlich ist, nämlich als Führer zu einer ästhetischen und sittlichen Kultur. Aber Schiller stand nicht allein in seiner Zeit, deren Ideale die universale Bildung, die durch Wissenschaft und Philosophie erkämpfte persönlich selbständige Weltan schauung, die innere geistige Freiheit waren. Diesen Mitkämpfern will die Buch serie „Erzieher zu deutscher Bildung" wieder zu lebendiger Wirkung verhelfen. Eugen Diederichs Buchhändler zu Jena