Ein unerhörtes Buch gilt es anzuzeigen*. Das Wort „Roman" steht unter dem Titel. Ich glaube nicht, daß das Buch ein Roman ist, jedenfalls nicht in der über lieferten Bedeutung, denn der Band hat mit Tradition nicht das mindeste zu tun. vielleicht aber ist gerade absichtlich die Bezeichnung unter den Barnen des Buchs gesetzt worden, weil man meinte, mit diesem Band beginne eine vollkommen neue Struktur des Romans. Das Buch des italienischen Dichters ist ein Epos. Lin Lpos des Meers, ein Lpopöe der Ozeane. Das Meer zerfetzt die alten Ordnungen des traditionellen Romans, es zerlegt die Einheit, den ununterbrochenen Fortgang, den Aufstieg der Handlung, die Kulmination und den Abstieg in eine Vielzahl kleiner Bor gänge, die sämtlich vom Meer geätzt sind. Bichl, daß sich darin eine Schwäche des Verfassers bekundete, im Gegenteil, die Szenen schießen in ein Gefüge zu sammen, das äußerst straff, melodiös und dramatisch ist. wie oft sind Schiffsfahrten beschrieben worden! Man erfuhr immer wieder das Leben der Passagiere, ihre Schicksale, ihre Torheiten, ihre Gewohnheiten. Oie Schiffe entarteten zu Sinnbildern des menschlichen Lebens, Auch der Film, mit seiner verschleißenden Art der Wiederholungen, bemächtigte sich dieser Fabel. Sie war recht bequem. Rossi berichtet nicht von den feinen paffagieren, er erzählt von der Mannschaft. Oer Kapitän, die Matrosen sind die Träger des Geschehens, wie sie lieben, wie sie arbeiten, wie ihr Leben nur der Wille und die Verwirklichung dieses Willens ist, dem Tod zu begegnen, das ist geschildert. Geschildert mit einer überwältigenden Gewalt. Rossi stellt das Männliche männlich dar, das Rohe roh, das Sentimentale sentimental. Er weicht nicht aus, er ist nicht feige. Anvergeßlich sind die Erinnerungen der Seeleute an ihre Abenteuer mit A-Booten, unvergeß lich sind die Walfischjagden, die Erlebnisse mit Haien. Büchterne Realität ist aus gebreitet, aber die Gestuftheit des wirklichen, die (Duelle, aus der sich das wirk liche speist, eben das Meer, entfesselt zugleich eine erhöhte Realität, also Poesie. ^Der ^Sand ist eine vollendete (Ddussee. Wolfgang wegrauch in der Oeutschen Allgemeinen Zeitung, Berlin 2306 Nr. 109 Dienstag, den 14. Mat 1940