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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.06.1938
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1938-06-11
- Erscheinungsdatum
- 11.06.1938
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- Deutsch
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1919 1918 17. September. Alles ist seelisch erschüttert. Erschüttert ist 1. der Arbeiter, 2. die Bauern, z. (eigentlich hätte ich sagen sollen i.) das Militär, 4. die Frauen, 5. alle Angestellten, 6. alle Beamten, 7. die Presse. Die Demobilisierung hat bei den Gemütern begonnen. Das ist schlimm, sehr schlimm. Die Stimmung ist früher da als die Ereignisse. Keine Hemmungen, keine Dämme, die Stimmung im Lande ist furchtbar. Wer glaubt noch an einen guten Ausgang?. 20.September. In der 8.Klasse eine neue Lektüre angefan- gen: 806Q68 äs Is. Vis äs Oommuns. Die Schüler fragten, warum ich etwas so Tristes läse. „Weil ich wünsche, den Er eignissen theoretisch voraus zu sein." „Wieso?" „Weil wir das alles in den nächsten Monaten auch erleben werden." „Auch Geiseln?" „Auch Geiseln." „Auch Geiselmorde?" Ich zuckte die Achseln. 2. November. Abends im Hofbräukeller. Die alten Stamm gäste nehmen sich, um trotz der Beleuchtung (wie ein Heiliges Grab) ihre Zeitung lesen zu können, Lichtstümpfchen mit, Wachs stocke und dergleichen. Es sieht gespenstisch aus, wie ein Märchen von Grimm, wo jedes Lichtlein ein Menschenleben bedeutet. 10. November. Aus den Rasen in den Anlagen sind wieder Wiesen geworden, mit allerlei Unkräutern. 2m Englischen Gar ten weiden Rinder, z. B. auf der großen Wiese vor dem Mono- pteros. Malerisch, aber der Rasen ist kaputt... 2n der Stadt hat sich leider nicht die Natur der Straßen bemächtigt, sondern das Papier. Alle sind durch Abfälle trostlos, verschmutzt. Es war wie abgeschnitten: Mit dem Augenblick der Revolution horte die Straßenreinigung auf. 12. November. Am Max-Gymnasium ist ein Schülerrat ge bildet worden; seine erste Verfügung ist: Professoren werden außerhalb der Schule nicht mehr gegrüßt. 18. November. ...damit soll das alte Regime nicht ver teidigt werden. Es war kern faul und fiel, weil es fallen mußte. Es wurde nicht gestürzt, sondern über Nacht umgeblasen. Es hatte jede Herrschaft über die Seelen verloren. Sobald man auf horte, es zu fürchten, war es erledigt. Wie heißt's doch bei Goethe? „Wären's Könige gewesen, sie stünden noch alle unversehrt!" g. Dezember. 50 Gramm Rauchtabak von der Regie kosten 70 Pfennige. Mehr kriegt einer nicht. Wegen Kohlenmangel fahren die letzten Straßenbahnen abends 7 Uhr. Der Bolschewismus ist seinem Wesen nach die Vergewaltigung der ungeheuren Mehrheit eines Volkes durch eine kleine, aber vor nichts zurückschreckende Minderheit. 11. Dezember. 2st je in München so viel getanzt worden...? Man tanzt, um sich zu betäuben, um zu vergessen, um sich selbst ein gesteigertes Lebensgefühl zu beweisen, man will alles herein bringen, was man vier Jahre lang entbehrt hat, will sich schad los halten. Man tanzt, weil man noch lebt. Man tanzt, weil die anderen tot sind. 18. Februar. Rechtsanwalt D. sagte, je länger der Krieg dauerte, desto mehr habe er gefunden, daß gewisse Stände, nicht gewisse Individuen, für den Heeresdienst überhaupt nicht zu bekommen gewesen seien; Redakteur Maier sagte, es sei groß artig gewesen, so oft ins Feld abgestellt worden sei, seien alle Juden wie weggeblasen gewesen; offenbar habe sie der jüdische Stabsarzt immer rechtzeitig beurlaubt. 17. April. Die Sozialdemokratie hat abgehaust. Sie hat sich als unfähig zur Regierung erwiesen, weil sie gegen links genau so feig ist wie die alte Regierung. Eigentlich ist alles, was wir gerade erleben, nur die Wiederholung der deutschen Politik vor dem Kriege und während des Krieges. Bethmann-Hollweg ist gegangen, aber der Geist, in dem weiterregiert wird, ist der Beth- mann-Hollwegs. Feigheit, jämmerliche Versuche, die Opposition durch Zugeständnisse bei der Stange zu halten, alles rutscht un aufhaltsam nach links, immer weiter dem Abgrund zu. Man möchte - wie Wellington bei Waterloo - sagen: „Ich wollte, es wäre Abend und die Preußen kämen ..." ... Es ist echt deutsch, alles Heil von einer Institution zu er warten statt von Männern. Dies Föderalistische, das die größte Schwierigkeit unserer Politik ist, ist zugleich Deutschlands größte Stärke: es bedeutet das Organische, das starke Eigenleben jeder einzelnen Zelle, das uns die Elastizität verleiht, auch aus diesem schauderhaften „Frieden" eines schönen Tages wieder als mächtiges Volk hervorzugehen... 18. April. Unbeschreiblich ist der Andrang an den Zigaretten" geschäften. Bei Zuban standen die Leute gestern an vom Laden gegenüber dem Brunnenbuberl, das ganze Viertelsrund entlang bis zum Eck und zurück zum Karlstor. Ähnlich, wenn auch nicht so groß, war der Andrang an allen Geschäften, wo es Zigaretten gab. - Am Müllerschen Volksbad bemerkte ich heute früh einen ähnlichen Andrang. Es gibt also noch Leute, welche in dieser dreckigen Zeit baden? 2g. April. Wie durch den Wegfall jeder Zensur und aller ver wandten Überwachungsmöglichkeiten unser Volk gegenwärtig verwüstet wird, ist nicht zu sagen. Die Hemmung zwischen Kopf und Hand ist beim Durchschnitts deutschen sehr groß; die Deutschen meinen, wenn sie über eine Sache fortwährend schimpfen, sei schon etwas getan... 2. Juli. Nichts ist für diese bayrische Revolution so bezeichnend wie ihre Stummheit. Sie hat kein Lied... Eine jede wirkliche Volksbewegung aber kennt man daran, daß sie singt. Anno 70 die „Wacht am Rhein", Anno 14 der „Gute Kamerad" mit „Gloria Viktoria" und den „Vöglein im Walde" und „Auf, auf, zum Kampf, zum Kampf sind wir geboren". Ob das be treffende Lied textlich und musikalisch von Wert ist, darauf kommt es nicht an. Aber daß eine Bewegung, die nicht singt, wirklich aus dem Volke stammt, das glaubt kein Mensch, der 1914 miterlebt hat... Diese Sätze sind kleine Kostproben aus dem soeben erscheinenden NevolUtloNStagebuch 1918/19 Aus den "^agen der Münchner Revolution von Josef 1k>ofmiller 3190 Nr. 183 Sonnabend, den 11. Junt 1688
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