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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.10.1937
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- 1937-10-13
- Erscheinungsdatum
- 13.10.1937
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Das Vorspiel Lin Auszug aus drm „vorspül" wird am rbestrn in Sinn und Charakter des neuen Görresbuchcs einführen. Schön sind die Stunden des Gesprächs in den langsam wachsenden Abenden des Herbstes. Draußen liegt die Straße der Stadt, ein tiefer Schacht, dunkler, immer leiser brausend; aber die Vorhänge schließen ihre unruhigen Lichter aus und unsre Stube liegt hoch und einsam und geborgen wie eine kleine steile Insel mitten im steigenden Meer der Nacht. Da kann das Ge- spräch, das der wachsenden und suchenden Seele Brot und Atem ist, sich behutsam entfalten. Drei: das ist die richtige Zahl dazu; reden zwei, dann redet zu leicht immer nur einer, auch wenn beide sprechen, jeder redet für sich dahin, lang Gespartes, lang Gestautes will er einmal in Worten hören, zuletzt hört keiner mehr, zwei Einzclrcden laufen nebeneinander her wie Schienen, die sich treulich begleiten und nie begegnen; der Dritte aber knüpft die Fäden immer wieder zusammen, er fragt den einen und fragt den andern und biegt die starre» Zweige sacht zum Kranz zurück. Die Dritte war es auch, die das Gespräch begann, unter der stehenden Lampe im steifen silbergrauen Schirm, an einem windigen November- abend. Ein schmaler Leincnband lag auf dem runden Tisch. „Ich habe dies mitgebracht", sagte Agathe. „Es sind sechs Leben heiliger Frauen aus sehr alter Zeit, verschollen bis auf Hildegard, das strahlende Gestirn vom Disibodcnbcrg. Ich babc sic gelesen, ich habe in den letzten Monaten viel Leben der Heiligen gelesen, aber seht, anstatt zu erquicken und zu erbauen, beunruhigen sic mich. Geht cs euch auch so?" „welche Unruhe meinst du?" fragte der Dichter. „Die des trägen Herzens, das sich wehrt, aus seiner bequemen Bürger, lichkcit aufgeschrcckt zu werden durch die Flammcnsignalc gewaltiger Schick, salc — oder die des wachen Herzens, das sich erschüttert, bang und zuver sichtlich zugleich auf den weg machen möchte — zu jenem Gott,' der aus den Taten des Heiligen ruft?" „Ach, das ist beides schon viel zu viel", sagte Agathe. „Mich beunruhigt, daß diese Bilder mich so wenig erschüttern und erschrecken — mich und andre. Und ich glaube, das liegt nicht an widerstand und Herzenshärtigkcit, sondern an der Fremdheit jener Gestalten." „Sic müssen nicht die veralteten Darstellungen lesen", wandte der Ältere ein, „jene gutgemeinten, aber erstarrten, weder menschlich noch wissen schaftlich vertrauenswürdigen Bücher, in denen der Heilige losgelöst von Zeit und Raum auf purem Goldgrund erscheint, eine wahre Engelsnatur, seine Freunde lilienweiß wie er, seine Feinde teufelsschwarz, seine Taten gehäufte Wunder, seine Worte Lcbrcn und Weissagungen. Es ist doch so viel gute gewissenhafte Arbeit gerade auf diesem Gebiet geleistet worden, Sic können unter Bestem wählen." „Das meinte ich nicht", sagte Agathe. „Aber die Kritik allein tut's auch nicht. Man kann vor lauter Anmerkungen und Belegen den Glanz des heiligen Angesichtes ganz verlieren — oder wie geht es denn Ihnen, Sic sind doch Fachmann, Sic haben viele alte Pergamente gelesen, sind Ihnen die Gestalten, die Sic darin finden, lebendige Wirklichkeit?" Der Gelcbrtc lachte. „Pistole auf die Brust, ja? Ich muß gestehen, daß die Echtheit der Handschrift mich oft viel stärker erregt als die Taten, von denen sic berichtet. Dann beschäftigt mich die Person des Autors, manchmal sogar noch die des Schreibers, der Bestand seiner Bildung, die Schule, der er zugchört, seine Ahnenrcihe unter den Zünftigen und seine geistige Nach kommenschaft — Sic haben keine Abnung, wie einen all das in Atem halten kann, wahrhaftig mehr als die paar, meist gleichen Wunder des Helden!! — „Und meine Frage?" drängte Agathe. „Begegnen Sic dabei dem Heiligen?" „Das kann ich nicht sagen", erwiderte der Freund, „vielleicht habe ich manchen auf diesem weg besser kcnnengelcrnt, manche volkstümliche Ver- Zeichnung entlarvt. Aber zum Begegnen in einem religiösen Sinn, und das LLLLSLSH/VI/VILN 17LLL LL^NLL LLL6N1LNLNL NLI.OLNI.L6L/V0LN VON 1O^1 L. 6ÜL1iLL-601/1)LN110 VL nrr'l Lirc/r/L-k-üc/rs-I nnei /nlnrlron." Leliönere Tukimk „ . . . nöl von F6^6r?nni5vo//en Zann an§ nnci snl/aM L?ann anr äo/r/n/? «/§ rvenn nran an§ /Vac/rl n6NFe5kä>Lr r'n üiä e^/7-üo/ren^en Tan.. 295 8eii6Q, k'ormLl 19,5:11,5 em. Vsslsgr ssi Occo tz/iölkss/ 468« Nr. 337 Mittwoch, den 13. Oktober 1437 1Sc> k^rr. Qösirss >/L /^1//6/17' OL/? /?>4OLOONO/L vkrss Rlsosokiso: slo l-Ilsvorrli^sr?/ slo HlokiLstr ooS slo külSSokiso socrravssbo rrrlvslocioösir oo slssso AssoSso Sos ssbcsoros ooS errogisolis l.ssso üsrr rLrörrloglsokiso XSolgscoolicsir l?oSs- gooSis/ sios« Qrrollolokcs visLoloks ooo 8scro> Ssrr ptrooiLsoi^Soigio/ kCooos/ <Zsl.stnrcso ooS IZ/Ilzsciiosirio. vsrr bllsco- irnosrr ^slokosv Sso gssoviokrcliovso kllocsirgircioS/ Ssa viokcsir irsivc 8llS oo 8lbö/ ooc> üos kc/Iööckso osirciskic Sos QsroSI.Ss ^ri plosclscvsir VVurioliokiiLslr Sorroki Sls gübcigs TrroSicioo Sss I^Iso- soktsokrsruesos. So socscsvc io örrsi- fook osrrsokrboogsosrr Sokori sio sir- soküvcsiroSss 81I.S tososovbiokso ooS cosisliokso SokioiLSobs/ osrrioSirpstrc ^llglsiov io slosrr slo^lgoocigso 8s- gsgociog gsirtociosssvso VVsssos rolL ös« c8irlscl.ickiso Offsosoiroog- -eiueu R.IVI 4.50, ScdlUiiiA 7.50 rnALÜot au/ c/e^r Ioossi,Qi<:ie-I.six>rig meinen Sic doch, gehört wohl noch mehr, sonst mußten all unsre Forscher Uber das Mittelalter ergriffene Theisten sein." „Da haben Sic recht, lieber Freund", fiel der Dichter ein. „was Sie da vorzeichnen, ist gewiß unentbehrlich, aber cs ist viel zu wenig. Mir geht es übrigens umgekehrt: Zeitgeschichte, Wiederherstellung des Rahmens, Bilderbogen der .Kultur' — alles dient mir nur, um den einen, den ich durch dieses wissenschaftliche Dickicht hindurch verfolge, klarer und lebendiger zu erschauen. Denn nur das Einmalige dieses Schicksals reizt mich, das VZoch-nic-Dagcwcscnc, Nic-Wicdcrkchrende in diesem einsamen Mcnschcnantlitz. So ist mir ein solches Entdecken auch niemals nur ein Mittel, ein .Stcinchcn im Bau' etwa des geschichtlichen Bildes einer Epoche, einer wissenschaftlichen These oder Hypothese — cs ist ein Stück Schicksal für mich, den Begegnenden selbst, der in der Einmaligkeit des fremden Angesichtes doch unser aller Schicksal und sein eigenes gcheimnis. voll widergcspicgclt sicht." „Dazu gehört freilich bereits etwas Phantasie", bemerkte der Historiker. „Jawohl gehört Phantasie dazu, aber das bedeutet kein Fragezeichen, wie Sic meinen, Mann des exakten Wissens. Sic kennen diese herrliche und holde Kraft nur als den Störer Ihrer Kreise. Ich meine nicht die Neigung zu verschwommenem Schwadronieren, die leider heute immer wieder mit jener Himmelsgabc verwechselt wird; ich meine die Kraft, die zusammen, schaut, die den Herzschlag zu hören vermag, der die .Tatsachen' hcrvortricb, den Herzschlag, der jene Antwort gab im chaotischen Brausen des Zeit- geschehen», die den Klang der Stimme vernimmt in einem Ihrer ein wandfrei festgcstclltcn Aussprüche." „Das ist keine sehr zuverlässige Geschichte", sagte der Historiker bedenklich. „Die Zuverlässigkeit besorgen und verwalten Sic", lachte der Dichter. „Da ist sic doch gut aufgehoben, wie? und ich wollte, Ihr eiserner Besen würde öfter und schonungsloser in unfern Wildwuchs fahren, nicht nur zum Heil des Lesers, der uns beiden ausgcliefcrt ist, sondern auch zqm Heil und zur Besinnung meiner eigenen Zunft. Aber was unsereiner zeichnet, baut auf die Beständigkeit des unbeständigen Mcnschcnhcrzcns, das von Jahrtausend zu Jahrtausend dasselbe bleibt, mag es unter noch so mannig faltigen Wämsern und Kleidern schlagen. Aber Sie u n d ich, wir müßten einmal versuchen, das Bild eines Heiligen nachzuzeichnen, vielleicht, daß unsre liebe Agathe dann etwas damit an- sangen könnte." „Ich nehme dich beim Wort", rief Agathe fröhlich. „Ihr sollt mir mit- einander die Geschichte einer Heiligen erzählen — einfach erzählen, nicht schreiben, das ist langweilig — so kann jeder dem andern gleich mit dem .eisernen BesLn' kommen, wie Bernhard cs eben nannte, und ich kann immer gleich fragen, wenn ich etwas nicht verstehe." „Das gibt ein paar schöne Abende", sagte der Dichter eifrig. „Denn an einem werden wir kaum fertig. Hast d» dir schon jemand ausgedacht?" „Doch, die heilige Radegundis. Ihr habt in letzter Zeit ein paarmal von ihr gesprochen, ihr kennt sic beide. Ich las sic auch in diesem kleinen grauen Buch da, und sie war cs, die an meinem Kopfzerbrechen schuld ist, denn in diesem Neudruck einer alten Vita sah sic gar so anders aus als in dem verschollenen Mädchenbuch meiner Kindheit. Ich möchte doch wissen, wie cs wirklich war." „Das weiß nur Gott", sagte der Dichter bedächtig. „Sich, im Grund ist jedes Erzählen von Geschichte eine Dichtung — wir vcr-dichten einen flatternden, lückenhaften Stoff, bis er sich greifen läßt. Sic, lieber Freund, werden sagen: .Dies ist geschehe».' Und ich werde sagen: ,So ist cs ge schehen und dies hat cs bedeutet.' Sankt Radegundis, die Freundin der Dichter, wird uns verzeihen, wenn cs trotzdem »och sehr abwcicht von ihrer holden und herben Wirklichkeit, die so" rätselhaft ausleuchtct unter den Bruchstücken, in denen ihr Leben überliefert ist." „Nun freu ich mich auf morgen abend", sagte das Mädchen und bot den Freunden Gute Nacht. Nr. 237 Mittwoch, den 13. Oktober 1S37 468?
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