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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.10.1937
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- 1937-10-29
- Erscheinungsdatum
- 29.10.1937
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- Deutsch
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keit. Vom Winter wird einmal gesagt: »Ganz leise hielt er seine Hand über Dörser und Wälder, da versanken sie im tiefen Schnee-, und von der wunderbaren Heiterkeit des gottessürchtigen Schusters heißt es, daß sie »aus seinem trockenen Wesen zu erblühen begann, wie eine rote, einsame Blume aus dürrem Felsgestein erwächst». Bedeutsam ist schließlich die landschaftliche Einordnung des Buches. Mit ihm ist wieder einmal aus dem mitteldeutschen Raum ein be deutendes dichterisches Werk hervorgegangen. Hans Löscher als auch an Jahren gereifter Künstler wird neben dem jungen Dresdner Martin Raschke künftig als einer der wesentlichen Vertreter des gegenwärtigen sächsischen Schrifttums zu neunen sein. Schließlich sei vermerkt, daß der Titel des Romans einem Hölderlin- Gedicht entnommen ist. Er beutet auf die geordnete und versöhnte Zusammenschau, die eines »Lebens viele Widersinne» im Sinnbild des Kunstwerks erfahren. Der Sücherwurm vom Oktober 1-Z7: Das »Buch vom wahren Leben« führt seinen Untertitel mit Recht! Es handelt von einfachen Menschen, die ja im Lichte Gottes so andere Werte offenbaren als in dem unseren, in welchem wir sie als die »kleinen Leute» bald verachten, bald vergötzen, bald durch überheb liche Härte, bald durch noch überheblichere Begönnerung kränken und immer falsch behandeln — und denen wir hier begegnen im richtigen Licht. Der Inhalt des Buches, äußerlich betrachtet, ergibt sich daraus, daß in ihm ein Deutscher, der zeitlich dadurch bestimmt ist, daß sein Vater den Krieg von 1870 mitgemacht hat, er selbst aber 1892 noch nicht erwachsen ist, uns seine Jugend erzählt. Doch erzählt er uns dabei viel mehr von seinem Vater, der nach Abschluß seiner Soldaten zeit als Militäranwärter die Stelle des Gendarmcriekommissars in einem weltabgelegenen Dorfe des sächsisch-böhmischen Grenzgebirges erhalten hat und versieht, sowie von den Menschen, die durch das Wohnen an jenem Orte und infolge der Tätigkeit des Vaters in des Heranwachsenden Gesichtskreis treten: Da sind die ansässigen Bauern, Handwerker, Arbeiter, Gastwirte und die gräfliche Herrschaft im Schlosse mit Rentmeister, altem Diener. Da sind die durch Ver setzung wechselnden Pfarrer, Lehrer, Vorgesetzte — taugliche wie un taugliche. Da sind dte durchwandernden Tippelbrüder, Schauspieler, Zirkusmenschen, Zigeuner, redliche wie unredliche Geschäftsleute. Da sind Stille im Lande, wunderliche Heilige, Verrückte. Dieses Men schenleben bewegt sich tn einer kräftigen, noch urwüchsigen wald reichen Landschaft — auch die Zeit ist ja noch urwüchsig. Die Fremde greift ein nicht nur von jenseits der Landesgrenze, hinter der sie zunächst noch keine Fremde ist, sondern sogar aus dem fernen Be reiche der französischen Fremdenlegion. Es ist auch viel Musik in diesem Buche. Der Sachse, den wir hier sehr lieben lernen, ist Deutschlands musikalischster Stamm, der Böhme ist voll Musik, und die Kirchenorgel am Orte ist von Silbermann. Aber die Hauptsache in diesem Buche sind die Menschen. Die Wirk lichkeitserfassung, mit der Hans Löscher begnadet ist, bewirkt, daß alle diese Menschen als Menschen erscheinen. Keiner ist ver zeichnet oder, besser gesagt, verschnitzt, denn um plastisch ge ratene, allerseits sichtbare Gestalten handelt sich's. Hier sinken wir keine idealistischen Schemen in bengalischer Heroenbeleuchtung, auch keine insernalischcn Schurken in Schwarzmalerei. Alle Menschen sind von Fleisch und Blut; keiner ein Übermensch, auch nicht dieser präch tige Gendarm und Vater, dieser ausrechte und ehrliebende, aber nicht ehrgeizige Beamte, welcher lieber sein Brot ver scherzt als sich einem Vorgesetzten fügt, der ihn in der Ehre gekränkt hat. Biele dieser Menschen haben große Schwächen, aber keiner ist verworfen, keiner gerichtet, mancher ein Verbrecher — ein Gendarm weiß davon zu erzählen —, aber keiner Kanaille. Es liegt ein Licht der Liebe über allen, auch den beschattetstcn, das einen Begriff vom göttlichen Lichte gibt, das heißt davon, daß Gott die Liebe ist. Denn vergehen sich diese Menschen, so erhalten sie die Gnade, das zu sühnen, worin sich Gottes Liebe am stärksten äußert. Hat doch, wer nicht völlig vertiert ist, das Bedürfnis, was er mißgetan, zu sühnen, wie man, wenn man sich die Finger beschmutzt hat, das Be dürfnis hat, sich zu waschen. Schlicht ist dieses Buch, abhold großen Borten. Dafür sitzt in ihm jedes Wort richtig, hat jedes Gehalt. Einmal findet unser wackerer Gendarm den Spruch: Wer Gott vertraut, Und feste um sich haut, Hat wohl gebaut. Da weiß er sofort, daß dieser Spruch »einer von denen ersonnen, die hinterm Ofen sitzen, wenn sich die anderen die Schädel elnschlagen müssen». — »Bist du auch wirklich so gut mit dem Bajonett, wie du mit dem Munde bist?« bemerkte Hindenburg einmal im Felde zu einem mit dem E. K. II geschmückten Soldaten, den er nach dem Anlaß seiner Auszeichnung gefragt hatte, als der Mann allzu rühmend von seiner Heldentat redete. Auch die zweite Bedingung, die ein Buch wertvoll erscheinen läßt, ist erfüllt. Es tst mit bester Handwerklichkeit gearbeitet. Dieses Buch ist deutsch durch und durch, schon weil es den Mund nicht mit Selbstlob vollnimmt: es redet nicht vom Deutschtum, aber es strahlt Deutsch tum aus. Selten auch haben wir ein so reifes Buch in Händen ge habt. Und nun ist es so geschrieben, daß lebenskundigste Menschen wie Kinder es lesen können, der gebildetste Denker wie der Un- gelehrte, der Mann der Tat wie der Beschauliche. Ich habe es Ken nern empfohlen, ich lasse es im Dors, da ich wohne, bei Schuster und Schlosser umgehen. Ich möchte, daß alle mir werten Menschen es lesen, vom Jugendfreund an, der mir noch übriggeblieben, bis zum Jugcndherbergsgenossen, mit dem ich ans meiner jüngsten Wande rung ein besinnliches Wort und die Anschrist getauscht. In diesem Jahrhundert, da alle Worte abgegriffen sind, bedauere ich, zum Lobe dieses Buches keine würdigen mehr zu finden. Es klingt abgedroschen, wenn ich wünsche, daß dieses Buch für die deutschen Leser »das Buch des Jahres« werbe. Und auch das wäre noch zu wenig: es sollte uns zum Geleitbuch werden für lange Jahre, ja für Jahrzehnte. Otto Freiherr von Taube. Die 16-20.Auflage ist erschienen! Die Nachfrage ist so groß, daß dieser Neudruck voraus- sichtlich Ende dieses Monats vergriffen sein wird. Die 21.-30. Auflage ist im Druck! Sie wird vom 10. November ab ausgeliefert werden. Rainer Wunderlich Verlag 728 Börsenblatt s. d. Deutschen Buchhandel. 104. Jahrgang. Nr. 2S1 Freitag, den 3S. Oktober 1987 5165
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