„Du weißt nickr mehr? Za, lieber Himmel, seid ihr denn so aus unserer Art geschlagen, daß euch die Gefühle anderer durch die Hände rinnen wie Scheide münze? Wie Senta es treibt, das weißt du ja selber. Und nun du! Meine kleine Magna, die mir immer die Liebste lind Nächste von meinen Töchtern war. Du sagst ab und zu, lockst und stößt von dir, wie ein Mädchen ohne Herz und Seele?" Ich ließ den Kopf sinken. „Du mußt nun selber wissen, was du tust", sagte mein Vater und strich mir über die Schulter. „Wir zwingen dich nicht. Aber die Achtung vor deinem Wort allerdings, die möchte ich gerne behalten dürfen!" x- Kriegstrauung! Kriegstrauung mit Alfred Rühne. Mir drängte sich förmlich auf, was für Maria Glück und Lösung gewesen wäre! Eine Woche später ging ich Schwester Agathe um Urlaub an. Sie zog die dünnen Augenbrauen boch: „Jetzt, mitten im Hochbetrieb, Schwester Magna? Das kann Ihr Ernst nicht sein." „Es ist leider bitterer Ernst", sagte ich. „Ich will nämlich heiraten." „Ssso", machte Agathe, und es klang, als wenn eineSichel durch hartesGra s schneidet. „Schade um Sie!" Ich wurde rot vor Freude über das Lob, das sie mir damit erteilte. Schwester Agathe steht bei meinem Eintritt nicht auf, aber sie bierer nur den Stuhl neben ihrem Schreibtisch an und sieht lange prüfend in mein Gesicht, als gälte es, irgendwelche letzten Entschlüsse zu fassen. „Sie wissen, daß ich fortgche, Schwester Magna?" „Ja. Und es tut mir sehr leid", sage ich aufrichtig. habe heute die Weisung bekommen, ein Genesungsheim im Westen zu übernehmen, wollen Sic mich begleiten?" Mir bleibt einen Augenblick der Atem fort. Ob— ich sie— begleiten will? Lieber Himmel!! Mit einer Handbcwegung hält Agathe Dank und Freude auf meinen Lippen zurück. Sie hat ja recht. Die ernste Zeit gibt keinen Anlaß zur Freude— und es wäre wahrhaftig für die ganze Welt besser, wenn es keine Genesungsheime zu geben brauchte. Mich erfüllt auch weniger die Lust am Neuen als die Genug tuung über das Werturteil meiner Person, das in Agathes Wahl liegt. .Auf geputzten Dilettantismus' nannte Alfred meine Arbeit. Nun gut: ich dilettiere mit Vorliebe und mit Erfolg, mein Lieber! Der Flockenfall hatte nicht aufgehöct. Man sah nicht die Hand vor Augen. Meine Ohren brannten, der eisige Wind fuhr mir in die Röcke und benahm mü den Atem, so daß ich^geblendet den Kopf beiseite wenden und mich treiben lasseil mußte. So, behindert und durchschüttelt, gelangte ich zum Wagen, zu Jacques und Stefan, der in tiefer Vermummung beiseite stand und meinen Koffer nahm. Der Wagen war nicht leer— es saß schon jemand darin, irgend jemand in Feldgrau und Pelz, der mir hineinhalf und die Decke über uns beide breitete, so gut es ging. Das Vorwärtskommen hatte seine Schmierigkeiten, man war genötigt, sich blinzelnd verzerrten Gesichtes, von der Windrichtung krampfhaft abgewandr, Stefans Zügelführung und Jacques' erprobter Ortskenntnis zu überbissen. Worte fielen nicht... ... Aber dann schimmerte Licht durch die Finsternis. Dann hielt der Wagen. Wir schälten uns aus unseren Hüllen und standen stampfend und uns schüttelnd m der Halle. Ich schlug mir den Schnee aus Haaren und Kleidern und fühlte die Schickt auf meinem verklammren Gesicht schmelzen. Madame Menard und Suzanne waren mir Ausrufen des Bedauerns und hilfreichen Händen um uns bemüht. Ich griff nach einem Zipfel von Eäciles weißer Schürze, um mir lachend die Augen auszuwischen, und sah nun das Halbprofil meines Begleiters, das von Frost und Unwillen gerötet im Licht des kleinen Lüsters stand. Mantel und Jacke blieben in Madames Händen, als ick, noch ganz atemlos, auf ihn zuging: „Beratus!" Beratus fuhr herum, wortlos stand er mir gegenüber, während der Schnee unter unseren Stiefeln zu tauen begann. Nie habe ick eine solche bell aufleuchtende Freude in den Augen eines Menschen gesehen ... N