Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.07.1933
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- 1933-07-15
- Erscheinungsdatum
- 15.07.1933
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- Deutsch
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1933
- Monat1933-07
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162, 15, Juli 1933, Redaktioneller Teil Börsenblatt f. d. DtschnBuchhandel. Bortragswesen und Buchhandel. Von Johan Luzia n. Wir haben den in Buchhändlerkreisen atz Vermittler dichte rischer Werke wohlbekannten Schriftsteller und VortragSkiinstler Johan Lnzian gebeten, uns aus dem reichen Schatz seiner Erfah rungen einige Anregungen und Vorschläge dafiir zu unterbreiten, in welcher Weise und in welchem Ausmaße der Vortrags abend in den Dienst der vom Buchhändler zu erfüllenden Kul tur a u s g a b c n gestellt werden könne und welche Möglichkeiten sich siir die Veranstaltung solcher Abende durch den örtlichen Buch handel darböten, Nachdem das geistige Leben unseres Volkes von dem intellektuellen Gift, dessen Einwirkungen es über ein Jahr zehnt hindurch ausgefetzt war, befreit worden ist, besteht eine der wichtigsten Aufgaben der von uns zu leistenden Kultur-Ausbau arbeit darin, ein neues, des Volkes der »Dichter und Denker- würdiges Verhältnis zu schaffen zwischen den schöpferischen und de» aufnehmenden Teilen der Nation, d. h, also, das Volk zum Di ch teru n d den Di chterzumBolkzu führen. Dabei kann auf die Vermittlung dichterischen Gutes durch das gesprochene Wort am allerwenigsten verzichtet werden. Die folgenden Aus führungen verdienen daher die Aufmerksamkeit aller Buchhändler. Irgendwelchen Äußerungen dazu sieht die Schristleitung gern ent gegen, sofern sie frei von jedem persönlichen Ressentiment und von dem ernsthaften Willen erfüllt sind, einer guten und für das gesamte deutsche Kulturleben außerordentlich wichtigen Sache zu dienen, D, Schrift!, Vor einigen Jahren wurde ein junger deutscher Schriftsteller in eine kleine westfälische Stadt verschlagen. Er verstand es, über zeitgenössische Dichtung lebendig und fesselnd vorzutragcn und veranstaltete daher literarische Abende in öffentlichem Rah men, Er mietete einen nicht zu teuren Saal, zeigte seine Borträge in der Zeitung au, sandte persönliche Einladungskarten als Druck sache au alle Leute, die ihrem Stand und ihren Neigungen nach als Besucher in Frage kommen konnten und brachte es auf über 100 Abonnenten für 6 Vortragsabende im Laufe eines Winters, Er überzeugte mit seinen Vorträgen, obgleich er nicht katholisch war, in einer überwiegend katholischen Kleinstadt ein halbes Dutzend Land- und Amtsgerichtsräte, ein halbes Dutzend Gym nasiallehrer, ein halbes Dutzend Ingenieure, Bankdirektoren, Rechnungsräte und Großkaufleute, Arzte, Apotheker, Postsekre- täre samt ihren erwachsenen Familienangehörigen, überzeugte — was sehr schwer ist — sogar die Primaner der höheren Schulen, Er gewann nicht nur literarisch gebildete und interessierte Kreise, sondern auch aus dem Mittelstand und unter den einfacheren Leuten eine ganze Reihe von Menschen, die durch ihn fast zum erstenmal neuere Dichter kenncnlernten. Nur eines gelang ihm nicht, nicht im ersten Winter und nicht im zweiten und auch nicht im dritten Winter, in dem er seine Vorträge hielt, die bereits traditionell in dieser kleinen Stadt geworden waren und »zum güten Ton« gehörten, es gelang ihm nicht — die vier oder fünf Sortimentsbuchhändler zu überzeugen. Ich weiß es von diesem Vortragenden selber, daß nur ein einziger Buchhändler seineFrau in dieVortragsabende sandte und daß von den übrigen nur die Töchter, die Dienstboten oder überhaupt niemand zum Be suche kamen. Die Herren Sortimenter hatten abends ihren Jagd verein, ihre »Harmonie«, ihre Magistratssitzung und für litera rische Begebenheiten »keine Zeit«, Sic glaubten vielleicht auch, sie täten bereits genug für die deutsche Literatur, wenn sie »in diesen schweren Zeiten« das eine oder andere gute Buch ins Schaufenster legten und »Nimm und lies!« oder den »Buch berater« an einen Kreis von Kunden verschickten. Wenn die Leute dann nicht kommen und kaufen, so sagten sie sich, dann ist eben nichts zu machen. Dann müssen wir uns leichtere Lektüre oder noch mehr Zeitschriften tdie die Leute vom Bücherlcsen abhaltcn!) oder Schreibwaren oder Devotionalicn zulegen und auf bessere Zeiten warten. Wir können nichts daran ändern, daß das Inter esse des Publikums nachläßt, wir sind doch nur, Buchhändler. Jawohl, Händler waren sie in dieser kleinen Stadt, und ihr Handel ging schlecht. Der Schriftsteller mit seinen Vortrags abenden erkundigte sich manchmal, ob das oder jenes Buch, über das er gesprochen hatte, auch gekauft worden war, aber dann schüt telten die Sortimenter traurig die Köpfe und sagten: »Nein«, oder »ein Exemplar« oder »Ja, danke, ein paar Exemplare«, Aber das SIS genügte ihnen natürlich nicht, denn sie meinten, man müsse mit literarischen Abenden den gleichen Propagandaerfolg haben kön nen wie der Herr von der Waschmittelfirma, der einen lehrreichen Lichtbildervortrag gehalten und sicher alle Hausfrauen zu seinem Waschmittel bekehrt hatte. Die Herren Sortimenter wollten greif bare Erfolge sehen, stapelweise die Bücher verkaufen — dann, ja dann hätten sie sich überzeugen lassen, dann wären sie gleichsam aus Höflichkeit sogar, statt an den Stammtisch, in die Vorträge gegangen. Daß durch die Vortragsabende das Publikum jedoch im allgemeinen Interesse an guter Literatur wachgehaltcn wurde, und daß es nun von sich aus nach Büchern suchte und wenn nicht dieses so doch jenes Buch aus einem Bedürfnis heraus auch kaufte, das übersahen sie. Ich spreche hier nur von einer bestimmten Stadt, über die ich genau Bescheid weih. Ich möchte die Schilderung nicht ver allgemeinern, schon aus dem Grunde nicht, weil ich aus meiner persönlichen Erfahrung ein Dutzend Städte dagegen setzen kann, in denen Sortimcntsbuchhändlcr großen Anteil am Vortragslcben nahmen und nehmen. Es kann nichts schaden, ein paar Namen einmal zu nennen, weil man sieht, daß ,es sich um große und kleine Firmen, um große und kleine Städte handelt. Wir haben für unser Thema vielleicht eine deutlichere Grundlage, Es seien etwa genannt: Weitbrccht L Marissal, Hamburg; Carl Lange, Sonncberg; Rittersche Buchhandlung, Soest; Schöningh, Osnabrück; Gast, Zerbst; Meuer, Heidenheim; Fluhrer, Geislingen; Herwig, Göppingen; Pfcffer'sche Buchhand lung, Bielefeld; Riemann'sche Hofbuchhandlung, Coburg; Kanitz'- schc Buchhandlung, Gera; Kraft, Greiz; Dabelow, Hamm; Backe, Pyritz; Neubert, Halle usw. Beim Auszähleu besinnt man sich vielleicht noch auf einige Großstädte, aber cs fallen einem zur Hauptsache kleine und mitt lere Städte ein, und das ist auch richtig und ganz erklärlich. Zwar haben die Leute in den kleineren Städten keineswegs »mehr Zeit«, im Gegenteil, nirgends hat man »mehr Zeit« als in den Großstädten, aber die Menschen haben in den kleinen Städten gesündere und einfachere Bedürfnisse, wenn, ja wenn man sic zu Wecken weiß! Und daß der Sorti mentsbuchhändler Anteil an der ständigen Er neuerung des geistigen Lebens seiner Stadt haben muß und haben kann, das habe ich 'nicht nur bei den obigen Firmen erlebt und gesehen, sondern das verlangt der einfachste Be rufs ehr geiz eigentlich in jeder Stadt, Wenn man nun aber gleich, wie ein kleiner Rechner, an jedem Abend, den man mit Mühe und Kosten veranstaltet hat, die Bilanz ziehen will und bei einem Hans Grimm-Abend nachrech- nct, wieviel »Volk ohne Raum« und bei einem Dwinger-Abend wieviel »Wir suchen Deutschland« man verkauft hat — dann wird man kaum Freude und Optimismus dabei gewinnen. Wenn man dagegen von Jahr zu Jahr mehr sieht und hört, wie das Vertrauen der Kundschaft nicht nur zur Solidität, sondern auch zu dom literarisch-kulturellen Ruf seiner Firma wächst, wie die eigene Buchhandlung von Jahr zu Jahr mehr zu einem der geistigen Mittelpunkte wird, und wie man den immer beivegten Strom des öffentlichen Interesses an sich zieht, behält, fördert, sich erneuern sieht, dann kann man schon seine Freude an dem Vortragswescn erleben, denn hier bietet sich dem Sortimenter eine ganz große Chance, eine vor nehme, eine verantwortungsvolle, eine be glückende Ausgabe gerade in dieser Zeit: Vom Buch händler zum Buch f ör d c r er, Buch- und Menschen- bctreuer emporzuwachsen! Hier verbindet sich mit den tausend Widerwärtigkeiten und Plackereien des täglichen Geschäftsklein- krams, der an jedem Brotberuf hängt, die idealistische, die über das Materielle hinausweisende und hinaushebcnde Forderung: Sei Bildner, sei Berater, sei Führer zum guten Geschmack, zum gesunden geistigen Bedürfnis, zum seelischen Leben deiner Stadt! Und wenn deine Ladenkasse nur ein Dreimarkstück enthält, aber wenn du dieses Geld von einem Kunden erhalten hast, der durch dich, durch deine Bemühungen zum erstenmal im Leben ein gutes Buch bei dir ge kauft hat und dir dafür danken und dir treu bleiben wird, — du
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