Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.07.1940
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1940-07-18
- Erscheinungsdatum
- 18.07.1940
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19400718
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-194007185
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19400718
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1940
- Monat1940-07
- Tag1940-07-18
- Monat1940-07
- Jahr1940
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Dazu kommt nun aber die weitere Frage, ob der Aviso von 1609 überhaupt die älteste Zeitung sei. Fischer hatte trotz der — nunmehr als irrig erkannten — Verweisung des Aviso von 1609 nach Helmstedt den Ruhm, Erscheinungsort der ältesten Zeitung ge wesen zu sein, für Augsburg retten wollen, unter Berufung auf eine Denkschrift von 1690, die von einem »ordinari gedruckten« Zei tungs-Buch sprach, das hundert Jahre früher in Augsburg erschienen sei. Auch hier sind sich die Gutachter nicht ganz einig. Darin, daß die Ausführ«ngen Fischers sehr anfechtbar sind und daß jenes »Zei tungsbuch« nichts mit dem Aviso von 1609 zu tun haben könne, stimmen sie überein. Nuppel kommt aber zu dem Schluß (S. 78), daß darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen sei; es müßten bessere Beweise als bisher für dessen periodischen Charakter geliefert wer den. Ähnlich auch Heizler (S. 38). Der Aviso von 1609 hat aber einen Altersrivalen auch noch in der Straßburger »Relation«, von der ebenfalls ein Jahrgang 1609 vorliegt. Und dieser hat eine Vor rede, in der es heißt: »Demnach durch die Gnade des Allerhöchsten wir abermal ein neues Jahr antreten und ich in Ausfertigung der oi-ckinarii avisa, wie nun etlich Jahr beschehen, so gewiß ich die haben und bekommen mag, zu continuieren vermittels göttlicher Gnaden bedacht...« Daraus ist schon früher geschlossen worden, daß der Jahrgang 1609 der Relation nicht ihr erster und daß sie deshalb älter als der Aviso sei, für den entsprechende Merkmale früheren Erscheinens nicht vorliegen. Die fünf Gutachter gehen gleichwohl übereinstimmend von der Annahme aus, es sei zu vermuten, daß der Aviso doch etwa schon 1605 zu erscheinen begonnen habe (S. 61), während sie ausdrücklich ein früheres Erscheinen der Relation ab lehnen, sodaß der Aviso weiterhin als die älteste gedruckte Zeitung zu gelten hätte. Die entscheidende Nolle spielt dabei die Tatsache, daß die Relation von 1609 ein Vorwort hat, »das man nach dem Brauch der Zeit nur an der Spitze einer Neuerscheinung erwartet«, wie behauptet wird, weiter schließend: »Ist aber die Relation von 1609 eine Neuerscheinung, so muß das, was Joh. Carolus fortsetzen wollte, etwas anderes als eine periodisch gedruckte Zeitung (wie es die Relation von 1609 ganz offenbar ist) gewesen sein (S. 72).« Und umgekehrt heißt es: »Wir dürfen vermuten, daß der Jahrgang 1609 nicht der älteste Jahrgang des Aviso war und daß also schon vor 1609 wenigstens ein Jahrgang, vielleicht aber auch mehrere Jahr gänge des Aviso erschienen waren, von denen der erste Jahrgang das vermutete Vorwort enthielt« (S. 73). Diese Konstruktion ist ab wegig. Die Meßrelationen sind der schlagende Beweis, daß gerade auch Fortsetzungen periodischer Veröffentlichungen Vorreden erhiel ten. Wer die Anrede an den Leser in der Relation von 1609 unvor eingenommen liest, muß zugeben, daß hier, wo überdies die ganze Titelgestaltung unverkennbar an das Vorbild der Meßrelationen an- knüpft, ebenso verfahren ist. Den Übergang von der Verbreitung geschriebener Zeitungen zum Druck, den die Gutachter annehmen, wird der Druckerverleger natürlicherweise niemals als »continuieren wie bisher etliche Jahre beschehen« bezeichnen. Man verstand sich damals durchaus zutreffend auszudrücken. »Ausfertigen« erinnert im übrigen ausdrücklich an das hundertfach nachgewiesene »im Druck ausfertigen«. Der Anlaß zu der Vorrede ist außerdem völlig ein deutig mit dem Hinweis auf den Beginn des neuen Jahres gekenn zeichnet; es bedarf also gar keiner besonderen Ausdeutung mit dem angeblichen Übergang vom Schreiben zum Druck. Carolus hat 1604 den Jobinschen Verlag in Straßburg übernommen, der wiederholt Einzelzeitungen herausgebracht hat (s. Weller); man kann also ver muten, daß er seitdem zur periodischen Veröffentlichung fortgeschritten war, was dann eben 1609 schon etliche Jahre lang geschah. Daß der Aviso von 1609 kein Vorwort hat, kann einfach daran liegen, daß es nicht erhalten geblieben ist. Daß er eins gehabt haben müßte, wenn er eine Neuerscheinung war, ist durch nichts zu erweisen, ebenso wenig, daß er eins in einem angeblichen früheren ersten Jahrgang wirklich gehabt habe. Die Tatsache, daß er erst Mitte Januar mit der Nummer 1 einsetzt und es infolgedessen nur auf 50 Nummern im Jahrgang gebracht hat, läßt umgekehrt eher darauf schließen, daß er nicht ein älteres, womöglich schon Jahre bestehendes Unternehmen fortsetzte — weshalb sollten dann die beiden ersten Wochen des neuen Jahrgangs ausgefallen sein? —, sondern in der Tat erst mit seiner Nummer 1 völlig neu einsetzte. Ist also zweifelsohne die Straßburger Relation älter als der Aviso, so wäre damit doch nur die Frage nach der ältesten gedruckt vorliegenden Wochenzeitung entschieden, nicht die nach der ältesten gedruckten Zeitung schlechthin. Wenn der zweite Gutachter (S. 26) sehr bestimmt erklärt, es sei »Zeitung im allgemeinen Sprach gebrauch, der unangefochten gilt, eine mindestens einmal wöchentlich, periodisch also, erscheinende Druckschrift«, so ist das eine petitio prineipii. Das kann man allenfalls vom heutigen Standpunkt aus gelten lassen. Historische Erscheinungen wollen aber aus sich heraus verstanden und bestimmt sein. Zeitung im ursprünglichen Sinn ist nach unangefochtenem wissenschaftlichen Sprachgebrauch Einzelbericht, Einzelnachricht. Im neuzeitlichen Sinn dagegen ist Zeitung ein publi zistisches Unternehmen zur Sammlung, Bearbeitung und periodischen Veröffentlichung von Nachrichten und verwandtem Stoff. Von wann an Zeitung in diesem Sinn besteht, gilt es zu ermitteln und zu bestimmen. Dabei ist die Periodizität nur e i n Entscheidungsmerkmal neben der Kollektivität und Publizität, und es ist sehr fraglich, ob nur eine Art der Periodizität, nämlich die wöchentliche, ausschlag gebend sein kann, wenn die andern beiden Merkmale und Periodizität andrer Art vorliegcn. Die Entwicklung von der ursprünglichen Ein- zelzeitung zur Zeitung im neuzeitlichen Sinn läßt sich deutlich von Schritt zu Schritt verfolgen. Die gedruckte Einzelzeitung wurde Gegenstand des Buchhandels auf der Messe. Daraus ergab sich als weitere buchhänblcrische Unternehmung die Herausgabe von Zusam menstellungen solcher Einzelzeitungen, wie sie auf der Messe er standen worden waren. Ein frühes Beispiel dafür aus dem Jahr 1566 von Samuel Apiarius aus Basel bei Weller, Die ersten deut schen Zeitungen Nr. 295. Bei Neuauflagen von Einzelberichten über Geschehnisse, die sich weiter entwickelten, wurden später neu hinzu kommende Nachrichten eingearbeitet. Daraus entstanden Serienzei tungen. Beispiele bei Schöne, Die Frühformen der periodischen Presse (Archiv für Buchgewerbe Jahrg. 74). Wo sich dieses Verfahren des zunehmenden Umfangs wegen verbot, bot die Veranstaltung von Nummernfolgen einen Ausweg. In beiden Fällen kam es zu fort laufender Numerierung der zusammenhängenden Blätter, gelegent lich auch schon zur Beibehaltung einer einheitlichen Bezeichnung. Gleichzeitig trat an die Stelle des Abdrucks der Berichte in extenso die Anfertigung von Auszügen, gekürzten Übersetzungen usw. Der Schritt vom ausführlichen Bericht zur kurzen Nachricht, der die ge schriebenen Zeitungen ebenfalls kennzeichnet, gestattete die Zusam menfassung umfangreicheren Stoffs auch verschiedener Herkunft in einer Ausgabe, jene Kollektivität, die später die Bezeichnung Ga- zette-Potpouri raccolta di chiacchieri für diese Art Zeitungen rechtfertigte und nahelegte. Der Drang zur Aktualität bei rascherem Anfall der Nachrichten dank Verbesserung und Be schleunigung des Postverkehrs und stärkerer politischer Bewegt heit vermehrt die Veranstaltung dieser Veröffentlichungen. Da für viele Geschehnisse mehrfache Berichte Vorlagen, erwuchs für die Zusammenstellungen die schriftstellerische Aufgabe der Aus wahl zur Ausschließung von Wiederholungen, der Ausmerzung von Widersprüchen und der Ordnung nach der zeitlichen Folge, dem sachlichen Zusammenhang und der geographischen Gruppie rung. Mit allem dem waren die Merkmale der Kollektivität und der redaktionellen Gestaltung im Sinne der neuzeitlichen Zeitung bereits erfüllt. Die Publizität war mit der Drucklegung gewährleistet. Die Periodizität war mit der Kontinuität der Veranstaltung über längere Zeiträume angebahnt, aber zunächst nicht streng und gleichbleibend rhythmisiert. Hier machten die Meßrelationen den Anfang mit dem halbjährlichen Intervall. Es wurde fortschreitend verkürzt. Aus dem Jahr 1592 liegen zwei aneinander anschließende Zeitungen vor, von denen die erste die Nachrichten von zwei, die nächste die von einem Monat zusammenfaßte. Sie stammen nicht uninteressanterweise aus Straßburg. Auf einer tschechischen Zeitung von 1597 ist die aus diesem Jahr stammende Anweisung Kaiser Rudolf II. erhalten, daß »gewisse Buchdrucker alles das, was in einem Monat hie und da vorfiele, ordentlich alle Monat auf einmal, nicht mehr aber in ein zelnen Zeitungsblättern liefern möchten«. 1602 spricht Jakob Frey in der Vorrede zu seiner Calendarii Historici Continuatio von vielen Scribenten, die seit 1595 in ihren historischen Beschreibungen — als solche nimmt die Zeit die periodischen Druckschriften »keine andere Mühe und Fleiß angewendet, als daß sie ihre einkommene Zeitungen, so sie wöchentlich von den Handelsleuten zur Hand bringen — mit kaufmännischen und nicht jedermann bekannten Stile von Wort zu Wort, n^ie die Kaufleute solche einander zuzuschreiben pflegen —, in Druck kommen, ja auch das Notwendigste und Gedenk würdigste oftmals Heraußen lassen, indem sie allein dahin sehen, wie sie dieselbigen auf wenig Karten bringen und um ein geringes Geld geben, auch in desto größerer Summa vertreiben mögen, dcro- halben, da sie vermeinen ihre gewöhnliche Anzahl der zehn oder zwölf Karten erfüllet zu haben, brechen sie aus angezeigten Ur sachen ab und verstümmeln also ihre Historien.« Um 1600 also gab es bereits gedruckte Wochenzeitungen, wie auch andere Quellen be stätigen, nicht erst 1609, allerdings noch nicht für ganze Jahrgänge durchgehalten; das ist vielleicht erst 1609 erreicht worden, nachdem der erfolglos auseinandergegangene Reichstag von 1608, an dem gerade Städte wie Straßburg und Braunschweig stärker interessiert waren, das Bedürfnis nach Publizität gesteigert hatte. Alter aber ist die Monatszeitung, die unbedingt ebenfalls Zeitung im neuzeit lichen Sinne ist. Und in diesen Zusammenhang gehört nun das 1597 in Norschach am Bodensee bei Leonhart Straub gedruckte »Annus Nr. 165 Donnerstag, den 18. Juli 1940 267
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder