Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.10.1937
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- 1937-10-09
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- 09.10.1937
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Romane, und anderseits, daß überhaupt anstelle des Zeitungs romans Bücher gekauft und gelesen würden. Es ist selbstverständ lich, daß auch das Sortiment den Zeitungsromanlefer lieber als Bücherkäufer sähe. So geht der Buchhändler mit zwiespältigen Gefühlen an den Zeitungsroman heran, und vielleicht verstärkt es seine Abneigung noch, wenn er dieZahltzn hört, die sich mit dem Zeitungsroman verbinden und zur Erkenntnis seines Wesens unentbehrlich sind. Die deutschen Tageszeitungen haben eine Gesamtauflage von rund sechzehn Millionen. Auf jedes Zeitungsstück kann man erfahrungs gemäß drei Leser rechnen. Nimmt man an, daß von diesen drei Lesern je einer den Zeitungsroman liest, so heißt das, daß der Zeitungsroman eine tägliche Leserzahl von sechzehn Millionen hat — das Zwanzigfache der täglichen Besucherzahl des Kinos, lind auch im Vergleich mit der Kundenzahl des Buchhandels stellen diese sechzehn Millionen eine ungeheuer große Einfluß sphäre dar. Und bedenkt man weiter, daß fünfundneunzig Zei tungen eine Auflage von über 30008 Stück aufweisen, so bedeutet das, daß fünfundneunzig Romane mehr als 30 000 Auflage (und bis zu 450 000!) erreichen. Und das nicht nur einmal, sondern dreizehnmal im Jahr, denn int Durchschnitt veröffentlicht jede Zeitung dreizehn verschiedene Romane im Jahr. 1235 Romane erreichen also eine Mindestauslage von 30 000 - wieviele Bücher können ein so günstiges Ergebnis aufweiscn! Und nun ist es ja so, daß ein Zeitungsroman nicht nur in einer Zeitung erscheint, sondern durch verschiedene Blätter geht. So erreichte z. B. Karl Unselts »Arzt aus Leidenschaft« allein in vier verschiedenen Zei tungen (und das waren nicht die einzigen, in denen er erschien) eine Auflage von rund 600 000, 370 000 Leser fand in vier Zei tungen Höckers Roman »Die reizendste Frau — außer Johanna-, und zu 630 000 Lesern sprach in drei Zeitungen Hedda Lindner mit dem Roman »Der vergessene Bruder-. Die unbestreitbare Machtstellung des Zeitungsromans wird aus sol chen Zahlen deutlich. Er ist es wert, daß sich auch der Buchhändler mit ihm befaßt. Tenn der rechte Buchhändler soll ja nicht nur seine Bücher an den Mann bringen, sondern zugleich so etwas wie der Lesearzt des Menschen sein, ihnen gesunde Lesekost verschreiben und sie von schädlicher fernhalten. Und es ist durchaus nicht damit getan, den Zeitungsroman grundsätzlich zu verdammen, sondern die Aufgabe ist, denen den Weg vom Zeitungsroman zum Buch zu weisen, die imstande sind, ihn zu gehen und zugleich den Zeitungsroman aus eine im Verhältnis zum Buch kulturpolitisch angemessene Ebene zu stellen. Keinesfalls hat es Sinn, auf die Beseitigung des Romans aus der Zeitung hinzuarbeiten — und das ist vom Buch handel auch nicht beabsichtigt —, denn es ist grundsätzlich ein wert voller Zug des Zeitungsromans, daß er ständig eine große Zahl von Menschen mit dein schönen Schrifttum in Berührung bringt. Wie er diese Aufgabe im einzelnen erfüllt, kommt vorläufig erst in zweiter Linie in Frage. Nnd es liegen im Zeitungsroman so starke erzieherische Möglichkeiten, da er die denkbar größte Öffent lichkeit anspricht und wohl der meistgelesene Teil der Zeitung ist, daß man ihn sich auch gerade im Blick auf seine künftige Gestaltung nicht fortdenken mag. Was im Leitartikel ungelesen bleibt, kann in, Zeitungsroman von allen Lesern ausgenommen und innerlich verarbeitet werden. Das heißt aber auch, der Zeitungsroman darf nicht in erster Linie von literarischen Gesichtspunkten aus betrach tet (und dann oft verurteilt) werden, sondern er ist anzusehen als Teil der Zeitung und damit als Teil ihrer publizistischen Führungsaufgabe. Und in dieser Hinsicht wird mancher Buch händler sein Urteil über den Zeitungsroman berichtigen müssen. Er hat andere Gesetze als der Buchroman und dementsprechend auch oft ein anderes Aussehen, und es ist durchaus nicht gesagt, daß der dichterisch wertvolle Roman nun in der Zeitung neben Gerichtsberichten, neuesten Nachrichten und Börsenkursen am rechten Platz wäre. Die notwendige Hebung des Zeitungsromans ist gewiß nicht davon abhängig, in welchem Umfang dichterisch zu nennende Romane in der Zeitung erscheinen. Vielmehr soll der Zeitungsroman in erster Linie unterhalten, aber zugleich seinem Leser etwas'mitgcbcn, das ihn in irgendeiner Weise innerlich be reichert. Er soll den Geist der Zeit atmen und in seinem Sinne arbeiten. Das ist noch Zukunftsmusik, und was dem Buchhändler am Zeitungsroman von heute auffällt, ist der literarische Son derbereich, den er sich geschaffen hat. Es gibt eine Anzahl von Autoren, die vorwiegend oder ausschließlich ihre Romane für die Zeitung, d. h. also meist für einen Romanvertrieb, schreiben. Wenn auch ihre Arbeiten zuweilen außerdem noch in Buchform erscheinen, so geht die Richtung ihres Schaffens doch auf die Zeitung, und man hört es nicht selten, daß diese Schriftsteller in ihrem Leserkreis durchaus ein Ansehen und einen Namen als Dichter genießen. Die Worte, mit denen die Zeitung den Roman als »wertvoll« oder »gin bleibender Teil unserer Literatur- oder »sein Verfasser gehört zu den führenden Mänern des deutschen Schrifttums- einführt, tun ein übriges, um diesen Eindruck zu verstärken. Gegen solche übertriebenen Lobesworte Stellung zu nehmen, läge durchaus in der Hand des Buchhändlers, der ja schließlich zu seinem Teil das wirklich wertvolle deutsche Schrift tum betreut und einer solchen Verzerrung des literarischen Bildes Widerstand entgegensetzen muß. Um ein gerechtes Verhältnis zwischen Zeitungsroman und Buch zu schaffen, ist es notwendig, Klarheit über ihre Unterschiede zu gewinnen. Gewiß läßt sich der Zeitungsromanlefer von heute nicht ohne weiteres zum Buchlcser von morgen machen. Denn der Leseanspruch, den das Buch stellt, ist erheblich größer. Das betrifft nicht allein die stärkeren Anforderungen, die das Buch in geistiger Hinsicht zu stellen Pflegt. Nein, es ist für den Leser ein großer Vorzug, daß er den Zeitungsroman in Raten, in Fortsetzungen also, aufnehmen kann. Das Buch mit seinen zweihundert, drei hundert oder mehr Seiten steht vor dem ungewohnten Leser wie eine Aufgabe, und es fällt viel leichter, täglich nur die eine kurze Fortsetzung zu genießen. Es kommt hinzu, daß der Zeitungsroman als zeitungseigenes Merkmal eine starke Lebendigkeit mitbringt, die in einem Übermaß an Handlung, die in keiner Fortsetzung fehlt, und einer Vorherrschaft des beinahe dramatischen Gesprächs zum Ausdruck kommt. Der Buchroman als wirklich episches Werk enthält dagegen viel mehr Schilderungen, die sich natürlich schwerer lesen und im Fall einer Landschaftsschilderung etwa die Handlung oft nicht vorwärts führen. Gewiß treffen die Merkmale des Zeitungsromans in wesentlichen Punkten auch für den als Buch erscheinenden Unterhaltungsroman zu, aber ihm gilt ja auch nur in gewissem Umfang die Beschäftigung des Buchhändlers. Er will nicht dem im Kiosk schon genug verbreiteten Unterhaltungsroman oberflächlicher Art neue Leser gewinnen, sondern das gute Buch fördern. Und damit steht er vor einer schweren Aufgabe. Denn bereits der Zeitungsroman ist ein Gebiet, das sich allen Anderungs- und Verbesserungsabsichten bisher erfolgreich ver schlossen hat, und zwar mit dem ständig erneuten Hinweis auf den Publikumsgeschmack, der keine Änderung dulde. Nur so ist es erklärlich, daß der Zeitungsroman gewissermaßen das Nie mandsland im erfolgreichen Kampf um die Neugestaltung des deutschen Schrifttums ist und daß sich hier ein sichtbarer Wandel seit 1933 nicht vollzogen hat. In diese zähe, beharrliche Masse ein- zudringsn, ist für den Buchhändler keine Kleinigkeit, und es ist daher für ihn selbstverständlich, daß er sich in stärkstem Umfang für eine Hebung des Zeitungsromans einsetzt, die zugleich bewirkt, daß die Kluft zwischen Zeitungsroman und Buch kleiner wird. DreiForderungcn sind es, die heute an den Zeitungsroman gestellt werden müssen: eine logische Handlung, lebensnahe Pro bleme und stilistische Klarheit, über die Voraussetzungen im ein zelnen zu sprechen, liegt auf einer anderen Ebene. Das Ziel ist, den Zeitungsroman auf eine Höhe zu bringen, die dem sauberen Untcrhaltungsroman von heute entspricht. Unter diesen Voraus setzungen wird der Buchhändler den Leser des Zeitungsromans zu betrachten haben. Daß jeder Zeitungsroman, auch der heutige, zum Buch zu führen imstande ist, läßt sich am ehesten daraus schließen, daß häufig bei Romanen, die in der Leserschaft Anklang finden, Anfragen bei der Zeitung einlaufen, ob der Roman in Buchform vorliege — sei es, daß man ihn in -dieser festen Form immer zur Hand haben oder bei passender Gelegenheit verschenken will. Es ist nicht uninteressant, daß einzelne Romanvertriebe mit der Tatsache der Buchausgabe für den Abdruck des Romans bei der Zeitung werben, indem sic der Zeitung verrechnen, daß sie am Verkauf der Buchausgabe prozentual beteiligt wird und auf diese 804
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