Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.11.1937
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1937-11-04
- Erscheinungsdatum
- 04.11.1937
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19371104
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193711043
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19371104
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1937
- Monat1937-11
- Tag1937-11-04
- Monat1937-11
- Jahr1937
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
lebendigen Lebens.« Wir finden das Ringen um die Erkenntnis Gottes, das hohe Glück über das Erlebnis feiner Allgegenwärtig- kcit und seiner Allmacht und die unvergleichliche Lebenstapferkeit, die uns bei Johanna Wolfs immer wieder mitreißt, mehrfach ge staltet in den Gedichtbänden -»Tu schönes Leben«, »Bon Mensch zu Mensch- und »Lebendige Spur«. Sie duldet kein schwächliches -Sichverkriechen im Unrecht leiden. Sie will hochgesinnte Menschen, die ihr Haupt stolz zu den Gestirnen emporrecken. Ihr ist das Leben ein quellendes Meer, das sich nie flach und leer läuft und das für jeden Menschen immer und ewig etwas haben wird, der es wagt, in seinen Grund zu tauchen oder, Stürmen trotzend, aus seine unbegrenzte Fläche hinauszufahren. Dazu kommt nun -wie selbstverständlich hinzu die tiefe Hei matliebe und das stolze Vaterlandsbekenntnis, denen wir überall begegnen, wo -wir die Bücher von Johanna Wolfs aufschlagen. Ostpreußen als Grenzland, als Land der Bewährung in tausend facher Lebensgefahr, Ostpreußen als Heimat, der sie sich, ihrer ehemals ärmsten Kinder eines, verbunden fühlt für alle Zeit: das ist der tiefe, -bald schmerzlich erschütternde, bald fröhlich jauchzende Klang, der durch viele ihrer schönsten Gedichte zittert -und schwingt. Da ist z. B. das ergreifende, Volkslied gewordene »Ich hatte einst ein schönes Vaterland«, oder das Gedicht »Georgenwalde«, mit seinem dreimal wiederkehrenden Schlußruf: »Ostprcußenland«, in dem in ein paar kurzen -Strophen ein so eindrucksvolles Bild ost preußischer Landschaft ersteht; oder das Gedicht »Memclstrom«, aus dem der Schmerz stöhnt, den die immer noch blutende Wunde der grausamen Trennung -von Angehörigen des gleichen Volkes ihr bereitet. Die Not der Heimat, die Johanna Wolfs litt wie ihre eigene, hat ihr den Griffel geführt bei den beiden Romanen »Hans Peter Kromm, der Lebendige« (Eine Geschichte von User zu Ufer) und -»Andres Verla ten« (Ein deutsches Schicksal). »Hans Peter Kromm« ist der Lebensweg eines Beson deren, der zu einem Verzicht auf seine eigenen Wünsche und For derungen an das Leben und zum Einsatz für das Leben der Ge meinschaft kommt. Der Kampf zwischen Mutter und Sohn, der sich durch den ersten Teil des Buches hindurchzieht, da die Mutter sich gegen den Wunsch des Sohnes, einen künstlerischen Beruf zu ergreifen, auflehnt, hat etwas Ergreifendes an sich, besonders dort, wo der Junge dann der Mutter begegnet in dem endlich errunge nen Willen, jenseits von Traum und Rausch ein tätiges Leben mit der Arbeit seiner Hände zu führen. Im zweiten Teil der Dich tung wird nun der Weg dieses Menschen geschildert bis zu dem Ende, das er nimmt, als er sich für die Gemeinschaft opfert. Die Teilnahme am Krieg ist ihm verwehrt durch eine schwere Kopf verletzung, die ihm ein Auge gekostet hat. Um -so bewußter stellt er sich auf den Platz, auf dem er seinem Volke zu dienen vermag, ohne selbst Kämpfer an der Front sein zu können. Er schafft den Menschen seiner Heimat nicht nur Arbeit und Brot, sondern auch ein würdiges Dasein, indem er ihjien Heimstätten baut, und indem er mit der ganzen Kraft seines Wesens und seiner Persönlichkeit darum ringt, seine Arbeiter davor zu bewahren, daß sie sich ver lieren in sozialistische Ideologien, die dem deutschen Wesen fremd sind. Er versucht, in ihnen das Verständnis für die Notwendigkeit der Unterschiede des Standes und Besitzes zu wecken. Seins Arbei ter sollen die schicksalhafte Wahrheit des Wortes: »Volk! Das sind wir alle« verstehen lernen. Aber die Zeit war für einen allge meinen Durchbruch einer derartigen Einstellung und Haltung noch nicht gekommen (das Buch erschien im Jahre 1921!). Die Aus einandersetzung mit den Arbeitern und ihren Räten führt nicht zu dem von ihm selbst heiß ersehnten und um der anderen willen gewünschten Ergebnis. Die Stunde, da er das im Krieg ver schmähte Opfer seines eigenen Lebens bringen kann, ist jetzt ge kommen. Er fällt dem Steinwurf eines Verhetzten zum Opfer. Das Geschehen in diesem Buch ist voll zeichenhafter, sinnbild licher Bedeutung. Denn was darin sich abspielt, ist ja nur »ein ganz kleiner Ausschnitt von dem Schlimmen und Schweren, das sich im Ganzen begab«. Wohl kommen dem sich einsetzenden Men schen einmal auch die Zweifel, ob sein Tun einen Sinn habe, ob es etwas nütze, daß er »hier Dämme zu bauen versuchte«. Aber immer wieder wird er Herr über solche Zweifel, denn das Ziel, das vor ihm steht, ist -sein -Volk, für dessen -Schicksal er -sich mit verantwortlich fühlt. Das Schicksal des Volkes ist es, das auch »Andres Vertaten« in dem deutschen Schicksalsroman dieses Titels zurückführt in den Kreis, aus dem er sich einmal hinausbegeben hat. Andres Ver taten ist der Besitzer eines Hofes in Ostpreußen. Er hat vor dem Krieg seine Heimat verlassen und ist nach Amerika ausgewandert. Dort, im Erlebnis des fremden Wesens, ist er seines eigenen Deutschtums sich wieder bewußt geworden. Er flieht zu -Beginn des Weltkrieges nicht nur vor dem fremden Land, sondern vor dem eigenen Sohn, der ihm das Wort »kun« entgegenschleudert. Durch den Krieg vollends aus seinem Wesen geworfen, sucht der Verwundete, der sein Erinnerungsvermögen verloren hat, Zu flucht in seiner ostpreußischen Heimat. Aber er hat auch den Glauben an sein Volk verloren, und er kann die Schläge und Fußtritte der Novemberleute von 1918 nicht vergessen, die er zu spüren bekam, als er seine Kompanie in die Heimat zurückführen wollte. Der Gedanke an diese ihm angetane Schande verdichtet sich in. ihm zur fixen Idee, er will der Heimat aus heiligen -Steinen, die seinen Vorfahren ehrfürchtig verehrte Segenszeichen waren, ein Schandmal setzen. Dadurch bringt er die ganze Gegend in Aufruhr. Inzwischen hat sein Sohn, in dem das deutsche Blutsevbc durchgebrochen ist, zu ihm zurückgefunden. In einer entsetzlichen Gefahr, die den Menschen und Äckern seiner Heimat durch einen großen Wald- und Heidebrand droht, findet Andres Verlaten zu seinem Volk zurück. Wie Hans Peter Kromm opfert er sein Leben und legt die Erfüllung der Aufgabe, der er sich in seinem Unglau ben verschloß, in die Hand des Sohnes, der bei dem toten Haupt seines Vaters schwört: »Auch mir soll -dieser Boden heilig sein, diese Ostlanderde, und meines Vaters Vaterland soll meines sein. Deutsch will ich mit euch leben und, muß es sein, dafür zu sterben wissen.« Es geht der Dichterin darum, zu zeigen, daß der Ring des Schicksals und des Lebens sich wieder geschlossen hat. Alle empfin den von neuem »die Süße und Kraft dieser Heimat wie nie zuvor«. Und das ist schließlich das Thema dieser beiden Romane von Johanna Wolfs: »Vaterland, das ist etwas, und Volk,- das sind wir alle.« Aus dem Mal der Schande, das Andres Verlaten bauen wollte, wird ein Ehrenmal für Deutschland. Die Verbundenheit mit Gott, die Verbundenheit von Mensch zu Mensch, die Verpflichtung zur Lebensleistung und die aus tiefer Erdkraft gewonnene, alle Schwierigkeiten und Widerstände über windende innere Heiterkeit des Herzens -werden besonders schön deutlich in einigen anderen epischen Arbeiten, die die große Selbst darstellung und die beiden deutschen Schicksalsromane begleiten und umrahmen. Es -wären zu nennen der Novellenband »Schwiegermütter«, die Legenden »Der liebe Gott auf Urlaub« und die von der Dichterin »Lebensstücke« genann ten Berichte und Darstellungen »Frauen zwischen gestern und heute«. Dazu kamen in neuerer Zeit die »heitere Han seatengeschichte« »Wir bleiben jung-, die Erzählung »Das Wunderbare« (eine Geschichte von Seelen und Geigen) und die Erzählung »Der Fi sch Pastor« (aus dem Merkbüchlein des Pfarrers Ulrich Drossel). Die Erzählung »Das Wunderbare«, in der uns die Dichterin Menschen aus dem sächsischen Musik winkel begegnen läßt, ist eine neue Variation zu dem Hauptthema der Johanna Wolfs: Lebensbewährung. Es ist Nicht einfach, mit den herben Menschen dieses Buches zusammenzufinden, aber es lohnt sich, mit ihnen umzugehen, denn auch sie verkörpern in der Art und Weise, wie sie mit den Schwierigkeiten des Lebens und des eigenen Wesens fertig zu werden wissen, ein wesenhaftes Stück deutscher Bolksart. Das gilt ähnlich von dem Pfarrer Ulrich Drossel, dessen Aufzeichnungen in der Erzählung »Der Fischpastor enthalten sind. Ulrich Drossel wirkt in einem armen Fischerdorf an der Ostseeküste, ohne doch in eine rechte Verbindung mit den Menschen seiner Gemeinde zu kommen. Als sich ihm die Möglich keit, in eine Industriestadt versetzt zu werden, bietet, greift er zu. Hier hat er Gelegenheit, die sozialen Bedrängnisse kennenzu lernen, in denen die Arbeiter seiner Gemeinde leben. Der Kampf um ihr Inneres und der Kamps um seinen Sohn, der dem Vater gar nicht gleicht und ein rechter Wasser- und Fischmensch wird, 877
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder