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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.12.1898
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 02.12.1898
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- Deutsch
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(54609) Aus den Glklljbotkil Heft 48 Für die Buchhändler, die nie ein Heft Grenzboten zu sehen bekommen, drucke ich hier eiueu Artikel des neusten Heftes ab. Wer keine Zeit hat ihn zu lesen, der braucht eS natürlich nicht zu thun. HeilWs MimlilltklW und Klitsches Urstemcht. Zuweilen ist es notwendig, der vergeh, lichen Zeit einige harte und manchem un bequeme Thatsachen ins Gedächtnis zurückzu- rusen. Die Verfassung des Deutschen Reichs beruht auf einem Ausgleich zwischen den nationalen Gesamtinteressen und der Krone Preußen, die sie vertrat, aus der einen Seite, den Sonderinteressen der Fürstenhäuser und der einzelstaatlichen Selbständigkeit auf der andern. Diese Selbständigkeit war schließlich derart in den Vordergrund gestellt worden, daß sie den dringendsten Lebensinteressen der Nation schnurstracks entgegenlies und einge schränkt werden mußte, um jene zu wahren. Dies geschah 1866 mit Waffengewalt, durch den Sieg der Krone Preußen und ihres Heeres, nicht durch eine friedliche Verein barung, die trotz zahlreicher Versuche eben mißlungen war, weil das Nationalgefühl zu schwach war, den Widerstand zu überwinden; es geschah im Widerspruch mit dem „legi timen" Fürstenrecht, das übrigens nicht weiter zurückgeht, als bis 1806, und es mußten sogar die historischen Rechte von vier Herr scherhäusern ganz zerstört werden, damit auch nur das notwendigste Maß der Einheit er reicht wurde. Erst auf Grund dieser gewalt samen Entscheidung kamen die vertrags mäßigen Vereinbarungen über die Verfassung des Norddeutschen Bundes zustande, der sich dann in den Verträgen von 1870 auch die süddeutschen Staaten unter gewissen Vor behalten unterordneten; eine völlige staats- rechtliche Neugiündung war die ReichSver- sassung nicht, die grundlegenden Verträge wurden auch nicht von allen deutschen Staaten als Einzelkontrahenten abgeschlossen, sondern vom Norddeutschen Bunde auf der einen, den süddeutschen Staaten auf der anderen Seite. Nun sollte man meinen, jedem national gesinnten Deutschen und jedem nationalen Blatte sollte diese einfache Sachlage jederzeit gegenwärtig sein, und sie sollten daraus zwei einfache Schlüsse ziehen, nämlich erstens den, daß die Einzelheiten dieser grund legenden Verträge nicht für alle Zeit und Ewigkeit unantastbares Recht sein können, sondern — wie es in jeder gesunden Ent wicklung immer geschehen ist und geschehen wird — wenn das nationale Interesse es verlangt, unter den durch die Reichsver- sassung bestimmten Formen auch abgeändert oder ausgehoben werden können, und zweitens, daß, wenn in einem bestimmten Falle von größerer Bedeutung Zweifel entstehen, ob die Reichsgewalt, vertreten durch Kaiser und Bundesrat, im Rechte ist, oder ein Einzel staat oder ein Herrsche'Haus und ein klares, unzweifelhaftes Recht nicht gegen die Reichs- kompetenz spricht, jeder gute Deutsche sich für die Reichsgewalt entscheiden muß. Sonst leugnet er die Voraussetzungen, auf denen das Reich aufgebaut worden ist, er verurteilt die Reichsverfassung zur Erstarrung, er stellt sich auf den überwundenen, unannehmbaren legitimistisch.partikularistischen Standpunkt. Nach diesen Grundsätzen hat Fürst Bis marck auch nach 1871 gehandelt. Unter seiner Leitung faßte 1884 der Bnndesrat den Be schluß, den Herzog Ernst August von Eum- berland nicht zur Thronfolge in Braun- schwetg zuzulassen, weil dies mit dem Rechts und Besitzstände im Reiche unverträglich sei; er hat dabei nach der jetzt (angeblich nach seinem Ratei) mit so vielem Zartgefühl behandelten dynastischen Empfindlichkeit gar nicht gefragt, und auch der braunschweigische Minister von Otto hat noch kürzlich das mannhafte, ehrliche Wort gesprochen, ein Fürstenrecht, das über jedem nationalen In teresse stehe, könne es nicht geben; er hat sich also ganz auf den Standpunkt des Fürsten Bismarck gestellt. Dieser selbst wollte ur sprünglich noch weiter gehen; um der wel- fischen Agitation ein für allemal den Boden zu entziehen, wollte er das ganze welfische Haus für alle Zeiten von der Nachfolge in Braunschweig ausschließen. Soweit folgte ihm der Bundesrat nicht, ob zum Heile des Reichs und Braunschweigs, bleibe dahin gestellt; aber selbst der wirklich gefaßte Be schluß war ein Bruch des strengen Prioat- sürstenrechts, für das eine Frage gar nicht vorlag, und er wurde begründet mit der Rück sicht auf das Interesse des Reichs, auf das fett 1866 neugeschaffene Recht. Dieses damals in der That beiseite ge schobene Privatsürstenrecht hat inzwischen wunderliche Konsequenzen gehabt. Kraft dieses Rechts ist in Sachsen-Koburg-Gotha ein eng. lischer Prinz zur Regierung gekommen, der, mindestens anfangs, so wenig Rücksicht auf seine deutschen Unterthanen nahm, daß seine Hofverwaltung sich im schriftlichen Geschäfts verkehr der französischen Sprache bediente. Kraft dieses Rechts wird einmal in Olden burg ein Vertreter des russischen Zweiges >der Dynastie folgen, der kein Wort Deutsch ver steht. Das ist geschehen und wird wieder ge schehen, weil in Deutschland das National bewußtsein noch immer nicht stark genug ist, sich solche Zumutungen entschieden zu ver bitten. Ein junges, unreifes, damals noch halbbarbarisches Volk wie die Rumänen hat zwar einen deutschen Prinzen auf seinen Thron berufen und auch schließlich seinen Neffen als Thronfolger anerkannt, aber es hat streng darauf gehalten, daß dessen in Rumänien geborner Sohn im Lande und in der nationalen Kirche erzogen wird. Wir Deutschen finden nicht die Energie, eine solche Forderung zu stellen und durchzusetzenl Unsre „nationale" Presse hält sich wohl über dergleichen Vorkommnisse auf, aber sie ist noch nicht auf den Standpunkt gelangt, die Regelung solcher Erbsolgefragen durch die nationale Reichsgewalt, als die Hüterin des nationalen Interesses, zu verlangen. Sie spottet zwar über die bei Ehen in fürst lichen Häusern geforderte Ebenbürtigkeit, als wenn beiläufig nicht auch in ganz andern Kreisen ebenso streng auf eine gewisse Eben bürtigkeit gesehen würde, aber sie nimmt keinen Anstoß daran, daß das Erbrecht in Sachsen-Meiningen und Schwarzburg-Rudol- tadt durch Landtagsbeschluß neugeordnet worden und dadurch das an sich bessere, ältere Recht der Agnaten aus andern Häusern gebrochen worden ist; sie nimmt dasselbe Recht für den lippischen Landtag in Anspruch und ereifert sich über den Vorschlag, diese Regelung bei der Menge der einander wider- streitenden Anwartschaften dem Bundesrate zu überlassen, obwohl der ganze Fall selbst zwischen den Staatsrechtslehrern sehr streitig ist. Sie vergißt dabei nicht bloß, daß das alte Reich bis in seine letzte Verfallzeit hinein eine oberste Autorität für solche Fälle kannte, die ein zusammengesetzter Staat im Grunde gar nicht entbehren kann, sondern sie weiß auch nicht mehr, daß sichdie liberale Partei und Presse jahrelang bemüht hat, ein viel einschneidenderes Einschreiten des Reichs in Mecklenburg zu veranlassen, um dem Lande eine konstitutionelle Verfassung zu ver schaffen. Ja sie geht in ihrer seltsamen Vor liebe für die ungeschmälerte Souveränität auch des kleinsten EtnzelstaatS so weit, daß sie in der Frage der militärischen Ehren bezeigungen für die Kinder des Regenten von Lippe mit einer ebenso unschicklichen als unbegründeten Animosität gegen den Kaiser Partei ergreift, als ob die Grundlagen des Reichs bedroht seien. Und doch wäre das Rechst das der Grafregent in dem jetzt, wieder durch eine elende Indiskretion boshafter oder subalterner Menschen, an die Oeffent- lichkeit gebrachten Brief an den Kaiser vom 8. Juli d. I. wenigstens theoretisch für sich in Anspruch nimmt, das Recht, als „Kon tingentsherr" Gegenbefehle gegen die Be fehle des kaiserlichen Kriegsherrn zu erlassen, eine wahrhafte Ungeheuerlichkeit, praktisch wie theoretisch, denn zwei konkurrierende militärische Gewalten in demselben Bereiche kann es nicht geben, und der „Kontingents herr", der die Militärhoheit an die Krone Preußen abgetreten hat, kann nur die „Stellung und die Ehrenrechte" eines kom mandierenden Generals beanspruchen, nicht ein Kommandorecht, das mit dem deS Korpsgenerals konkurrierte. Der Kaiser hat also nur sein Recht gewahrt, wenn er diesen Anspruch zurückwies, und sogar die Schärfe seines doch nicht für die Oeffent- lichkeit bestimmten Telegramms ist bei der Ungeheuerlichkeit, des Anspruchs begreiflich, die Bundessürsten aber, die der Regent an- gerusen hat, können sich amtlich mit der Sache schwerlich befassen, denn eine „Diszipli nierung" eines Bundessürsten durch den Kaiser liegt gar nicht vor. Beiläufig: ein lippisches „Kontingent" in dem Sinne eines geschlossenen, selbständigen Heerkörpers wie das sächsische und bayrische Kontingent des Reichsheeres giebt es nicht; diese kleinstaat lichen Mißbildungen sind Gott sei dank mit dem durchlauchtigsten Deutschen Bunde untergegangen. Es giebt nur lippische Landeskmder, die in preußischen Regimentern dienen, dem Kaiser unbedingten Gehorsam schwören, am Helm den preußischen Adler (nicht das lippische Wappen) und neben der Reichskokarde die lippische Kokarde tragen, auch nur teilweise in Lippe stehen, denn was von den Rekruten für Kavallerie und Artillerie tauglich ist, wird überhaupt nicht dort eingestellt; die Offiziere des Detmolder Bataillons aber sind gewiß nur zum kleinsten Teile lippische Unterthanen und haben, so weit sie dies nicht sind, dem „Kontingents herrn" auch gar nicht den Fahneneid ge leistet. Kurz und gut, ein großer Teil der deutschen Presse stellt sich selbst da, wo die Rechtsfrage mindestens zweifelhaft ist oder auch zu Gunsten der Reichsgewalt liegt, unbesehen auf den Standpunkt des nackten Partikularismus und behauptet dabei noch, die bedrohten Interessen des Reichs zu schützen und in Fürst Bismarcks Sinne zu handeln, nämlich die „Impon derabilien" der sogenannten „Volksseele" zu
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