besonderen Aufgabe unserer Dichtung. Es wird auch manchem Leser, der kein Berufslescr ist, so gehen. Der Berufslescr aus echter Leidenschaft und jeder Mittler, ob Verleger, Buchhändler oder Besprecher, der seine Aufgabe als Kulturdicnst an seinem Volke auffaßt, wird niemals das Lesen als einen Zwang empfinden, sondern immer als eine freiwillig übernommene Aufgabe, mit der er so sehr im strömenden. immer wechselnden Leben steht, daß er, wenn er sich nur die innere Bereitschaft zur Aufnahme neuer Kräfte und Formen erhält, nicht erlahmt, sondern nach jedem Buch mit derselben Freude greift und mit der Hoffnung, nicht eine sensationelle Entdeckung zu machen, auf die die Rezensenten der libcralisti- schen Zeit aus waren, sondern ein Werk zu finden, das seine Aufgabe in unserem Volke erfüllt. Verleger und Buch Lin erfundenes Gespräch Von Dr. Herbert Georg Göpferk, Vcrlagslektor jungen Dichter zusammen. Soeben hat man dem Verleger ein Buch gebracht, das er dem Dichter übergibt. Dichter: Das erste gedruckte Buch von mir . Sie haben den Mut gehabt, es herauszugeben, nachdem es jahrelang er folglos von Verlag zu Verlag gewandert ist. Und nun möchte ich Ihnen wünschen, daß das Wagnis nicht umsonst war, daß das Buch auch Ihnen ein wenig Erfolg bringt. Würde es Ihnen etwas bedeuten, wenn ich Sie bäte, dieses erste Stück als ein Zeichen meiner Dankbarkeit von mir anzunehmen? Verleger: Ich darf Ihr Geschenk nicht zurückweisen, denn ich kann seinen Wert ermessen: so lassen Sie eS mich als ein Unterpfand einer hoffentlich recht langen und wirkungsvollen gemeinsamen Verbundenheit annehmcn. Und Sie wissen ja, wie ich zu Ihnen stehe. Der Verleger schlägt das Buch auf und überstiegt leise die ersten Worte. Dichter: Ahr Verständnis macht mich glücklich. Aber nun legen Sie das Buch fort. Ich will mir nichts cinbilden. Ach bat Sie eigentlich nur meinetwegen, ich mußte dieses Geschenk brin gen. WaS kann eS Ahnen schon bedeuten ... Wie viele Bücher wie vieler Dichter gehen jährlich durch Ihre Hände, und wie viele Jahre verlegen Sie schon Bücher! Verleger: Sic irren sich. Man könnte zwar glauben, ein Buch sei für einen Verleger allmählich eine reichlich prosaische Sache geworden: eine Sache der Herstellung, des Verkaufs, etwas Kommerzielles und Materielles, ein Gegenstand auS Papier mit Druckerschwärze, in dieses oder jenes Leinen gebunden, ein Ding, das einen Preis hat, Geld gekostet hat und nun - wieder Geld cinbringcn soll. Aber eS ist mir selbst manchmal wunderbar: wenn ich ein neues Buch aufschlage, und ich habe cs doch vorher im Manuskript gelesen und habe - Sie wissen es ja - dies und jenes zu ändern gewünscht, und habe es nochmals gelesen und manchmal ein drittes Mal durchgcar- beitet, und habe die Schrift gewählt und das Format und habe den Einband begutachtet und ein paar Begleitworte dazu ge schrieben - wenn das Buch dann da ist, und ich schlage eS auf: immer wieder steht eS als etwas Eigenes, ja fast als etwas Neues vor mir, als ein Lebendiges, das Kräfte in sich birgt und sic nun auSscnden will, auch zu mir; und nicht selten geschieht cs, daß mich das Buch dann packt und zum Lesen zwingt, ob gleich ich eS doch eigentlich schon zu kennen meinte. Es ist wirklich eine seltsame Sache... Dichter: Es ist wohl die immer geheimnisvolle Gestaltwer dung des Geistes, die hier wirkt. WaS ist der Geist, sei er Dich tung oder schöpferisch wissenschaftliche Erkenntnis, ohne das Gewand des Buches, des lesbaren Wortes. Dabei muß ich freilich daran denken, daß die Werke früherer Völker, der Ägypter, der Griechen, der Römer ja ohne Druck, nur ge schrieben auf unS gekommen sind. So groß die WirkungS- möglichkcit dcü Druckes auch ist, er ist doch gewissermaßen in der Gestaltwerdung des Geistes ein Mittel zweiter Hand. Schon liegt auf ihm Segen und Fluch der Maschine! Und ... Verleger: Sie zögern! Ich weiß, was Sie sagen wollen! Verleger als ausgeprägten Beruf gibt cü erst seit Erfindung des Drucks. Der Verleger ist gewissermaßen auch ei» Produkt der Maschine. Dichter: Zum Teil haben Sie wohl recht-, der Maschine und unseres spezialisierten Wirtschaftslebens, das eine Schci- 4. 27