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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.06.1915
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- 1915-06-10
- Erscheinungsdatum
- 10.06.1915
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allem auch jeder Chef, wenn es nur irgend möglich ist, sich einen Sommerurlaub gönnen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und gerade die Gegenwart hat manchen darüber belehrt, datz bei gutem Willen sehr vieles geht, was zuerst unmöglich erschien. Wenn der Urlaub, wie das bei vielen der Fall ist, mehr be deutet als eine angenehme Abwechslung im Einerlei der Tage, wenn er nicht nur als ein Gesundbrunnen des Körpers, sondern auch des Geistes angesehen wird und die Ferienwochen dazu be nutzt werden, sich mit der Vergangenheit abzufinden und auf neue Aufgaben und Ziele vorzubereiten, so entfällt damit auch das peinliche Gefühl, das vielleicht manchen beschleicht, wenn er sein Los mit dem der im Felde stehenden Berufsgenossen in Vergleich -zieht. Da es indes nur den gesunden und kräftigen Männern vergönnt ist, dem Vaterlande mit der Waffe zu dienen, so kön nen die alten oder zum Militär körperlich untauglichen zurückgebliebenen nicht für Verhältnisse in Anspruch genommen werden, unter denen viele von ihnen ohnehin schon mehr als die anderen leiden, Haben sie nun nicht gerade deswegen die Pflicht, erst recht für die Kräftigung ihrer Gesundheit Sorge zu tragen, da in Zukunst erhöhte Tätigkeit und Arbeitskraft von ihnen verlangt werden müssen, um einen Ausgleich im wirt schaftlichen Leben für die große Einbuße zu schaffen, die durch den Verlust gerade der tüchtigsten Kräfte, wie ihn der Krieg her beiführt, entsteht? Da noch gar nicht vorauszusehen ist, welche Anforderungen die Herbst- und Winterkampagne an den Einzelnen stellen wird, so wird es auch hier heißen müssen: Bereit sein ist alles! Aber nur derjenige wird die Verhältnisse mei stern können und größeren Anforderungen gewachsen sein, der körperlich und geistig frisch ist. Daher wäre zu wünschen, daß überall da, wo es die Verhältnisse einigermaßen gestatten, ei» angemessener Ferienurlaub bewilligt und mit ihm auch der rechte Zweck verbunden wird, der Zweck nämlich, mit frischen Kräften wieder an die berufliche Tätigkeit heranzugchen und neue Ar- betts- und Absatzgelegenheiten zu schaffen. Das Ausland und wir, <Bgl. Nr. tl>8,116 u, 119.» Jedes Ding hat zwei Seiten, Und wenn der eine Betrachter mehr diese, der andere aber mehr jene Seite einer Medaille an sieht, so kann es leicht geschehen, datz nachher beide bei einer Unter haltung über das Geschaute aneinander vorbei reden. So ergeht es Herrn Georg Müller-München einerseits und den Herren Kuh- les-Dresden und Pape-Hamburg andererseits. Hätte Herr Müller in seinen Darlegungen etwas stärker betont (was er in einem Briefe an mich getan hat), datz auch seiner Ansicht nach in der Zeit nach dem Kriege Yen deutschen Schriftstellern nicht wieder die Mauerblümchen-Rolle zugewiesen werden dürste, die sie bisher vielfach spielen mußten, so würde er nicht in den m, E, ungerecht fertigten Verdacht geraten sein, zu den Anhängern eines gewissen Ausländertums zu gehören. — Indessen ist es nicht meine Auf gabe und auch nicht meine Absicht, für Herrn Georg Müller eine Lanze zu brechen. Dagegen möchte ich aus Gründen, die denjenigen, die Herrn Papes Feder führten, recht ähnlich sind, auf ein Goethe-Wort Hin weisen, auf das sich, wenn ich nicht irre, Chamberlain auch irgend wo bezieht. Im Jahre 1825 sagte Goethe zu Eckermann, »es sei nicht zu leugnen, daß, wenn jetzt einer das Deutsche gut versteht, er viele andere Sprachen entbehren kann,,,. Es liegt in der deutschen Natur, alles Ausländische in seiner Art zu würdigen und sich fremder Eigentümlichkeit zu bequemen. Dieses und die große Fügsamkeit unserer Sprache macht dann die deutschen Über setzungen durchaus treu und vollkommen«, Goethe betont hier eine in der Eigenart der deutschen Sprache sowohl als in der Art unseres Volkscharakters liegende » Eigen tümlichkeit, die uns davon abhalten sollte, die Bedeutung der tibersetzungstätigkeit für unser Volkstum und für die Weltstellung der deutschen Sprache zu unterschätzen, Wohl können wir es uns leisten, Schwätzer wie d'Annunzio und ähnliche Größen von Schmocks Gnaden zu übergehen, Wohl sollten wir als deutsche Männern es selbst Schriftstellern von Bedeutung fühlen lassen, daß man den deutschen Namen nicht umsonst begeifert. Deshalb ist! 8V2 Spitteler, Maeterlinck, Romain Rolland und auch der Schwedin Ellen Key gegenüber äußerste Zurückhaltung sehr angebracht. Aber es wäre verfehlt, wenn wir nun etwa in Zukunft das ganze lite rarische Ausland gewissermaßen boykottieren wollten. Wir wollen uns vielmehr stolz und freudig bewußt sein, daß cs eine Leistung bedeutet, daß so ziemlich jedes wertvolle Buch, das irgendwo auf unserem Planeten in irgendeiner Sprache erscheint, auch ins Deutsche übertragen wird. Die freilich überreiche Übersetzungs- täligkeit hat es bewirkt, daß jeder, der die deutsche Sprache be herrscht, damit den Schlüssel zu den Literaturen aller Völker besitzt. Haben wir eine Veranlassung, diesen Schlüssel zu entwerten? Es ist durchaus nicht nebensächlich, daß gerade die deutsche Sprache jedem, der sie spricht, eine geistige Verständigung mit der ganzen Kulturwelt erlaubt. Schon heute ist die deutsche Sprache in gewissem Sinne eine Weltsprache, Der Wissenschaftler, der nicht Zurückbleiben will, kann die deutsche Sprache nicht entbehren. In Zukunft wird un sere Sprache auch Wohl noch in weiterem Sinne Weltsprache werden. Sie wird Weltgeltung gewinnen auf Kosten der eng lischen und ganz besonders der französischen Sprache, welch letztere ihre Rolle im Orient hoffentlich ausgespielt haben wird. Die Bedeutung der Tatsache, datz heute breite Kreise in Ungarn, in der Türkei die deutsche Sprache lernen, ist zur Zeit noch gar nicht abzuschätzen. Gerade wir Buchhändler haben das größte Inter esse daran, diese Entwicklung gefördert zu sehen. Gerade wir müssen auch wünschen, datz die deutsche Sprache noch mehr als bis her die Sprache der Wissenschaftler und darüber hinaus der ge bildeten, literarisch interessierten Kreise des Auslandes wird. Erinnern wir uns dabei auch des Wortes Treitschkes: »Die Zu kunft des deutschen Volkes hängt am letzten Ende davon ab, wie viele Menschen auf der Erde deutsch sprechen«. Von diesem Standpunkt aus müssen wir wünschen, datz auch in Zukunft alle Werke von Wert in die deutsche Sprache übersetzt werden möchten. Wir dürfen uns dabei nicht an unsympathische Einzelheiten stoßen. Um ein von Herrn Pape erwähntes Beispiel herauszugreifen: Tolstois Bücher mußtenins Deutsche übersetzt werden, selbst wenn der Verfasser einnoch sonderbarerer Heiliger gewesen wäre. Wir dürfen einen Mann von Tolstois litera rischer Bedeutung nicht übergehen, selbst wenn wir persönlich noch so wenig Respekt vor seiner slawischen Inkonsequenz haben. Nur zwei Grenzen müssen unserer Neigung, ausländische Schriftsteller bei uns einzuführen, gezogen sein: die eine Grenze deutete ich schon an. Die Auseinandersetzungen über den Fall Spitteler haben gezeigt, daß so ziemlich der ganze deutsche Buch handel sich einig in dem Bestreben ist, diese Grenze in Zukunft zu beobachten. Sie liegt da, wo sich unser berechtigter National stolz gegen Männer wendet, die sich entweder in der Stunde der Gefahr verräterisch auf die Seite unserer Feinde geschlagen haben, oder die als Feinde mit dem unsauberen Mittel der Verleumdung gegen uns kämpften. Im allgemeinen ist diese Grenze leicht zu finden. Schwieriger steht es um die Bestimmung der anderen Grenze, die aus dem Grunde gegen das Ausland gezogen werden muß, weil die Anzahl der Bücherkäufer in Deutschland zu klein, die Zahl der deutschen Schriftsteller aber zu groß ist. Erwächst den deutschen Schriftstellern nun noch eine gar zu starke Kon kurrenz vom Auslande her, so entsteht die Gefahr, daß selbst wert volle deutsche Schriftsteller unbeachtet bleiben. Diese Gefahr ist zumal durch das Theater, das in den Jahrzehnten vor dem Kriege, ich möchte fast glauben grundsätzlich, ausländische Stücke bevorzugte, außerordentlich gefördert worden. Die Forderung: Raum für unsere deutschen Schriftsteller in erster Linie! ist zweifellos durchaus berechtigt. Es ist klar, daß es nicht leicht sein wird, den schmalen Pfad zu finden, der zwischen den beiden Gefahren, einerseits dem deut schen Volke wertvolle Werke des Auslandes vorzuenthalten, an dererseits den deutschen Schriftstellern Lust und Licht zu nehmen, hindurchfllhrt. Trotzdem haben wir Wohl Ursache zu der Hoff nung, datz der gute Geist, den der Krieg gebracht hat, es dem deutschen Buchhandel erleichtert, den rechten Weg zu finden, Hamburg, A, Zimmermann,
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