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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.11.1921
- Strukturtyp
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- 1921-11-10
- Erscheinungsdatum
- 10.11.1921
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- Deutsch
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263, 10. November 1921. Redaktioneller Teil. vvrsenblau f. d. Dtschn. Buchhandel. »Du hast heute noch die ganze Welt offen, Du bist noch in keiner Weise gebunden, sollst Dich also in weitläufigen Compagnien nur dann binden, wenn das Einstehen Deiner Person ein Haupt- moincnt bei einem vorteilhaft bestehenden Unternehmen auch fiir die Dauer bildet. Riskante Unternehmungen aber darfst Du in Wien oder im Ausland nicht beginnen, da ist die Antäuskraft ent schwunden . . . denn dortige Verhältnisse haben, ihre eigenen Leute sattsam und einen anderen Maßstab.« Er empfiehlt dem Bruder, in dem Rundschreiben an das Publi kum bei Gründung des Geschäfts als die wichtigsten Grundsätze zu bezeichnen: »genauen Ausdruck der Anforderungen der Neuzeit im Hinblick auf die Verbreitung der Bildung, Hinweis auf die Notwendigkeit der Wechselwirkung zwischen Publikum und Buchhändler auf diesem Ge biete: das Gelöbnis würdiger und vielseitiger Pflege der reinen Wissenschaft«. Dabet läßt er aber auch den praktischen Gesichtspunkt nicht außer acht. »Es dreht sich eben alles« — sagt er — »um das alte Lied vom U6rvv8 rerum. Ich nehme das Geld nicht aus der alten Commode mit rostigem Schloß, sondern aus den feuerfesten Cassen mit gut- geölten Charniercn, die sich zwar sehr bereitwillig öffnen, die man aber stets bestrebt sein muß, mit gleicher Complaisance sich öffnen zu sehen. Darum Vorsicht, darum Erwägung, darum eircumspeetus«. Auch heute kann man sich keine anderen Ziele stecken, auch heute die wichtigste Aufgabe des Buchhandels nicht anders bezeichnen als damit, daß er berufen ist, die Kenntnisse und die Bildung in den weitesten Kreisen zu verbreiten. Bei Samuel Nevai ist dieses Pro gramm keine Phrase, sondern Lebensinhalt, ernsteste Wahrheit, Seelen bedürfnis. Er wacht ständig darüber, wie sich diejenigen bewähren, die er sich zu Mitarbeitern erkoren hat, immer wieder gibt er ihnen in seinen Briefen Ratschläge und Weisungen im Sinne dieses Pro gramms: Publizität, Aufrüttcln des Publikums aus seiner Indolenz, Inserieren, stetiges und ziclbewußtes Versenden von Prospekten, An schaffung und Sammlung von Adreßbüchern, Einbeziehung von Lese zirkeln, Gesellschaften, Kasinos und Klubs in den Interessentenkreis. Was er im Jahre 1870 in bezug auf die Bedienung der Kunden der Buchhandlungen geschrieben hat, ist auch für die heutige Generation lehrreich. »Jeder einzelne, der in unser Geschäft stolpert, muß so bedient werden, daß er ständige Kundschaft bleibt. Wir müssen streng darauf achten, seine Wünsche zu verstehen und zu erfüllen, müssen unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Befriedigung der Kunden kon zentrieren, ihre brieflichen Bestellungen mit der größten Beschleuni gung erledigen, denn nur so können wir sie ständig an uns binden, zu unseren treuen Freunden machen.« Er erkannte schon damals die Wichtigkeit der Kolportage und schrieb seinem Bruder darüber: »Stelle Du mal erst zwei bis drei tüchtige und solide Kol porteure an, die ordentlich und regelmäßig den Leuten die Sachen zu Haus und Hof zustellen, lasse Prospekte verteilen und abholen, und ich müßte überhaupt sehr schlecht urteilen, wenn daraus nicht ! mit der Zeit etwas Ansehnliches wird. Literatur ist nun einmal weder Käse noch eine Seidenmantille, welche Artikel im Laden ge sucht werden, und Pest und Ungarn sind viel zu groß und literatur- bedürftig, als daß bei zeitgemäßer Manipulation nicht die Arbeit von Erfolg gekrönt werden sollte.« Vor seinen Augen erscheint bereits die Möglichkeit einer groß- angelegten Propaganda, obzwar das Reisegeschäft zu jener Zeit noch ein unbekannter Begriff war. Er feuerte seinen Bruder fort während an, Lieferungswerke auf diese Art zu vertreiben, denn er sah in tüchtigen Kolporteuren die Pioniere des Vertriebs. Er schätzte auch schon den ganzen Wert der studierenden Jugend für den Buchhandel. Seinem Bruder legte er ans Herz, die Nniversitätshörer mit größtem Eifer, mit höchster Aufmerksamkeit für das Geschäft zu gewinnen, I denn sie werden unfern Ruhm in das Land hinaustragen und uns ! immer anhänglich sein«. k In unentwegter Befolgung seines Wahlspruchs »sich rühren und I tüchtig zugreifen« gibt er seinem Bruder seine Weisungen. Er selber I beobachtet, was die übrigen Buchhändler tun, und leitet aus seinen I Wahrnehmungen die Folgerungen ab: er beachtete mit größter Auf- I merksamkeit die Erscheinungen im öffentlichen Leben, die Parlameuts- I reden, das geradezu fieberhafte Nacheinander der Bewegungen auf I dem Gebiete des Schulwesens und der Entwicklung der Wissenschaft: I zu diesem Zwecke liest er die Zeitungen, sodaß ihm nichts ent- I gehen kann. I »Jene gute alte Zeit, auch im Buchhandel, wo man gemütlich I abwarten konnte, bis die Kundschaft etwas Neues suchen kam, ist Gott sei Dank vorüber; heute heißt's: sich rühren, gewaltig rühren und der Zeit entgegenkommen, das Bedürfnis wecken, und hierin geschieht meines Erachtens in Ungarn viel zu wenig, und bei dem Mangel an soliden Geschäften im Lande hat Pest die Mission, noch 20 Jahre das Land zu versorgen, zu bilden und literarische Be dürfnisse nicht allein zu befriedigen, sondern auch zu wecken. Drum so wie Du Dich nach gemachten Äußerungen in einem Bekannten kreis bewegst, weil dir dies Vorteile bietet oder verspricht, so sollst, ja mußt Du einen Kreis im Lande, feste Anhaltspunkte au vielen Orten zu gewinnen suchen und Mittel und Wege dazu wie die Biene überall heraussaugeu. Ein Hauptfaktor ist die Presse. Drum lies die Zeitungen! In jeder Tagcsnummer der politischen Zeitungen werden Na men und Orte, Personen und Kreise genannt, die für uns einen größeren oder geringeren Wert haben. Alle Daten zu notieren, an die richtige Stelle und Rangstufe als Kundenmaterial einzureihen, ist eine wichtige Aufgabe. Und daun mußt Du nicht alles allein machen. Pulszky sagte in seiner Rede, die weniger ins Landhaus als in einen Cercle paßte, daß manche Arbeiten im Museum jetzt von Gelehrten ver richtet werden, wozu ein einfacher Tagschreiber ausreichen würde. Gib Du die Direktion und laß die Leute arbeiten. Aber rührig, unermüdlich und mit Umsicht!« . . . »Ruhiges Sichgeheulasseu, Warten auf bessere Tage, Zu sehen und Spintisircu ist nicht für unsere Zeit, nicht für unsere Verhältnisse. ,Alle Mannen voran' ist die Losung, und ein jeder muß seinen ganzen Mann stellen. Arbeit und Disposition, tätiges Eingreifen und rühriges Anordnen sind die unerläßlichen Grund pfeiler eines dem Gedeihen entgegenzuführenden Geschäfts. Momen tanes Aufwallen energischer Arbeitslust und bald darauf schlaffes Sichgehenlassen taugt gar nichts. Stetig muß der Geist arbeiten, stetig muß der Sinn auf das Nahe und Nächste, auf die Weiter führung, auf den Ausbau gerichtet sein, kein trübes Wetter, kein heftiger Sturm, keine Schwierigkeit darf zum Verzagen führen, der Bau mutz fertig werden, das ist die Parole, und der Besonnene arbeitet wohl nicht dem Sturm entgegen, aber doch trotz allem Sturme und allen Stürmen trotzend.« »Es ist dies eine kleine Anthologie von Phrasen, nicht wahr, es ist eine ganz extractmäßige, nur flüchtig hingeworfene Ähren lese meiner herkömmlichen Theorien, aber mein teurer Bruder, Du baust ohne Malter und Kitt kein Haus, und auch der Schreiner kann sich ohne Leim nicht behelfen.« »Arbeit, schwere, anstrengende, unverdrossene Arbeit, Lust an derselben, Vertrauen zu sich selbst, in die eigene Kraft, nimmer rastendes Schaffenwollen und unerschütterliches Festhalten an dem Geschaffenen, zähe, unwandelbare Ausdauer; dies sind die Anforde rungen unserer lange nicht mehr patriarchalischen, über den orien talisch gefärbten Marasmus unserer in schwerfälliger Trägheit und Phlegma ersterbenden Nation hinwegschreitenden Zeit.« .... »Unser Geschäft hat zum mindesten ebensoviel Existenz berechtigung als jedes andere am Platze, und wenn unseres nicht besser gedeiht, bei so manchen Vorteilen nicht mehr prosperiert als andere, so leidet cs an Fehlern in der Disposition, welche saniert werden können, und, wie ich glaube, auch müssen! Der Gärtner pflanzt an Stelle des vertrockneten abgestorbenen Baumes einen neuen; der Buchhändler gewinnt neue Kunden statt der Ausgedliebenen, pflegt und inartet sie, daß sie Früchte und Blüten seines angenehmen Verkehrs) bringen. Im inneren Ver kehr, in der Werkstätte, dem Geschäftslokal heiterer Ernst, Strenge mit Wohlwollen, kein gereiztes Wesen, keine Ungeduld, sondern Aus dauer und Ruhe m,d unermüdliche, nie leidenschaftliche Ermahnung und Anleitung, strenge Ordnung und Klarheit, Aufmunterung zu bienenmäßigem Fleiße und in erster Reihe eigene unermüdliche Tätigkeit. Pünktlichkeit, strengste Pünktlichkeit in Erfüllung von Verpflichtungen ist eben so ein Cardinalgrundsatz. Es soll nie mand Grund zu Klagen, niemand Grund zu Mißtrauen oder Zweifel haben, und wenn ich es-mit blutigem Kopfe sollte tragen müssen. Jede Rabulistik und Spitzfindigkeit, jede geringste Abweichung von dem klaren Wege des Rechts oder der Billigkeit hat schädliche Fol gen. Vertrauen verloren, alles verloren — gilt nach innen ebenso wie nach außen.« Die richtige Tatkraft und die Entschiedenheit des Willens ver einigten sich in Samuel Nevat mit hochstrebendem Idealismus, be wundernswertem Optimismus und der hehrsten Menschenliebe. Dcvbet war er von dem glühenden patriotischen Drange beseelt, seinem Vater lands auch in seinem Fache zu nützen und zur Erstarkung des un garischen Nationalgefllhls beizutragen. Als ich an der Leipziger Uni versität unvergeßliche Jahre verlebte, die Segnungen deutscher Wis senschaft und Kultur genoß, berichtete er mir freudig von der fort schreitenden Magyarisierung: 164S
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