Heinrich Kersch stell» v°c: Er ist sicher schon mal bei Ibnen gewesen, dieser Mann, Sie haben ihn gesehen und gehört, Straßen- sängcr oder Fensterputzer; j,n Schwimmbad ergötzte er Sie als Artist (in besseren Zeiten als Salon- Lquilibrist), er tauchte in Ihrem Lokal als Zauberkünstler auf oder ging als fremder Leidtragender beim Begräbnis Ihrer Schwiegermutter. Sicher haben Sie ihn gesehen, denn er ist überall: ein rhei nischer Ullenspegel, der seine Jahre auf der Landstraße abgekloppt hat und zwischendurch seinen Iokus mit der Arbeit trieb. Sein Licblingsinstrumcnt ist der Tambourmajorstab, dann die Trommel. Wirbel ist sein Wesen, zuerst hat das Leben ihn herumgeklettert, daß ihm Hören und Sehen verging, und jetzt, zu Verstand (und Lhcweib) gekommen, wirbelt er mit allen Zuhörern. Er spricht sämtliche Sprachen deutscher Stände, hat in allen Gewerken als Autodidakt gelernt, von Beruf Installateur und Rohrleger, weil er so oft mctertief in der Lrde an Gas- und Wasseradern zu schaffen hatte, den Urgrund der Städte durchwühlte, hinuntergestiegen ist in die tiefen, tiefen Brunnen, darum hat die Lrde ihm dort unten ihre Geheimnisse zugeraunt, derweil ist er ein Dichter. Mehr über ihn zu sagen, ist unnötig, seine Geschichten sind Geschichten, sind Geschichten aus der Arbeit und von Arbeitern, mit der Selbstverständlichkeit erzählt, wie Rinder vom Weihnachtsmann berichten. Weil er seine Nerven noch nicht entdeckt hat, wartet er auf den Mann, der ihm das Gruseln bcibringen könnte. Trotz Tod und Teufel im Betrieb und Bau hat cs noch niemand fertig gebracht; aber ich bekomme das Gruseln, wenn ich seine Manuskripte durchlcse: genau so schreibt Rumpel Äalsschck in Oberschlesien und Äame- rad Henske aus Nowawes, ein unverdorbenes Deutsch mit so unverdorbenen Fehlern, wie sie ihm kein Deutschlehrer bcibringen kann: Prost Kumpel Nathes! Du sollst leben. SS50 Nr. 162 Sonnabend, den 17. Juli 1987