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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.12.1933
- Strukturtyp
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- 1933-12-19
- Erscheinungsdatum
- 19.12.1933
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- Deutsch
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^ 294, 18. Dezember 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. DtschnBuchhandel. will das nicht vom deutschen Buchverlag glauben. Aber daß man mehr urteilen und etwas weniger kalkulieren sollte, scheint mir allerdings der Fall zu sein. Vielleicht ist es doch die hoffentlich bevorstehende Besserung der wirtschaftlichen Lage, die auch hier Wandel schaffen wird, indem sie den Verlagsbuchhandlungen, besonders auch den kleinen und mittleren, bessere Möglichkeiten gibt. Einige große Verlagsfirmen genießen den wohl begründeten Ruf im Publikum, daß sie kaum jemals ein schlechthin wertloses Buch bringen, und sie haben die Mittel zu wirksamer Reklame. Anderseits wird aber im Zwcisel der kleine und mittlere Ver leger sich jedes einzelnen seiner Autoren persönlicher annehmcn. So kann jeder in seiner Art das deutsche Schrifttum betreuen. Daß heute auch hier wie überall in der Reklame zu viel getan wird, ist freilich meine Ansicht. Wenn dem Publikum jedes neu erscheinende Buch als unsterbliches Meisterwerk angcpriesen wird, überschlägt sich die Reklame und wirkt nicht mehr. Der Zusam menschluß, der zu erwarten ist, kann auch in dieser Richtung segensreich wirken. Ob es sich empfiehlt, für den Verlagsbuch handel eine Einrichtung wie den Ehrengerichtshof der Anwälte zu schaffen, müssen die Verleger selbst wissen. Den Anwaltsstand hat das Ehrengericht unter anderm auch vor der Übeln Reklame bewahrt und damit den wahrhaft deutschen Anwälten das Da sein ermöglicht. Ich bin gewiß, wenn artfremde Moden wieder mit Hilfe des Mammon einzudringen versuchen, und das wird immer wieder geschehen, dann wird der Vcrlagsbuchhandel sein Deutschtum über die Kalkulation stellen. Ob der Sortimentsbuchhandel Widerstand gegen den Ein bruch leisten wird? Aus meiner Jugendzeit erinnere ich mich, daß der Sorti mentsbuchhandel eine besondere Stellung in der öffentlichen Mei nung einnahm. Der Buchhändler hatte in der Regel ein eignes Urteil und beriet seine Kunden danach. Heute verkauft er, was — gefragt wird; das falsche Wort ist hier am Platz. Gewiß gibt cs Ausnahmen, aber sie sind selten. Es wäre zu wünschen, daß sich das Verhältnis zwischen Regel und Ausnahme umlehrtc. Hans Heyck: „Buchhändler, werde hari!" Mancherseits stellt man heute eine Vertrauenskrise im Buch handel fest, und zwar eine doppelte: einmal bezweifelt unsere kulturpolitische Führung die Bereitschaft des Buchhändlers, sich innerlichst überzeugt in den Dienst der großen Volksbewegung zu stellen, und zum andern mißtraut die Käuferschaft, die geführt sein will, der Fähigkeit des Buchhändlers, sie im Geiste des Neuen Reiches zu beraten. Selbstverständlich ist ein solches Miß trauen weder allgemein vorhanden noch überall berechtigt, im Gegenteil: ein höchst wesentlicher Teil unseres Buchhandels er freut sich nach wie vor wohlverdienten Vertrauens. Aber der andere Teil —? Wer will bestreiten, daß das Vertrauen zum Sortimenter gesunken ist, zu ihm, dem Hausarzt der Seele, den früher der Bildungsbestrebte so bewertete wie der Chinese seinen Hausarzt: er honoriert ihn, wenn er gesund bleibt, und er be straft ihn durch Nichtzahlung, wenn er von der Krankheit nicht befreit wird. In unserm Falle: der Deutsche wollte früher gut beraten sein, und wenn er sich schlecht beraten fühlte, wechselte er den Buchhändler. Solch fördersames Einvernehmen ist heute nur noch selten zu finden; den Vertrauensschwund zu erhärten, verweise ich auf das Ergebnis der Rundfrage, die der Verlag Engelhorn im Frühjahr 1932 unter den Lesern seiner »Flug blätter» veranstaltete, und die ihm aus die Frage: »Kaufen Sie nach dem Rat Ihres Buchhändlers?- in 8V von 108 Fällen ein ganz bestimmtes »Nein- und vielfach sogar ein schroffes »Nie!» einbrachte. Selbst wenn man berücksichtigt, daß unter den Ant wortgebern verhältnismäßig viele geistig Selbständige sich be funden haben mögen, bleibt das Stimmenverhältnis immer noch verblüffend — und beschämend für die Geltung des Sortiments. Persönliche Erfahrungen ergeben das gleiche Bild. Ein Wissen der sagte mir vor ein paar Jahren: -Ich lasse mir Bücher nur von unterrichteten Freunden anraten. Der Buchhändler kann oder mag heute nur das wenigste selber lesen; srage ich Ihn, dann empfiehlt er mir das, was er vorrätig hat, und vorrätig hat er das, was ihm mit sanfter Gewalt ausgehängt worden ist. Auf hängen aber läßt er sich nicht das Beste, sondern das Best- rabattierte!» Hier haben wir die Wurzel der Vertrauenskrise, und diese Wurzel steckt im fauligen, vergifteten »Kultur«-Bodcn der Nach kriegsjahre. Vor dem Krieg ließ sich der charaktervolle Buch händler überhaupt nichts »aufhängen-, sondern wählte selber nach bestem Wissen und Gewissen; nach dem Krieg aber brach mit der Schlammflut der Gesinnungslumperei und Fremdherr schaft auch in unsere Buchläden ein übler Strom von fressendem Gift und süßlichem Kitsch ein, der um so breiter quoll, je skrupel loser, d. h. je kapitalkräftiger der Verlag war und je billiger er also liefern konnte. An die Stelle des guten Einzelwerks trat die schlechte Massenserie ldie broschierten Tiller-Girls der Schau fenster!), an die Stelle des Kaufes trat die Kommissionslieferung, an die Stelle der Auslese trat der Ramsch, an die Stelle der Idee trat das nackte Geschäft, und aus dem einstigen Verantwortungs bewußtsein des Sortimenters wurde kritiklose Beflissenheit — nicht in allen, aber in allzu vielen Fällen. In die Fenster selbst guter Buchhandlungen schob sich für Wochen die gelbe Flut der Ullstein- und ähnlicher Serien, weil der Buchhändler, wenn er Charakter besessen hatte, schließlich mürbe geworden war (steter Reisender höhlt den Sortimenter!) und seufzend seine Lieblinge aus dem Fenster nahm, weil er allen Platz für die großen Attrap pen brauchte, die den dreißig Eincmarkschmökern vereinbarungs gemäß als Kulisse dienen mußten. Bis in die kleinsten — auch katholischen — Buchhandlungen der Landstädtchen, bis in den letzten Papierladen schwappten diese gelben oder knallbunten Wogen einer gerissenen Aufnötigung: epidemisch lagen sie überall auf der Lauer, versprachen alles, hielten wenig und verdarben das Volk. Ging unsereiner in den Laden hinein und stellte den Inhaber mit höslichem Sarkasmus zur Rede, dann rief er schier verzweifelt: »Mein Bester, das Publikum will cs ja! Es will doch gar nichts anderes!« — Diese Buchhändler waren nicht besser als die geschmierten jüdischen Bühnenleiter in den Groß städten, die ihren angeblich dramatisierten Dreck vergoldeten mit der grinsenden Behauptung, erstens gäbe es keine guten deutschen Dramatiker, und zweitens wolle »der heutige Mensch- ja gar nichts anderes auf den Brettern sehen! — Nun, es waren Juden, die so sprachen. Aber durfte der deutschblütige Sortimen ter samt seinen ebenso deutschen Verkäufern sich derartig ver- juden lassen? Vom Kitsch zum Gift ist kaum ein Schritt. Ein Buchhändler, der einst mit vollem Bewußtsein gewisse Schandwerke wie Tu cholskys »Deutschland über alles!« ins Fenster legte — und in wie vielen Schaufenstern haben wir es liegen sehen! —, ein solcher Buchhändler verdient nicht, ein Deutscher zu heißen, auch wenn er auf dem gleichen Fensterplatz heute Hitlers »Mein Kampf« liegen hat. Wer früher auf seinen Ladentischen die Gistgaspro- duktion von Verlagen wie etwa Kiepenheuer oder Zsolnay zu hohen Stapeln türmte, der erzähle mir heute nicht, daß diese Verlage jetzt ja -auch« nationale Bücher und Autoren bringen! — Ich weiß cs; ich bin über das Wesen der Konjunktur völlig »im Bilde- und ich kaufe diesen Verlagen nichts ab, so wenig wie ich im Warenhaus kaufe, und sei es nur ein Schlips. Ich betrete nicht einmal das Warenhaus, obgleich seine -Abteilung Bücher» mir sicherlich tragikomische Gefühle zu bescheren vermöchte ange sichts der Vergänglichkeit von so viel 20- bis dOprozentigem papierncm Spiritus (meistens ckonaturatus), der hier von gelang- weiltcn Ladnerinnen verkümmclt wird. Wie manches Mal habe ich im Laufe der letzten fünf Jahre in gewissen Städten unseres Vaterlandes nach meinen eigenen Bü chern gefragt, um dann die Antwort zu bekommen: »Heyck? Den können wir uns nicht hinlegen; der wird hier nicht verlangt!» — Wenn ich dann ganz dumm fragte: »Was halten Sie von ihm? Haben Sie etwas von ihm gelesen?«, dann hieß es: »Gewiß! Das und das Buch: ausgezeichnet!» — Ich bewerte mein eigenes Schaf fen nicht so übermäßig, daß ich es zum Gradmesser für den Kultur- 981 '
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