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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.11.1933
- Strukturtyp
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- 1933-11-25
- Erscheinungsdatum
- 25.11.1933
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- Deutsch
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sßs° 274, 2b. November 1833. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Kritik, die Grolman deshalb ihrem Wesen nach zusagt, weil hier nur der Fachmann sich ein Urteil bilden könne, beweist jedem, der darüber genauer informiert ist, daß dem Urheber manchmal nichts Schlimmeres passieren kann, als von einem »Fach«-Kollegen be urteilt zu werden. Das ist eben menschlich, allzu menschlich, und in dieser Beziehung mag gelten, was Goethe sagt: »Die Gelehrten sind meist gehässig, wenn sie widerlegen l einen Irrenden sehen sie gleich als ihren Todfeind an». Wie oft schon hat — um mit Kant zu spre chen — der Besitz der Gewalt bas freie Urteil der Vernunft unver meidlich verdorben! Und wenn es nur auf das Können und Kennen ankomml, so ist doch mancher Dichter wirklich ein schlechter Regisseur oder Dramaturg — oder gar Darsteller, so mancher Komponist am Dirigentenpult oder aus den Brettern überhaupt nicht zu gebrauchen. Nein, von dieser Seite aus läßt sich — leider — die Befähigung und die Berechtigung nicht ableiten. Man muh durchschnittliche Ver hältnisse annehmen, und dann ist die Buchbesprechung Beurtei lungskunst und steht als solche — gleich auf welcher »Rang stufe« — vollkommen autonom neben andern geistigen Arbeiten. Es gibt zahlreiche Beispiele siir Buchbesprechungen, die als durchaus eigenes Werk neben dem Werk bestehen, bas die Veranlassung ge geben Hai. Und es gibt darunter sogar solche, die weit über das Buch, das sie barstcllen und beurteilen wollen, hinausgcwachsen sind. Und — natürlich gibt es eine Unzahl von der minderen Qualität, dah von einer »Besprechung» eigentlich nur noch in jenem abergläubigen Sinne geredet werben darf. Es ist vollkommen richtig, was Langenbucher sagt, dah die Unzulänglichkeit und Niveaulosigkeit der literaturpoliti- schen Diskussion der bürgerlichen Blätter den Anreiz für die literari sche Diktatur der Kulturbolschewistcn abgegeben hat, wobei der Be- grisf des Bürgerliche» politisch interpretiert sein will und muh, um ihn in der ganzen Tragödie einer abgelausenen Epoche so ganz ver stehen zu können. Es muh also gefordert werden, dah Unzulänglich keit und Niveaulosigkeit ebenso verschwinden, wie die bolschewistische Diktatur — in diesen Dingen war sie schon annähernd bis zur Voll endung gereift — durch die erwachende Nation bedingungslos zum Weichen gezwungen wurde. Es gibt schon Mahstäbe für das, was zulänglich ist, wie auch siir bas, was Niveau hat. Darum mache man sich gar keine Sorgen. Wenn daraus wirklich durchgreifend geachtet wird, ist die arteigene Vor stellung von dem, was billigerweisc gefordert werden muh, sogar so allgemein vorhanden, dah eine Anssprache darüber nicht nötig er scheint. Und das um so mehr, als die Einrichtungen des neuen Staa tes unausgesetzt dafür sorgen, daß klare, ganz klare Vorstellungen auf allen Gebieten darüber herangebildct werden, was im völkischen Sinne zulänglich und unzulänglich ist, was »Niveau» hat und was nicht. Darüber hinaus werden aber im neuen soziologischen Sinne sowohl bei den Buch-Beurteilungs-Künstlern wie bei den Buch-Lesern, Buch-Urhebern, Buch-Verbreitern jene Gedanken der volklichen Ver bundenheit und damit der gegenseitigen Verantwortung Platz greifen, die erkennen lassen, wle weit das ideelle — und wirtschaftliche Schicksal in das persönliche und fachliche Getriebe aller Beteiligten cinzugreisen ständig bereit ist. Der neue Staat kann und wird es nicht dulden, dah unverantwortliche Elemente hohe und höchste ideelle und materielle Werte einzelner — und der Gesamtheit -- skrupellos zerstören. Die ersten Schritte sind ja bereits durch die gesetzliche Auf fassung von dem, was ein Schriftleiter mindestens sein muß, wie auch vor allen Dingen durch die Schaffung der Reichs-Kulturkammer be reits getan. Die geistige Lage richtet sich neu aus. Totaliterl Der vom liberalistischcn Zeitalter gestellte häßliche Flügelmann Materia lismus schickt sich an, sich zu seinen Unterwelt-Vätern zu versammeln. Und wenn je, dann heute und in alle Zukunst: Das Buch ist nicht Ware! Jener Waren-Begriff vom Buch ist auch noch so ein Stück Materialismus aus der Milte des vorigen Jahrhunderts, er hat in Zukunft nichts mehr in unscrm Zeitalter zu suchen. Bücher sind Geist, wirken hin zur Kultur, sind Vermächtnis, erheischen Folge. So fordert und fördert unsere Zeit die Bücher und alle, die damit zu tun haben. Indem ein Buch »gekauft« wird, besitzt man es noch nicht. Man ist Eigentümer an der Form, der Schale. Die ist Materie, was sonst? Aber der geistige Gehalt kann niemals durch Kaus erschlossen und besessen werden. Vielleicht war der Blick Grolmans an jener Stelle seines Auf satzes in der »Neuen Literatur», wo er den Geschäftsmann-Verleger zeichnete, doch etwas sehr an der Vergangenheit orientiert. Das be stätigt ja auch Adolf Spemann in seinem geistvollen Eingehen aus das von Grolman entworfene Zerrbild eines Verlegers. Gerade hier, wo sich die Koordinatensysteme des Schriftstellers mit denen des Ver legers zu schneiden scheinen, zeigt sich die ganze Fruchtbarkeit der her aufgekommenen Diskussion. DaS Buch als Ware gesehen, was lag näher im Verleger den Geschäftsmann, im Sortimenter den Händler zu erblicken. Und Hand aufs Herz: Verstand sich nicht auch so mancher 906 Schriftsteller auf »Ware«, wer war eigentlich manchmal der größere Geschäftsmann: Im Durchschnitt gebärdete sich wohl jeder so ein bisserl »kaufmännisch», das war ja modern, war der Geist jener glücklich überwundenen Zeit. Autoren, auch die von Buchbesprechungen, Verleger aller Rich tungen, Sortimenter in der Stabt und auf dem Lande, sic sind heute eine Schicksalsgemeinschaft für das Buch. Der eine als Ur heber, der andere als Wegbereiter, der Dritte als Mittler zum Leser. Wenn man für durchschnittlich geltende Leistungen des Schriftstellers, des Verlegers, des Sortimenters von dem Trugbild einer Rangord nung absieht, bann ist, mit Spemann gesprochen, wirklich nicht ein- zusehen, wo Platz für einen tatsächlichen Gegensatz der Interessen zwischen Schriftsteller und Verleger sein sollte. Wo solche Interessen gegensätze bestanden haben, da waren sie doch auch ein Ausdruck der Zeit und können nicht einem einzelnen Stand zur Unehre angerechnet werben. In dieser Beziehung, meinen wir, wird sich der durch greifende Wandel nach und nach vollkommen vollziehen. Es bürste kaum als Prophetie ausgelegt werden, wenn hier gesagt wird, daß bei folgerichtiger Entwicklung unter Beteiligung aller derjenigen, die damit zu tun haben, jene Jdealgestalt des Kritikers, so wie ihn Grol man wünscht und treffend zeichnet -- des Kritikers Sein muß sich immer wieder zum Optimismus hinwenden und von sich selbst ganz und gar absehen, um viel zu sehen —, schon heute in stetem Wachsen begriffen ist. Es wird Ausgabe der betreffenden Persönlichkeiten sein, dieses Wachstum unablässig zu fordern und — zu fördern. Dann werben sehr bald alle Klagen über diese Seite des Besprechungswesens ver stummen. Bleibt aber noch die rein technische Seite der Angelegenheit: Die Buchbesprechungen kommen im allgemeinen so zustande, daß der Ver leger ober der Autor ein Besprechungsexemplar an eine Redaktion schickt. Sei es nun, daß das vom Autor und Verleger ausgeht oder baß eine Redaktion die Initiative ergreift und von sich aus ein Be sprechungsexemplar »anfordert«. Ist das geschehen, warten Autor und Verleger aus bas Erscheinen einer Besprechung, die entweder zugesagt ist oder erwartet werden darf. Daß diese Besprechungen in sehr vielen Fällen unzulänglich waren, wissen die beteiligten Kreise genau so lange, wie es diese unzulänglichen Besprechungen gibt. Man muß schon die kaum noch an irdischen Maßstäben zu messende Geduld be wundern, mit der Verleger und Autoren immer wieder und immer wieder ihre ideell und materiell wertvollen Bücher weggcgeben haben, nur weil hin und wieder eine brauchbare Besprechung — das können auch rigoros abweisende sein — erschien. In der Mehrzahl der Fälle waren sie eben nicht brauchbar, in einer Großzahl ward aber von den Besprechungsexemplaren nie wieder etwas gesehen. Fast in jedem Verlage mußte eine mehr oder minder komplizierte und ausgedehnte Einrichtung geschaffen werden, die hinter de» Besprechungsexempla ren her war, nur um trotz jahrelanger Ersahrungen immer wieder den neuen Verlust von Exemplaren, Portis usw. beklagen zu können. Paschke empfahl schon vor mehr als zwanzig Jahren, dah die versandten Be sprechungsexemplare abgestcmpelt werden sollten, um gewissermaßen durch ihre schwerere Verwertbarkeit für etwas Ordnung zu sorgen. Auch das ist ohne praktischen Ersolg geblieben, ganz abgesehen davon, daß dergleichen auch weder eine Zierde noch gar ein Universalmittel sein konnte. Hatte der Verleger eine angemessene Zeit aus die Be sprechung gewartet, fragte er bei der Redaktion einmal danach an. Wie oft blieben diese Anfragen, auch mehrfach wiederholte, einfach ohne Antwort, wie oft hieß es, daß das Exemplar gar nicht eingetros- fen sei. Man legte jedem Buche eine frankierte Karte bei, um den Eingang des Buches bestätigt zu finden. Auch hier — Buch und Karte blieben verschollen! Hier einige Beispiele: Von einem aktuellen, von maßgeblichen Instanzen empfohlenen Werk sind innerhalb von zehn Monaten 71 Besprechungsexemplare von de» Redaktionen ange- sordert worden. Nach insgesamt zwölf Monate», also zwei Monate nach Hergabc des letzten verlangten Exemplars waren 22 Besprechun gen durch Belege festgestellt. Bitten um Hersenbung etwa nicht über sandter Belege waren erfolglos. Es muß damit gerechnet werden, daß wirklich alles, was besprochen hatte, bereits durch Belege bekannt war. Es waren also fast 7Ü»/o von den Redaktionen angeforderter Exemplare im genannten Zeitraum nicht besprochen worden. Zu gegeben, daß diese Quote besonders hoch ist, aber 3l>—16"/» unbespro chen gebliebener Bücher sind keine Seltenheit. Bei unausgeforbert an die Redaktionen gesandten ist eine 7V »/»-Quote aber durchaus keine Ausnahme, es gibt Fälle, wo der Prozentsatz sogar R übersteigt! Hat man sich schon einmal überlegt, welcher Schaben Autor und Verleger bei derartiger technischer Handhabung entsteht? Für den Berufsstand insgesamt errechnet kommen beträchtliche Summen her aus, die uneinbringlich verloren gegangen sind. Und wie ist dem ab zuhelfen?
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