unnachsichtlicher Strenge. Ja sie schüchterte selbst die Sanitärer ein, wenn sie faul herumstanden oder sich gar während der Dienststunden zu einem Spielchen Muschkatt zurückziehen wollten. Wir liebten sie nicht, die Schwester Agathe, aber wir beugten uns willig ihrer jahrzehntealten Erfahrung. Und ich besonders erstarrte in Ehrfurcht vor diesem Himmelswunder an Ordnung und Genauigkeit... Im April 191z sah ich Rühne in Feldgrau. Er war sichtlich erhoben und bewegt. Seine Uniform saß sauber und prall wie bei einem Zinnsoldaten. Wir gaben uns die Hand. „Wann geht es fort?" fragte ich. „Morgen, Magna." Ich suchte nach einem Wort, nach irgendeinem Geleitwort der Jungfrau an den scheidenden Krieger. „Leben Sie wohl!" sagte ich. „Kommen Sie wieder!" „Wünschen Sie es sich, Magna?SollichIhnenwiederkommen?"drängteer. Ich nickte. Wenn es ihn glücklich machte, den Vaterlandsverteidiger, wenn es ihm vielleicht Anlaß gab, sein Leben nicht mutwillig aufs Spiel zu setzen — warum sollte ich nicht nicken? Warum sollte ich diese letzte Stunde mir Wirklichkeiten trüben, die ich das Träumen so gut begriff! Ich versprach Rühne, ihm zu schreiben, ihm mein Bild zu schicken. So wie man Liebes gaben verspricht, ohne an Liebe zu denken, nur die Gaben und die vater ländische Verpflichtung im Auge. Ich ging auf meinen Schlafschrchen den Flur entlang nach Saal drei. Da öffnete sich vorsichtig eine der Türen. Ich fuhr wachsam herum. Einer, der schon einige Wochen lang mir schwerer Schulterverletzung im ^use war, stand auf der Schwelle. Ob ich nicht ein Schlafmittel hätte, er könne nicht zur Ruhe kommen. . „ Haben Sie Schmerzen, Herr Beratus?" Er drückte die Tür ins Schloß lind stand nun neben mir im Schein der roten Lämpchen mit seinen zerwühlten Haaren und überwachen Augen. „Ach, haben Sie jetzt die Nachtwache, Schwester Magna?" fragte ec und schien sich darüber 6 zu freuen. „Darum habe ich Sie so lange nicht im Verbandzimmer gesehen! Ich fürchtete schon, Sie seien auf Urlaub.— Schmerzen? Nein, kaum. Ich kann eben nicht schlafen." „Wollen Sie's nicht noch einmal versuchen?" riet ich. „Bis hundert zählen, an ein wogendes Kornfeld denken ..." Er lachte und sah mich an: „Da müssen Sie schon mit stärkeren Beschwö rungen kommen, Schwesterchen. Ich habe im Feldlazarett, in den ersten Tagen nach meiner Verwundung, schlafen können wie ein Stein. Nach jeder Mahlzeit, jedem Verbandwechsel. Dies ist nun wohl der Rückschlag... Ich kann nicht wieder zu Bett, der Reuter neben mir sägt zu entsetzlich. Wenn Sie meinen Anzug entschuldigen wollen und nicht sehr viel zu tun baben, setze ich mich etwas zu Ihnen, Schwester." ... ... Beratus sah mich mit seinen klugen grauen Augen unverwandt an. „Sie glauben gar nicht", sagte er nach einer Weile ernsthaft, „was es für unsereinen bedeutet, nach solchen Monaten, wie ich sie hinter nur habe, diesen Frieden zu atmen, mit dem Duft aus den Tannen, neben einer stillen Frau zu sitzen, die nicht rennt und schafft und ein Stück Krieg ist, wie wir alle..." „Oho", warf ich ein, „ich habe Nachtwache und bin nur zur Hälfte bei Ihnen." „Nehmen Sie mir doch nicht meine Illusionen, Schwester Magna. Sie sitzen hier und kleben Christbaumschmuck— wenn das keine Friedensarbeir ist! Die Front liegt so weit. Wollen Sie mir einmal Ihre Hand geben? So eine schmale Hand, die Fingerspitzen voller Blattgold und ein Geruch nach Kleister und guter Seife..." „ ... und Kresollösung." „Unsinn. Sehen Sie: draußen im Graben ist das Leben keinen Pfifferling wert. Hier lernt man allmählich wieder daran glauben!" verwundet?" „Ende Oktober. Es wird weiß Gott Zeit, daß ich wieder zu meinen Leuten komme, diese Untätigkeit ist gräßlich." ... ... Beratus hob den Kopf. Mit seiner gesunden Hand hatte er ein Häufchen feiner Goldfäden auf meinem Tisch durch und durch gewühlt und lächelte, als ich sie leise zwischen seinen Fingern hervorzog und über der Tischkante glättete. „Nun kleben Sie weiter und erzählen Sie mir von sich, Schwester Magna."