Literatur-Geschichtsschreibung, von welcher der „freundwillige Leser" den Führer zu den Schaßen erwartet, nach denen er fo heißes Verlangen trägt. Die Zahl der Nkethodcn und Rezepte von der neuen Theologie und Philo sophie bis zur Psychoanalyse, von den kunsigcschichtlichen Stiltheorien bis zur Soziologie und ökonomischen Gcschichks- theorie, nach denen sie abgehandelk wird, iß nicht mehr zu übersehen. Wie barmherzig und nützlich scheint cs da doch, daß man, diesen verwirrten und verwirrenden Zußand erkennend, rinn Führer bearbeitet hak, welche den Leser durch diesen Irrgarten der ihm zum Führer bestimmten Literaturgeschichten führen sollen. Dafür ist gewiß niemand verant wortlich zu machen, daß infolge der Schwierigkeit der Terminologien und der Knisslichkeit der zahlreichen Niethoden auch der gebildete Leser nun die Führer durch die literaturgeschichklichen Führer nicht verstehen kann, ohne Spezialist der Literaturwissenschaft zu sein! Es wird gewiß nicht mehr lange dauern, bis umsichtige Autoren und Verleger diese spürbare Lücke erkennen, und man wird uns Einführungen für den gebildeten Laien in die Führer durch die neuere Literatur- Geschichtsschreibung bescheren. So wird dann der Leser am Ende doch sicher zu den Autoren und Werken geleitet werden, die eine Antwort auf seine Not bercithalken - wenn er es erlebt: denn ach, der Weg ist lang, und kurz ist unser Leben! JDern er Niahrholz war einer der ersten, die diesen traurigen Zustand der Literatur-Geschichtsschreibung erkannten. 2n seinem Buche „Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft", zuerß 192g erschienen, heute in Kröners Taschen ausgaben neu aufgelegt, gab er in einer Geschichte der Literatur-Geschichtsschreibung von Goethe bis zur Gegenwart einen Führer, der zugleich verständlich und tiefgreifend iß. llnd er iß dabei nicht stehengeblieben, sondern hat in seiner „Deutschen Literatur der Gegenwart. Probleme, Ereignisse, Gestalten", nach seinem Tode neu bearbeitet und erweitert von Niap Wieser, das Neuster einer neueren Literaturgeschichte geliefert, die mit feinster Einfühlung in die künstlerischen und kulturellen Probleme ein tiefes Wissen um den Nienschen und seine Lebensnok verbindet. Die ungeheuer schnelle und weite Verbreitung dieses Buches hak gezeigt, wie dankbar die Leserschast dies Werk ausnahm, das weit von jeder Gesuchtheit und Überspitzung inNiethode und Darstellung ist, das Wesentliches klar vom Unwesentlichen scheidet, und keinen Namen, kein Buch erwähnt, ohne klare Stellungnahme zu seinem Wert und Wesen. Als mich der Sieben-Stäbe-Verlag neben andern damit betraute, diesem so wertvollen Buche eine „Weltliteratur der Gegenwart" in drei Bänden an die Seite zu stellen, waren wir uns der Schwere der Aufgabe voll bewußt. Auch hier galt es, das Lebendig-Wirksame, das Gespräch hcrauszuarbciten, das die Völker der europäischen Kultur- gemcinschast unter sich und miteinander führen, indem ße die Not, dag Leid und das Glück ihres Daseins geßalthask verdichtet aus sich Herausstellen, um sich selbß zu erkennen und anderen von ihrem Wesen Kundschaft und Rechenschaft zu geben. Wie in dem Ncahrholzschen Buche soll eine sorgfältige, aber wiederum das Bedeutsame auswählende Büchertasel dem Leser jede mögliche weitere Hilfe geben, zu seinem Buche zu kommen. Wieweit dieser Versuch, der sich zugleich an weiteste Leserschichken wendet, ohne Konzessionen im Niveau zu machen, und der auch in mancher anderen Hinßchk noch etwas gänzlich Neues darstellt, im ersten Anlauf geglückt ist, ßeht nicht bei uns selbß zu entscheiden. Die Kritik hat ihn ganz überwiegend sehr freundlich ausgenommen. Hossentlich kommende Neuauf lagen werden weiter aus dem Wege zum Ziel zu kommen suchen. Der Nutzen, den die beiden Werke nach Aussage des Buchhandels diesem bringen, nicht zuletzt auch in der Beratung der Käuscrschaft, läßt uns hosseu, daß sich Buchhandel und recht verstandene Volksbildung in dem hier näher gekennzeichneten Bemühen Seite an Seite in einem guten Kampfe behüben und ihn deshalb auch siegreich zu Ende führen werden. Nicht zuletzt wird es dann auch die Wissenschaft sein, die davon Vorteil hat: denn auch sie dient, wie wir alle, dem Leben. N«rIIn 17- 131