Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.05.1906

105, 8. Mai 1906. Nichtamtlicher Teil. 4603 "Chinesischer Besuch im Deutschen Buchhändlerhaus zu Leipzig. — Die auf einer Curopareise begriffene chinesische Studienkommission war am Sonnabend den b. Mai von Dresden nach Leipzig gekommen und hat an diesem Tage gegen 4 Uhr nachmittags auch dem Deutschen Buchhändlerhause einen Besuch abgestattet. Der Erste Borsteher des Börsenvereins, Herr Albert Brockhaus, geleitete die unter Führung des Herrn Geheimen Legationsrats vr. Knappe vom Kaiserlichen Aus wärtigen Amt reisenden 15 Herren aus China, die von 7 Euro päern begleitet waren, vom Deutschen Buchgewerbehaus durch den im Maiengrün prangenden Garten nach dem Garten portal des großen Festsaales im Deutschen Buchhändlerhaus. Hier wurden die fremdländischen Gäste von einem Kreis von Buchhändlern, der sich aus dem Ersten Schatzmeister des Börsen vereins Herrn Rudolf Winkler, ferner den Herren Kommerzienrat Nauhardt, Adolf Rost, Heinrich Wagner, Wilhelm Crayen, Richard Schulze, Ferdinand Lomnitz, Walter C. Jäh, Syndikus vr. Orth und noch mehreren Leipziger Mitgliedern des Börsenvereins bildete, feierlich empfangen. Nach gegenseitiger Vorstellung und freundschaftlichem Händedruck betraten die Gäste, gefolgt von dem Ehrengeleite mehrerer Leipziger Herren und Offiziere, den im Lichterglanz erstrahlenden Festsaal, der mit den weit geöffneten Nebensälen ein Ganzes zu bilden schien. Durch Vermittlung der Dolmetscher Herren Or. von Borch und Vizekonsul von Löhneiscn gab Herr Albert Brockhaus Aufklärungen über das Deutsche Buchhändlerhaus, das sich der Börsenverein der Deutschen Buchhändler als Mittelpunkt seiner Tätigkeit geschaffen habe, ferner über die Bedeutung dieses Vereins und seine Verbreitung über die ganze Welt. Daran anschließend wurde die praktisch bewährte Organisation des deutschen Buch handels und die Zentralisierung des Buchhandels in Leipzig be sprochen. Mit sichtlicher Aufmerksamkeit nahmen die fremden Herren, an ihrer Spitze die Exzellenzen der Präsident des Kultus ministeriums Tai Hung Tse und der Generalgouverneur der Provinzen Fukien und Tschekiang Tuan Fang, diese Erklärungen entgegen, und ihr Interesse steigerte sich, als sie erfuhren, daß der im Börsenverein organisierte deutsche Buchhandel auch nach China lebhafte Handelsbeziehungen unterhalte, und daß jedes Buch, das aus China nach Deutschland eingeführt werde, gewöhnlich seinen Weg durch die Hand der Kommissionäre über Leipzig nehme. An verschiedenen Orten Chinas (Hongkong, Tientsin, Tsingtau) seien deutsche Firmen ansässig oder solche, die in Leipzig durch einen Kommissionär vertreten seien, besonders rege aber sei der literarische Verkehr Deutschlands mit China über den Handels platz Shanghai, der jetzt hauptsächlich den Kauf europäischer Literatur vermittele. (Im Jahre 1904 sind ungefähr für ^ Million Mark europäische Literatur-Erzeugnisse in China eingeführt worden.) Durch diese Erläuterungen erhielten die Herren einen an schaulichen Begriff von dem Wesen des deutschen Buchhandels und seiner Bedeutung auf dem literarischen Weltmarkt. Um die Herren bet ihrer anstrengenden Vesichtigungsrundfahrt nicht zu lange aufzuhalten, hatte man davon abgesehen, weiteres vorzuführen. Wohl noch nie hat der prächtige Saal des Deutschen Buchhändler hauses solche hohe Gäste aus dem Reiche des Ostens in ihrer seidenen Landestracht und dem vom Haupte herabhängenden statt lichen Zopf versammelt gesehen. Mit freundlichem Gruß und Dank verließ der interessante Besuch durch den östlichen Nebensaal und das dritte Portal die Heimstätte des deutschen Buchhandels, um zur Besichtigung des Welthauses F. A. Brockhaus zu fahren Hier wurden die Herren, die in Begleitung des Herrn Albert Brockhaus eintrafen, von dessen Vater Herrn vr. Eduard Brockhaus und dem andern Inhaber der Firma Herrn Or. Fritz Brockhaus begrüßt. In den Privatkontoren der Herren Chefs war eine kleine Sammlung hervorragender Verlagswerke und kunstvoller Druckerzeugnisse der Firma ausgelegt. Darunter befand sich die 1899 zur Ausgabe gelangte chinesische Ausgabe der vom Fürsten Uchtomskij verfaßten Beschreibung der in den Jahren 1890/91 vom Zaren Nikolaus II. als Großfürst-Thronfolger unter nommenen Orientreise. Diese chinesische Ausgabe des Prachtwerkes, die ebenfalls wie die anderssprachigen Ausgaben des Buches in den technischen Betrieben der Firma selbst hergestellt, aber übrigens nicht im Handel ist, erregte das lebhafte Interesse der gelehrten Herren Chinesen, die wohl nicht geglaubt hatten, ein in ihrer Muttersprache technisch vollkommen hergestelltes Werk hier in einer deutschen Verlagsbuchhandlung zu finden. Ihre Be wunderung dehnte sich auch auf die Großartigkeit der technischen Betriebe der Firma, kurz auf die ganze Anlage des Welthauses aus. In das Fremdenbuch der Firma trugen sich die Herren Besucher mit ihren chinesischen Schriftzeichen ein. Diese originellen Namens züge werden die Erinnerung an diesen seltnen Besuch wach halten. Kurz nach Mittag hatte vorher ein Besuch der Studien kommission in der Buchbinderei-Aktiengesellschaft vorm. Gustav Fritzsche stattgefunden, wo die Herstellung von Einband decken besondere Aufmerksamkeit erregte. Dem oben geschilderten Besuch im Buchhändlcrhause war dann ein solcher im Deutschen Buchgewerbehause vorangegangen. Hier war zunächst die Gutenberghalle, das Ehrendenkmal der deutschen Buchdruckerkunst, besichtigt worden, dann ging es durch den von den sächsischen Buchdruckern ausgestatteten und daher -Sachsenzimmer» genannten Raum nach dem Lese- und Zeichensaal, dessen Bestimmung, Ein richtung usw. erläutert wurde. Im Buchgewerbemuseum wurden erner die Inkunabeln der Buchdruckerkunst, vor allem das kostbarste Stück, die Gutenbergbibel, mit großem Interesse besichtigt. Eine von Herrn Professor Conradi ver anstalte Ausstellung alter chinesischer Drucke aus dem achten bis vierzehnten Jahrhundert fand eingehende Würdigung und unge teilten Beifall. Die ständige buchgewerbliche Ausstellung mit ihren verschiedenartigen Gegenständen fesselte die Herren so sehr, daß für die Maschinenausstellung und die Jahresausstellung nur wenig Zeit übrig blieb. Die Herren sprachen über die große Zahl der ausgestellten Neuerscheinungen des deutschen Buch-, Kunst- und Musikalienverlages ihr Erstaunen aus, besichtigten auch mit großem Interesse mehrere Werke, Kunstblätter usw. Am Vormittag hatten die fremden Herrschaften schon die graphische Anstalt von Giesecke L Devrient besucht und hier bei einem Rundgang durch die vorzüglich eingerichteten Arbeitssäle und Kunstwerkstätten besonders die eigenartige Her stellung von Wertpapieren mit Interesse verfolgt. Durch diese Besichtigungen und Besuche haben die fremden Gäste sicher einen lehrreichen Einblick in das Getriebe des deutschen Buchhandels und Buchgewerbes erhalten. Seine Exzellenz der Generalgouverneur Tuan Fang verfehlte daher auch nicht, beim Souper, das die Stadt Leipzig ihren Gästen im neuen Rathause gab, in seinem in chinesischer Sprache ausgebrachten Toast Leipzigs auch als Zentrums des Buchhandels rühmend zu gedenken. * Versammlung deutscher Zeichenlehrer. — Die Haupt versammlung des Vereins deutscher Zeichenlehrer wird vom 3. bis 6. Juni in Nürnberg tagen. Die Verhandlungen finden im Hause der Gesellschaft »Museum«, Königstraße, statt. Neue Photographische Gesellschaft Aktiengesell schaft, Steglitz bei Berlin. — Die Generalversammlung vom 11. April 1906 hat beschlossen, das Grundkapital um 1000000 ^ von 3 000 000 -F auf 4 000 000 durch Ausgabe von 1000 neuen Aktien über je 1000 die vom 1. Januar 1906 ab dividenden berechtigt sind, zu erhöhen. Von diesen neuen Aktien sind 450000 von einem Banken konsortium mit der Verpflichtung übernommen worden, den Inhabern von 2700 alten Aktien durch unsre Vermittlung das Bezugsrecht von einer neuen Aktie auf je 6 alte Aktien zum Kurse von 137'/, A zu gewähren. Nachdem der Beschluß vom 11. April 1906 in das Handels register eingetragen worden ist, fordern wir die Aktionäre auf, das Bezugsrecht unter folgenden Bedingungen auszuüben: 1. Die Anmeldung muß bei Vermeidung des Ausschlusses in der Zeit vom 5. Mai d. I. bis zum 19. Mai d. I. einschließlich in Berlin bei C. Schlesinger-Trier L Co. Kommanditgesellschaft aus Aktien, in Frankfurt a. M. bei Gebrüder Sulzbach, unter Einreichung von zwei gleichlautenden, mit arithmetisch ge ordnetem Nummernverzeichnis versehenen Anmeldescheinen, die bei den Bezugsstellen in Empfang genommen werden können, während der bei jeder Stelle üblichen Geschästsstunden erfolgen. 2) Auf je ^ 6000,— Nominal ohne Dividendenbogen einzu reichende alte Aktien wird eine neue Aktie über ^ 1000.— zum Kurse von 137'/, A gewährt. Bei dem Bezüge ist der Kaufpreis nebst 4A Stückzinsen vom 1. Januar 1906 bis zum Zahlungstage, 602*