Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.03.1938
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1938-03-30
- Erscheinungsdatum
- 30.03.1938
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19380330
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193803307
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19380330
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1938
- Monat1938-03
- Tag1938-03-30
- Monat1938-03
- Jahr1938
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Drittes Aeikilrit K kir. 539 — 85. <vLk>,Vr//7^ borgen Ausyake Lonntax, 14. ^lovemlaer 1937 ?olirei6ilsk,i<z5. Vosk Oiy, 6°' >vv' c>^ .<»'A ,n ^ .Ä? A-' r -- ^ 4 Alles MW - WMM Skittitlsll Ueberraschende Melhoüe, einen Mordsall zu erzählen / tageplan. Solumenle, Pholos und viele andere Leiege sind in einem Akiendeckel vereinigt ß, Am 8. März 1936, um 20 Uhr 45 Minuten, ging beim Polizeipräsidium Miami ein Tele gramm ein, das auf der Segeljacht des amerika nischen Millionärs Nocksavage aufgegeben worden war: „Bolitho Blane beging Selbstmord. Kehre bereits zum Hafen zurück." Der zuständige Po lizei-Inspektor von Miami gab wenige Minuten später dem Kriminalkommissar Kettering den Auf trag, den Fall unverzüglich zu behandeln. Bolitho Blane war ein bekannter britischer Finanzmann. Der Fall war also doppelt wichtig. Der Kom missar ging in eine Polizeibarkasse und erreichte bald darauf die Jacht, die auf Miami zusteuerte. So ungefähr könnten tausend Kriminalromane Auch der vermutliche Fortgang der Geschichte läßt sich, in seinen ersten Stationen iverrigsten?, denken: es ist wahrscheinlich, daß keWHelbstmord, sondern ein Mord vorliegt. Und dannAerhebt sich die Frage: „Wer hat Bolitho Blane ermordet? Und warum? Und wie ist der Mord geschehen? In unserem Fall — wir haben einen „Kriminalroman" vor uns — ergibt sich ungefähr derselbe Tatbestand. „Mord bei Miami" heißt das Buch (Henry Burmester Ver lag, Bremen). Ein Kriminalfall. Aber dieser Fall ist einzigartig — und zwar wegen der äuße- ren Form, in der er dem Leser vorgeseht wird. Kein Buch liegt vor uns, mit Kapiteln und spannenden Schilderungen, wie wir das bei der Kriminalliteratur gewohnt sind. Sondern ein Aktenstück liegt da. Ein Aktendeckel mit breitem Rücken, mit einer Schnnr geheftet. Wir schlagen die erste Seite auf. Nicht der Beginn eines Ka pitels, sondern das Original des Nadiogramms, das Mister Nocksavage an das Polizeipräsidium Miami sandte. Nächste Seite: der Dienstbogen des Polizei-Departements Miami mit dem Befehl an den Kommissar Kettering, die Jacht aufzu- snchen und die Untersuchung vorzunehmen. Wir blättern weiter. Nichts von einem Roman! Denn dieses dicke Aktenstück enthält auch nicht eine einzige Zeile einer Romanhandlung. Polizeiakte, sonst nichts. Maschinengeschriebene Berichte des untersuchenden Kommissars. Niederschriften ein- gehender und wiederholter Verhöre aller Passa giere der Jacht. Dazu die zahlreichen Tatbestands- aufnahmen an Bord der Jacht. Der Kriminal- kommissar fügte seinen Berichten Großaufnahmen aller wichtigen Personen an Bord bei. Das Mord- zimmer ist von verschiedenen Seiten Photo- graphiert. Der Kommissar fertigte eine Lageskizze des X-Decks an, wo sich der rätselhafte Vorfall ereignet hatte. Verdächtige Gegenstände, Notiz blätter. Briefe, leere Streichhrlzschachteln, Ziga- retten mit verdächtigen roten Grundstücken legt er seinen Berichten an den Inspektor bei oder er photographiert sie. Unser Aktenband enthält alle diese Dinge, ganz zwanglos, wie sie eben gerade anfielen. Beigeheftet sind Kabel von Scotland Dard mit näheren Auskünften über einzelne Per sonen, die sich auf der Jacht b wnden hatten. Dem untersuchenden Kommissar sagt sein Assistent — und er berichtet auch darüber dienst lich kurz —, der Graf Luigt Pcsodini komme ihm so merkwürdig bekannt vor. Er habe sein Bild bestimmt schon einmal im Vcbrecheralbum von Miami gesehen. Miami sucht im Verbrecheralbum und vergleicht die Aufnahem mit dem Photo, das der Kommissar auf der Jacht vom Grasen gemacht hat. Der Fall ist klar (und beide Photos sind unserem Akt beigefügt). Ein Kriminalroman also in Form von Polizei- akten. Es ist kein „Dreh", keine Ueberrumpclung des Lesers. Denn dieser stattlick-e Band mit seinen Dokumenten und Photos, mit seinen Kabeln und Blaupausen enthält nichts anderes, als was nicht auch ein richtiger Polizeiakt über den „Mord bei Miami" enthalten könnte. Kein Romanautor sagt auch nur ein Wort. Kein verbindender Text. Nur Beweisstücke und Protokolle des Kommissars mit den dazugehörigen knappen Anweisungen seiner Vorgesetzten Behörde. Zum Beispiel: als der Kommissar seine ersten Untersuchungen abgeschlossen und die Berichte mit den Photos nach Miami gesandt hatte, ohne selbst eine Vermutung über ein mögliches Verbrechen ge äußert zu haben, teilte ihm der Inspektor kurz mit: „Die Abzüge sind gerade in meine Hände gelangt. Auf Bild L werden Sie zwei parallele Linien be merken, die quer über den Teppich hinweg laufen. Untersuchen Sie bitte die Spuren sofort gründlich." Der Kommissar untersucht — und kommt zu dem Ergebnis, daß diese Spuren davon herrühren müssen, daß ein Mensch über den Teppich geschleift worden ist. Ein Mord also? Schon dieses kleine Beispiel läßt erkennen, wie ganz anders die Möglichkeiten dieser Art der Be handlung von Kriminalfällen in der Literatur sind. 5iE-eaS In dem englischen Badeorte Swansea wurde auf feierliche Weise ein Hund beigeseht, der 27 Er- trinkende rettete. Das Tier hatte auch bereits zu seinen Lebzeiten eine Auszeichnung durch die Ret tungsmedaille erhalten. Nun haben die Behörden auch noch bestimmt, daß das Grab dieses verdienst- vollen Hundes neben denen der Kriegsgefallenen angelegt wurde und einen schönen Eichensarg, so» wie einen Gedenkstein aus Marmor gestiftet, auf dem die Verdienste des Tieres eingraviert werden. verglichen mit dem Roman. Die Protokolle und schriftlichen Berichte des Kommissars Kettering an seinen Inspektor sind nüchtern und trocken: aber sie vermitteln ein ungeheuer dramatisches Bild von der jeweiligen Lage der Untersuchung. Das Er staunlichste aber ergibt sich am Schluß des Akten- bandes: der Kommissar liefert seinen letzten Bericht ab. Er hat das Menschenmöglichste getan, hat alle verdächtigen Personen fünfmal gründlich vernommen und ihre Alibis peinlich genau nachgeprüft. Der Leser hat sich davon restlos überzeugen können. Der Schlnßpassus des Berichtes des Kommissars lautet: „Hiernach haben alle Personen, die unter Verdacht standen, einwandfreie Alibis ... Damit endet meine Untersuchung völlig ergebnislos, und ich bitte deshalb um neue Anweisungen." Daraufhin schickt ihm der Inspektor ein Radio gramm auf die Jacht: .Lösung des Mordfalles völlig gelungen. Verhaften Sie . » Beweisführung anbei." Der Inspektor hat das Mordrätsel gelöst — aus den Akten! Er hat nie eine der verdächtigen Per sonen gesehen oder gesprochen. Er kennt nur die Akten, wie sie auch dem Leser vorliegen. Er hat die Berichte seines Kommissars studiert, hat die Photos und die übrigen Dokumente genau geprüft. Wiederum brauchte es weder einen „Dreh" noch sonst ein Manöver. Der Vorgesetzte, der logisch denken kann, der über eine gute Kombinationsgabe verfügt, hat die richtige Lösung aus dem Material gefunden und der Leser, der sich richtig in den Aktcnband hineingekniet hatte, ist gar nicht mehr überrascht: weil er nämlich ungefähr dieselbe Lösung ebenfalls bereits überlegt hatte. Was kein Nomanautor fertig bringen würde, gelingt hier. Es wird ein Fall in allen seinen Einzelheiten wörtlich „ausgerollt": es wird kein Wort verschwendet. Akten sprechen. Und Akten können eine sehr deut liche Sprache reden! siliert vroälieck.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder