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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.09.1876
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1876-09-13
- Erscheinungsdatum
- 13.09.1876
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- Deutsch
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3850 Nichtamtlicher Theil. cki§ 212, 13. September. so ist die Anzahl der Exemplare derselben meist viel geringer als bei den in andern Ländern, z. B. in England gedruckten.*) Die deutschen Auflagen sind sehr klein, und muß der Grund hiervon in der Unlust des deutschen Publicums gesucht werden, Bücher zu kaufen und namentlich Bücher, welche für praktische Zwecke nicht ab solut nöthig sind. Um diese Thatsache zu erläutern, wollen wir die große Anzahl der Dichtungswcrke betrachten. Wir haben zunächst zu constatiren, daß die Deutschen, obgleich sie Träumer und senti mentale Seelen genannt werden, durchaus nicht so viel von diesen Producten der Phantasie lesen, wie die Fremden gewöhnlich glauben. Die Ursachen dieser Gleichgültigkeit gegen Romane und Novellen sind verschiedener Art. In erster Linie steht die Ansicht, welche von würdigen alten Leuten gehegt wird, daß die Lectüre sentimentaler Bücher den Jünglingen und Jungfrauen Schaden bringt, eine Ansicht, welche dann und wann gerechtfertigt sein mag, jedoch nicht soweit ausgedehnt werden darf, alle belletristischen Werke zu ver bieten. Zweitens ist es Grundsatz bei vielen gebildeten Leuten, kein Buch zu lesen, welches nicht nützliche Zwecke verfolgt. Endlich, und dies ist nicht unwichtig, muß die Lebensweise in Deutschland in Betracht gezogen werden, indem das häusliche Leben dort ein ganz anderes ist, alsin England. Eines Deutschen Haus ist keineswegs seine Burg — er theilt es oft mit drei, vier oder noch mehr Familien, welche einander mehr oder weniger fremd gcgenüber- stehen. Da der ihm zugetheilte Raum seinen Bedürfnissen nicht genügt, so sieht er sich veranlaßt, einen großen Theil seiner Zeit außer dem Hause zuzubringen. Diese Lebensweise tritt am ausgesprochensten im Süden hervor. In ganz Deutschland wird der kleine Geschäfts mann selten ein Buch lesen; das Geschäft mit seinen kleinlichen Sorgen absorbirt seine ganze Aufmerksamkeit, so daß er keine Zeit für solche Dinge findet, während er in seinen Mußestunden seine Wohnung verläßt, um in das Wirthshaus zu gehen, welches, an Bequemlichkeit den englichcn Wirthshäusern weit überlegen und folglich auch eine viel größere Anziehungskraft ausübend, seinen täg lichen Zufluchtsort für 3, 4 oder noch mehr Stunden bildet. Hier findet er die Gesellschaft, welche ihm am besten zusagt, das Local blatt, welches ihn mit dem nöthigen Material zu einer Discusston über alle Gegenstände seines Gesichtskreises versieht, und wenn er Novellen lesen will, so findet er in dem Feuilleton desselben eine Erzählung, welche seinen Anforderungen in dieser Richtung ent spricht. Seine Frau und Töchter halten eine jener billigen illustrirten Zeitschriften, von welchen später die Rede sein wird. Die Handwerker und die ganze Classe der Hähern Arbeiter sind verhältnißmäßig fleißige und eifrige Leser von Belletristik und kaufen oft Bücher, welche für ihr Geschäft von Nutzen sind. Die Mittclclassen sind zum größten Theil recht gute Leser, doch herrschen hier die Damen vor, wie dies auch bei den höheren Ständen der Fall ist. Die Damen aller Classcn sind die besten Beschützerinnen der Dichtkunst, obgleich auch sie weniger lesen als ein Fremder von den Landsmänninnen eines Richter, Wieland, Schiller, Goethe, Treck rc. erwarten sollte. Es gibt Tausende von wohlsituirten deutschen Familien, welche die Werke ihrer größten Dichter nicht besitzen. Man glaube nicht, daß dieser Umstand aus einer Gleichgültigkeit gegen die Dichtkunst enlspringt; der Grund ist ein viel einfacherer: Abneigung, Geld auszugeben. Selbst die Werke eines sehr guten Schriftstellers werden wenig vom Publicum gekauft, so daß die Produkte von Hackländer, Heyse, Freytag, Spielhagen und Gutzkow — ohne Zweifel die berühm- Sind Auflagen von 20,ovo Exemplaren, wie sie z. B. „Das Buch vom gesunden und kranken Menschen" von Oe. Bock erlebt hat, klein zu nennen im Vergleich mit den Auflagen ausländischer Bücher? testen und populärsten Novellenschriststeller in Deutschland — hauptsächlich von den Leihbibliotheken abhängen; ebenso ist es eine Thatsache, daß deutsche Verleger an den Werken der besten Roman schriftsteller Geld verloren haben. Ein Erfolg, wie ihn Dickens, Thackeray oder Bulwer in pecuniärer Beziehung erzielt haben, ist in Deutschland einfach unmöglich. Es dürste selten genug Vor kommen, daß ein Schriftsteller auch nur ein bescheidenes Vermögen erwirbt. Der höchste Betrag, welcher einem hochstehenden Schrift steller bezahlt wird, ist etwa 750 L. pro Band, aber solche Fälle sind so selten, daß sie nicht mitzählen.*) Wenn ein geschickter junger Autor 150 L. pro Band erhält, so ist er sehr glücklich; für gewöhnlich wird er weit weniger bekom men. Die Auflage von dem ersten Werke eines Schriftstellers ist klein; im besten Falle vielleicht 500 Exemplare, wovon vielleicht 300 oder noch weniger verkauft werden. Was für ein Honorar der Autor unter solchen Umständen erhält, ist leicht zu errathen. Man darf die Verleger deshalb nicht tadeln. Ihr Risico ist nicht unbe deutend, wenn sie es wagen, einen neuen Namen vor die Oeffeut- lichkeit zu bringen. Da der Absatz so gering ist, so müssen sie einen hohen Preis, wenigstens nach deutschen Begriffen, für das Werk for dern, d. i. etwa 3 Shill. bis 4 Shill. 6 Pence Pro Band. „Warum verkaufen sie nicht billiger und machen eine größere Auflage?" wird man fragen. Weil der billigere Preis keinen we sentlichen Unterschied im Absatz macht, nur wenige Exemplare wür den mehr verkauft werden. Der Fehler liegt, wie man sehen wird, an den wohlhabenderen Leuten, die eine große Angst haben, daß sie ihr Geld nicht etwa für unnütze Dinge ausgeben. Wie weit diese Sparsamkeit bei manchen Leuten geht, zeigt folgende Thatsache. Ein reicher Mann wollte seine Verehrung einem ihm befreundeten berühmten deutschen Dichter beweisen und lud diesen zu einem Diner ein, welches er ihm zu Ehren veranstaltet hatte. Es war eine große Menge Personen anwesend, Alle Bewunderer des Herrn N. Als das Essen vorüber war, ersuchten mehrere Gäste, welche sich in einer poetischen Stimmung befanden, Herrn N. auf das inständigste, einige seiner Gedichte vorzulesen. Nach den üblichen Einwendungen er klärte sich dieser hierzu bereit. Während die poetischen Gäste Herrn N. mit Bitten bestürmen, geräth der Wirth in eine nicht geringe Verlegenheit, als man nach den Gedichten N.'s fragt. Ach! der reiche Mann hat nicht einmal ein Exemplar von den Gedichten sei nes theuren Freundes gekauft! Große Bestürzung unter der Gesellschaft und manches unter drückte Lachen. Jedoch der Wirth weiß sich zu helfen. Er schickt seinen Bedienten fort, um das Buch zu holen. Aber wohin glaubt man wohl, daß er den Man» schickt? Nicht zum Buchhändler, son dern zur Leihbibliothek! Man denke sich die Empfindung des armen Dichters, als er den schmutzigen abgegriffenen Band in die Hand nimmt. Es muß hinzugefügt werden, daß in Deutschland Niemand eine solche Handlungsweise schäbig findet, weil man diese Art von Sparsamkeit gewöhnt ist, denn holt nicht Jeder seine Lectüre aus der Leihbibliothek, sowohl die Prinzessin wie die Nätherin? Nach diesen Bemerkungen über das Nichtkaufen von Büchern will ich noch Einiges über deutsche illustrirte Zeitschriften sagen. Die Leser derselben gehören allen Gesellschaftsklassen an, indem für jeden Geschmack sich Etwas findet. Zu den hervorragendsten Zeit schriften dieser Art gehören ohne Zweifel die von der Firma Eduard Hallberger in Stuttgart herausgegebenen. Zuerst kommt „lieber *> Auch aus der deutschen Schriststellerwelt können Fälle von höch stem pecuniär-n Erfolg registrirt werden. Abgesehen von den glänzen den Ersolgen eines Heyse, Auerbach, Spielhagei, und Frchtag, erwähnen wir nur, um einen uns nahe liegenden Fall anzusühren, daß Marlitt kürzlich in einem Jahre für neue Auflagen ihrer älteren Erzählungen die Summe von gs,000 M. erhalten hat.
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