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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.12.1933
- Strukturtyp
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- 1933-12-19
- Erscheinungsdatum
- 19.12.1933
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- Deutsch
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artigen Examen, an Fülle von Wissen. Und als Ganzes doch ein klägliches Versagen des Mittleramtes. Wer wie ich zwanzig Jahre unter ihnen zn leben gezwungen war, weiß, daß alles dieses, Fach bildung, Kenntnisse, Geschicklichkeit, nur Spreu vor dem Winde ist. Denn das Kind will nicht dieses, das Kind will den Menschen, den großen, edlen, tapferen, reinen Menschen, so wie das Volk, von verdunkelten Zeiten abgesehen, das große, edle, tapfere, reine Buch will. Und da das Kind kein Brot bekommt, so wendet cs sich ab, und es sind Hände genug, die ihm Gift und Steine reichen. Und da das Volk kein Brot bekommt, so wendet es sich ab, und es sind Hände genug, die ihm »Bücher« reichen. Wie überall und immer: an Menschen fehlt es. Und so sollte es für den Buchhändler nicht darauf ankommen, sich wie die Philo logen vor -Gleichschaltung» zu überschlagen. »Man muß etwas sein, um etwas zu werden», hat Schiller gesagt. Wer rein ist, weiß, was ein reines Buch ist. Wer weiß, was das Volk ist, in seiner tiefsten und innerlichsten Gesamtheit, weiß, was dem Volke zu geben nötig ist. Ich weiß, daß auch unter den Buchhändlern viele sind, für die das Buch nichts als Ware ist, die umgesetzt werden muß. Die Wechsler statt Mittler sind. Und es wird niemals besser wer den mit uns, ehe nicht der alles überragende Maßstab die reine Menschlichkeit sein wird. Alles Mittleramt im Volk hängt davon ab, die reinen Hände zu finden, in denen keine Speise unrein wird. Vom Pfarramt bis zum Buchhändleramt. Es wäre kein Segen an einem Pfarrer, der das Wort Gottes predigte und ein kleinlicher, neidischer und erbärmlicher Mensch wäre. Und es ist kein Segen an einem Buchhändler, der mit den Lippen den Adel der Dichtung preist und seine Hände unter dem Ladentisch hat, um das Unadlige zu reichen. Der Buchhändler im nationalsozialistischen Staat? Ich sehe keine Änderung der Grundforderung. Der Staat wird nicht glau ben, es sei damit geschehen, daß er eine Zwangsinnung schaffe. Daß jeder Buchhändler das Hakenkreuz trage. Daß man ihm durch einen Zensurdiktator die Liste der zu verkaufenden Bücher über reiche. Der Staat wird wissen, daß Vertrauen besser ist als Befehl. Daß Erziehung niehr ist als Zucht. Erziehung des Schriftstellers, des Verlegers, des Börsenvereins, des Buchhändlers, des Käufers. Und in jeder Erziehung ist nichts Größeres als das gelebte Vorbild. Rudolf Huch: «Der königliche Kaufmann". Mit welchem Recht nennt Shakespeare seinen Kaufmann von Venedig königlich, und warum ist das heute, bei aller schuldigen Achtung vor dem Handelsstande, nicht das rechte Wort? Antonios Reichtum sind seine Schiffe und ihre Ladung. Wenn sie untergehen, ist er ein verlorener Mann. Er ist, wie der wahre König mit seinen» Volk, auf Gedeih und Verderb mit seinen Schif fen verbunden, ihr Gedeihen ist sein Glück, ihr Verderben sein Untergang. Heute schützt sich der verständige Kaufmann durch Versicherungen. Die Gefahr ist nicht, daß seine Ware untergeht, sondern daß sie ihm nicht abgekauft wird. Darin ist nichts, was man gering schätzen soll, die sogenannte Kalkulation erfordert immer Klugheit und Vorausblick, nur eben königlich ist sie nicht. Gewisse Geschäfte erfordern aber mehr als kaufmännische Klug heit, da muß der Vorausblick ans Prophetische grenzen, und der Wagemut muß sehr stark sein. Durch zweierlei unterscheidet sich auch heute der Handels- Herr, der nicht einen Großhandel im technischen Sinne zu betrei ben braucht, vom bloßen Händler. Einmal sind es die Angestell ten, die mit ihm an der Spitze ein lebendiges Ganzes bilden und auf Gedeih und Verderb mit ihm und seinem Werk verbunden sind. Ferner sind es die Geschäfte auf weite Sicht. Diese sind es, die mehr als Kalkulation erfordern. Die Gefahr ist groß, aber allerdings auch im Fall des Gelingens der Gewinn. Die edelste Ware, die auf den Markt gelangt, ist offenbar das Buch. Wenn ein Unternehmen königlich genannt werden könnte, so wäre es der Berlagsbuchhandel. Es gab einmal Verleger, die Geschäfte auf weite Sicht unter nahmen. Das Verlegen der Werke von Gottfried Keller und Con- 980 Reinheit und Adel der Führung, Hingabe und Selbstlosigkeit, Schlichtheit und Demut: alles dieses dem Volke vorangetragcn, Tag für Tag, Jahr für Jahr, muß zurückstrahlcn auf das Geführte, so wie die Kinder eines guten Hauses sich bemühen, in den schönen Formen der Eltern zu sein und zu leben. Zwar dürste dann nicht mehr sein, was noch ist: daß die Ver leger von Remarque, Tucholsky, Glaeser, Kästner und Zareck nach wie vor, nur unter einem schnell geänderten Tagesschild, den Buch händler und dgs Volk mit ihren Gaben beschenken und in Ehren ausschüssen sitzen. Dürfte allein deshalb nicht sein, weil zutiefst im Menschen ein unbestechliches Gerechtigkeitsgefühl lebt und dieses Gefühl nie und auf keine Weise verletzt werden dürste. Die Aufgabe des Buchhändlers im neuen Staat ist die gleiche wie die jedes andren Menschen im neuen Staate: mit seiner Hände Arbeit dafür zu sorgen, Tag und Nacht, daß dieser Staat ein Reich des Segens und der Verheißung werde. Und dieses Reich wird er niemals durch die Gewalt seiner Macht und Verordnungen, son dern allein durch die wachsende ^Gläubigkeit, Reinheit und Hingabe aller derer, die in ihm leben. Brauchte es Revolutionen, wenn wir alle Gottes Kinder wären? Vertrauen auf den Buchhändler? Solange ich meinen Bü chern vertraue, vertraue ich auch dem Buchhändler. Denn er ist kein Stand von Bösewichtcrn, die das Gute hassen. Und mit dem Guten ist es nie anders gewesen als mit dem Senfkorn. Sein An fang war klein zu allen Zeiten, und es ist gewachsen, auch unter Disteln und Unkraut, weil es das Wesen des Guten ist, zu wachsen trotz allen Teufeln dieser Welt. Es ist sehr bequem, ein Volk niit schwarzen Listen zu reinigen. Aber das Bequeme ist selten das Richtige, und ich will nicht zu denen gehören, die dem Buchhändler eine Schuld ausladcn, an der wir alle tragen sollten. Schreibe jeder von uns nur gute Bücher, und es wird keine Sorgen geben, wi der Buchhändler ins neue Reich einzuglicdcrn sei. Wer zweierlei Brot auf seinem Tisch hat, mag wohl in Sorge sein, wie er es an die Hungernden verteile. Aber wer nichts als das reine Brot eines reinen Ackers zu reichen hat, kann nicht in Sorge sein, welches er greife, sondern nur, ob er genug haben werde, die Hungernden zu speisen. Und daßer genug habe, dazu sind wir da auf der Welt. rad Ferdinand Meyer waren solche Unternehmungen. Sie haben sich glänzend bezahlt gemacht. Bekanntlich muß heute ein Schriftsteller, wenn er zu den Erfolgreichen gehören will, jung oder tot sein. Mit uns Ältesten ließe sich also wohl ein Geschäft auf gar nicht sehr lange Sicht machen, aber das Risiko scheint immer noch zu groß zu sein. Ich glaube ernstlich, daß es zu den wesentlichen Aufgaben des Verlagsbuchhandels im neuen Reich gehört, wieder Unter nehmungen auf weite Sicht zu wagen. Die Verhältnisse liegen heute so, daß ein Dichter, der die Gaben Goethes und Gottfried Kellers in sich vereinigte, keinen Verleger fände, wenn er nicht zeitgemäß dichtete, und zwar hat man unter Zeit die unmittelbare Gegenwart, den Augenblick zu verstehen. Wenn ein Verlag nicht überzeugt ist, daß ein Werk unmittelbar nach seinem Erscheinen den Markt erobern wird, lehnt er es als unzeitgemäß ab. Das gilt offenbar als selbstver ständlich, die Ablehnung wird gar nicht anders begründet. Ob nun aber die jeweils marktgängigen Werke immer die wertvoll sten sind, und ob das immer Zeitgemäße deutsche Art ist? Wer lange lebt, wird viel erfahren, sagt Goethe, und sagt damit aus nahmsweise, was sich von selbst versteht. Ich habe viele, sehr viele Unsterbliche erlebt, von denen man heute kaum noch die Namen kennt. Die Herren Verleger werden die Achseln zucken: Die wirt schaftlichen Verhältnisse sind stärker als wir. Nun besteht aber der damit nicht so recht übereinstimmende Zustand, daß sich immerhin eher ein einzelner Verleger mit kleinem Autorenkreis zu einem Buch entschließen wird, bei dem ein rascher Markterfolg unsicher ist, als die großen Vcrlagsfirmcn. Warum bildet man diese Rie- senunternchmungen, warum Zusammenschlüsse, die Konzernen ähnlich sind? Um der Aktionäre oder Gesellschafter willen? Ein Verlag, der zuerst und zuletzt das Wohl seiner Geldgeber im Auge hätte, erhöbe sich nicht über den Rang des Händlers. Ich
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