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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.11.1906
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- Ausgabe
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- 1906-11-30
- Erscheinungsdatum
- 30.11.1906
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- Deutsch
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(Lta-thagen) dem Prozeß Riehl in Wien dargelegt sind, genau dieselben, daß die Polizei der Bordellwirtschaft Vorschub geleistet hat. Das ist festgestellt, beispielsweise im 38. Band über eine Stadt — irre ich mich nicht, ist es München — es ist nur der Anfangsbuchstabe im Erkenntnis mitgeteilt — vielleicht ist es Mainz, vielleicht sind es beide Städte —, daß die Polizei in der Tat den Bordellen Vor schub leistet, weil sie sie duldet. Es wird dargelegt, daß das straf bar sei; es wird aber nicht verfolgt. Herr Kollege Jtschert, der Grundsatz besteht bei uns: vieles, was mit Strafe bedroht ist, wird nicht verfolgt, je nachdem, wer es begangen hat (Sehr richtig! links), insbesondere dann, wenn es so liegt wie hier. Nun frage ich Sie: ist es nicht gemeingefährlich, daß die Polizei solche Bordellwirtschaften, in denen zwangsweise Mädchen gehalten werden, begünstigt? Ähnliche Fälle sind in Kiel, in Hamburg vorgekommen. Sie erinnern sich noch des geflügelten Wortes des Vertreters von Hamburg, der damals ausdrücklich sagte: ja, -Bordelle im polizeitechnischen Sinne- haben sie nicht, wohl aber Bordelle in dem Sinne, was das Reichsgericht dafür gehalten hat, was sämtliche Gutachten dafür gehalten haben und was der gewöhnliche Menschenverstand dafür hält. Also in den Fällen, wo sie derartige Opfer, die zum übergroßen Teil nicht durch ihre Schuld in solche Bordelle hineinkommen, wo sie die dort festhalten, da sagen Sie: gut, da mögen die Mädchen zeit ihres Lebens unglücklich gemacht werden, das ist keine Sache, wogegen ich besonders als Gesetzgeber einschreiten muß; aber daß einmal ein Mädchen da hinausgeht, ohne daß ihre Photographie versendet werden kann, auf Grund deren man sie sofort wieder zurückbringen kann in solche widerrechtlichen Anstalten, in solche Bordelle, das abzustellen sei dringend notwendig. Wir müssen demnach also im Interesse der öffentlichen Sicherheit die Mädchen zurückbringen I Daß sie dort gleich Sklaven gehalten werden, daß sie in einer ganzen Reihe von Städten in dieser Weise behandelt werden, das schert den Gesetzgeber weiter nicht. Es steht ja im Strafgesetzbuch: so etwas wird mit Strafe bedroht; also können wir uns damit begnügen. Nein, meine Herren, je größer Sie die All macht der Polizei machen, desto mehr wird und muß es sich ereignen, daß einige Beamte der Polizei — nicht die Behörde als solche — zu Übertretungen und Mißbräuchen ihres Amtes sich Hinreißen lassen und daß derselbe Staat dann sagt: weil es so viele Mißbräuche sind, verfolge ich überhaupt keine. Meine Herren, wenn Sie Ihre eigne Presse lesen, oder wenn Sie die sozialdemokratische Presse lesen, werden Sie kaum eine Woche finden, in der nicht mitgeteilt ist, wie Gerichte haben an erkennen müssen, daß Mißbräuche von Polizeibeamten vorliegen, die außerordentlich gelinde bestraft worden sind, und gleichzeitig angeführt wird, daß eine Reihe von Fällen vorliegt, die nicht bestraft worden sind. Also, meine Herren, führen Sie doch diese armen Mädchen, die auf den Weg der Prostitution getrieben worden sind, nicht als die Wiege des Z 23, als notwendig für den K 23 an. (Heiter keit.) Meine Herren, ich wüßte nicht, in welchen Fällen, die Sie angeführt haben, irgendwie davon die Rede sein kann, daß die öffentliche Sicherheit durch Nichtphotographie gefährdet ist. Aber, meine Herren, Herr Kollege Jtschert hat übersehen, daß wir aus drücklich zwei Anträge gestellt haben. Der erste Antrag kommt der Vorlage sehr weit entgegen. Wir wollen sagen: gut, wenn die Behörde ein solches Recht haben will, mag sie es bekommen, mögen die amtlichen Zwecke ausgenommen werden, aber nicht die amtlichen Zwecke, die in unserm Antrag ausdrücklich hervorge hoben sind, also nicht etwa Streikvergehen, nicht Handlungen politischen Charakters und nicht Übertretungen, von denen ja auch der Herr Kollege Jtschert annimmt, daß im allgemeinen gar kein Grund vorliege, hier vorzugehen. Ferner aber, meine Herren, haben wir einen zweiten Antrag gestellt. Gut, haben wir gesagt, wenn die Mehrheit das Photo graphieren wider Willen durchaus einführen will, dann soll es nur auf richterliche Anordnung gemacht werden dürfen. (Zuruf in der Mitte.) — Natürlich angefertigt. Aber, Herr Kollege, ich kann doch nicht vervielfältigen, was ich nicht anfertigte. Ich weiß nicht, wie Sie sonst vervielfältigen können. (Zuruf in der Mitte.) — Die Photographie, die ein andrer verfertigt, vervielfältigen? Gewiß, das können wir auch. Aber zunächst muß die Photographie angefertigt sein. Vervielfältigung setzt Anfertigung voraus; das ist ganz richtig. Wir sprechen aber nur davon, daß die Polizei nicht selbst wider Willen des Photographierten Photographien an fertigen darf, nicht Bilder vervielfältigen darf ohne solche Ein willigung, die sie oder ein Dritter angefertigt hat. Dagegen wollen wir schützen, daß die Polizei ohne jeden Grund, ohne daß ein öffentliches Interesse besteht, widerrechtlich also vorgeht und jemand gewaltsam zum Photographiertwerden bringt. Herr Kollege Jtschert sagte, eigentlich gehe unser Antrag nicht weit genug; denn beispielsweise könnte bei der Zeugnisverweige rung eines Abgeordneten, wenn er den Wohnsitz verlegt, eventuell auch der noch photographiert werden; das sei kein Schutz. Dem gegenüber eins: wenn Ihr Antrag durchgeht, dann besteht erst recht kein Schutz. Einen Schutz nach dieser Richtung hin sprechen Sie nicht aus. Wir sind aber weit entfernt, Schutzmittel, die Sie geben, zu beseitigen. Wir geben den einen Schutz, daß nur auf richterliche Anordnung das geschehen soll. Das wollen Sie ge strichen haben; den einzigen Schutz, der sein sollte, durch den von Ihnen so hochverehrten Richter wollen Sie streichen, weil er nicht so hoch steht wie die Polizei, wie der einzelne Polizeibeamte. Also dieser Einwand stimmt durchaus nicht. Nun meint der Herr Kollege Jtschert, Mißbräuche der Polizei kämen allerdings vor, aber wir lebten doch nicht in Rußland. Er gebrauchte vorher den Ausdruck »Hochjuristen-. Ich glaube, wir können ruhig sagen: wir leben in Hochrußland in bezug auf die Zustände bei der Polizei auf diesem Gebiet. Cs ist doch in allen den von uns angeführten Fällen niemand, der Mißbrauch geübt hat, verfolgt worden. Nun sagte er, es sei noch ganz anders — er glaubte damit wohl besonders den Antrag zu schlagen —, das Muster seien nicht alle Polizisten, ebensowenig wie man sich eine bestimmte Druckerei als Muster nehmen könne. Ich würde ihn doch bitten, sich deutlicher auszudrücken und seine ihm nahestehenden Drucke reien zu beachten, ob auch nur eine so gute Bedingungen gibt wie die, die er treffen wollte. Ach, dadurch, daß Sie zehnmal in die Zeitung falsch Hineingeschriebenes lesen, wird es doch nichts Wahres. Sie unterdrücken immer, was selbst die schärfsten Gegner der Druckerei zugegeben haben: selbstverständlich sei es, daß turm hoch über den Bedingungen der andern Druckereien die Be dingungen in der Druckerei stehen, die Herr Abgeordneter Jtschert im Auge hat. Auch das ist also kein Argument, das Sie an führen können. Im übrigen, was soll es, daß Sie als Muster unser Institut ansprechen, das mit diesem Gesetz total nichts zu tun hat? Wollen Sie etwa dadurch andeuten, daß Sie uns das Recht geben wollen, daß wir allein die Gesetze machen sollen? Wollen Sie uns dieses Recht geben, wir sind gern bereit, allgemeine Gesetze zu machen. Sie brauchen sich nur der Abstimmung zu enthalten. Das ist sehr einfach. Gehen Sie logisch den Weg, den Sie durch Anfüh rung des Musters angedeutet haben, weiter, meine Herren! (Heiterkeit.) Wenn Sie hier in Z 23 der Polizei das Recht, das Sie ihr hier neu geben, nicht eindämmen, dann werden Sie ein neues Recht schaffen, das wesentlich gegen Arbeiter angewendet werden wird. Meine Herren, wie notwendig es ist, auf diesem Gebiet der Polizei einen Riegel vorzu schieben, das sollte Ihnen doch der Hergang bei der Zivilprozeß- gesetzgebung zeigen. Da ist ausdrücklich erklärt, daß es gegen das Recht der persönlichen Freiheit verstoße, jemand in ein Arbeits verhältnis zurückzuführen oder jemand in sein Eheverhältnis zurückzuführen. Es ist deshalb durch Z 888 der Zivilprozeßordnung auch dem Richter verboten, Zwangsvollstreckung durch Rückführung in das Arbeitsverhältnis auszuführen. Was ist daraus im Staate Preußen geworden? Da hat man gesagt: der Richter darf das freilich nicht, weil das Reichsgesetz erklärt hat, es sei gegen die guten Sitten und gegen die Grundlagen der bestehenden Gesell schaftsordnung; aber die Polizei darf es. Hier haben Sie dieselbe Tiefschätzung des Richters, wenn Sie sagen: der Richter darf nichts sagen, richterliche Anordnungen wollen wir nicht; aber der Polizei gestatten wir es, denn sie ist die Seele des Staates! Aber natürlich Mdenn das richtet sich ja nur gegen Angehörige der arbeitenden Klasse. Ich habe noch nicht gehört, daß ein Arbeit geber, wenn er ausgesperrt hat, photographiert wurde. Aber Dutzende und aber Dutzende von streikenden Arbeitern sind wider rechtlich — es ist das als widerrechtlich von Gerichten anerkannt worden — photographiert worden. Die Herren meinen, der Zweifel, wie das Reichsgericht später urteilen würde, dieser Zweifel 1623*
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