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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1900
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- 1900-05-03
- Erscheinungsdatum
- 03.05.1900
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101, 3. Mai 1900. Nichtamtlicher Teilt 3411 Die Rechtsprechung und die Rückwirkung des neuen Rechts. Es konnte vorausgesehen werden und ist auch vor dem Inkrafttreten der neuen Kodifikationen mehrfach hervor gehoben worden, daß die größte Wahrscheinlichkeit dafür spreche, die Rechtsprechung werde bestrebt sein, das neue Recht auf ältere Thatumstände und Vorkommnisse innerhalb weitester Grenzen anzuwenden, soweit dies irgend möglich ist, ohne den reichsgesetzlich anerkannten Grundsatz der Nicht rückwirkung zu verletzen. Das ist denn auch bereits ge schehen und zwar in Ansehung von Bestimmungen, die für den gesamten Handelsverkehr von besonderer Wichtigkeit sind. So hat man zunächst die Frage, ob für ältere Schuld verhältnisse die Verzugszinsen des neuen oder des alten Rechts gefordert werden können, seitens der Rechtsprechung zu gunsten des neuen Rechts bejaht. Die Versuche der Theorie, diese Ansicht als eine irrige hinzustellen, haben keinen Erfolg gehabt, das Reichsgericht hat die Frage ebenfalls zu gunsten der Anwendbarkeit des neuen Rechts bejaht, und zwar selbst unter der Voraussetzung, daß der Verzug schon vor dem 1. Januar l. I. eingetreten ist.*) Nach dem Grund sätze Oauosllarius iooutus rss twits, ist für die Praxis die Streitfrage damit aus der Welt geschafft. Diese hat auch für den Buchhandel und insbesondere für die Verlags buchhändler bei der Abwickelung ihrer früheren Geschäfte mit den Sortimentern eine gewisse Bedeutung. Zu demselben Ergebnis ist die Rechtsprechung bezüglich der Frage gelangt, ob eine vor dem 1. Januar 1900 ver einbart gewesene, aber erst nach diesem Tage verwirkte Ver tragsstrafe dem neuen Ermäßigungsrecht des Richters unter liegt. Bekanntlich giebt tz 343 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Richter die Befugnis, auf Antrag des Schuldners eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen. Die bisherige Rechtsprechung ist der Meinung, daß von dieser Befugnis auch gegenüber den vor dem 1. Januar vereinbarten Strafen Gebrauch gemacht werden kann, weil diese auf einer im öffentlichen Interesse erlassenen Vorschrift beruhe; sie erblickt in dieser Rechtsaus legung keineswegs eine Durchbrechung oder Nichtanerkennung des Grundsatzes, der die Rückwirkung ausschließt, ob mit Recht oder Unrecht kann dahingestellt bleiben. Das Reichs gericht hat sich freilich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt; allein man geht schwerlich fehl, wenn man aus seiner Stellung nahme zu der Zinsfrage den Schluß zieht, daß es auch hierbei die Anwendbarkeit des neuen Rechts aussprechen werde. Die Entscheidung dieser Frage ist für das praktische Leben von größter Wichtigkeit; denn es handelt sich ja hierbei nicht nur um Vertragsstrafen, die zur Sicherung einer Kon kurrenzklausel mit Handlungs- und Gewerbegehilfen ver einbart worden sind, sondern auch um alle anderen, also z. B. Vertragsstrafen zur Sicherung eines Lieferungstermins, ferner aber um Vertragsstrafen zur Erzwingung eines be stimmten Verhältnisses u. dgl. m. Die Vertragsstrafen, deren sich der auf Abzahlung verkaufende Buchhändler be diente, um den Käufer zu der pünktlichen Einhaltung der vereinbarten Zahlungstermine zu veranlassen, unterlagen schon bisher in Gemäßheit des Reichsgesetzes über die Ab zahlungsgeschäfte dem Ermäßigungsrecht der Richter, so daß bezüglich ihrer irgend eine Neuerung nicht eingetreten ist. Es giebt aber auch, abgesehen von den im Buchhandel üblichen Abzahlungsverkäufen, zahlreiche Fälle, in denen von der Vertragsstrafe Gebrauch gemacht wurde, und bezüglich aller dieser Fälle greift Z 343 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Platz. Wir haben also, wenn auch vielleicht nicht in sol ch Vgl. auch Börsenblatt Nr. 99. melier, so doch in materieller Hinsicht, eine Beurteilung älterer Vertragsverhältnisse nach den Vorschriften des neuen Rechts, ungeachtet der Bestimmung des Einführungsgesetzes zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch, daß auf die vor dem 1. Januar ent standenen Schuldverhältnisse das zur Zeit ihrer Entstehung geltende Recht Anwendung findet. Wie bezüglich dieser beiden Vorschriften, wird es auch in Ansehung anderer gehen; in allen Fällen, in denen in dem neuen Recht eine Bestimmung Anerkennung gefunden hat, die als die Verkörperung einer modernen Rechtsüber zeugung, einer modernen Sittlichkeitsauffassung zu betrachten ist, ivird man bestrebt sein, das ältere Rechtsverhältnis nach dem neuen Recht zu beurteilen. Die thatsächliche Ueber- leitung der älteren Rechtszustände in den neuen Rechtszustand wird also viel rascher vor sich gehen, wenigstens auf dem Gebiete des den Handel vor allem interessierenden Rechts der Schuldverhältnisse, als man vielfach angenommen hat, und die Absterbeperiode des alten Rechts dürfte bei weitem kürzer sein, als geglaubt wurde. Die Rechtsprechung ist gegenüber dem Grundsatz der Nichtrückwirkung nicht allzu ängstlich, sie weiß sich mit ihm abzufinden, auch wenn der formalistischen Auslegung ein anderes Ergebnis entsprechen würde. Hierüber haben die vier Monate, die seit dem Inkrafttreten des Bürger lichen Gesetzbuches ins Land gegangen sind, ein genügendes Material beigebracht. Man wird aus dieser auch psychologisch höchst bemerkens werten Stellung der Rechtsprechung auch für andere Gesetze eine nicht wertlose Lehre ziehen können, beispielsweise für die Anwendung des in Vorbereitung begriffenen neuen Urheber- und Verlagsrechts auf ältere Verträge und Rechtshandlungen. Vielleicht giebt diese Rechtsprechung Anlaß, noch in den bezüg lichen Uebergangsbestimmungen des ersterwähnten Gesetzes in diesem oder jenem Punkt eine gewisse Aenderung vorzunehmen, damit für später eine Auslegung verhütet wird, die den bei Erlaß des Gesetzes gehegten Intentionen nicht ganz ent sprechen würde. Es wird seiner Zeit, wenn der Entwurf dem Reichstag vorliegen wird, sich noch Gelegenheit finden, hierauf in detaillierterer Form zurückzukommen. Kleine Mitteilungen. Prozeß Faulhaber in Schwäbisch Hall. — Der Prozeß gegen Pfarrer Hermann Faulhaber, den Gründer der -Buch handlung für innere Mission- in Schwäbisch Hall, der vom 18.—25. April währte, hat für den deutschen Buchhandel ein her vorragendes Interesse. Das Urteil des Landgerichts Hall lautete, wie hier schon mitgeteilt wurde, gegen Pfarrer Hermann Faul haber wegen eines Vergehens des einfachen Bankrotts und vier Vergehen des vollendeten Betrugs aus eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, gegen dessen Geschäftsleiter Buch händler Walter Herwig, wegen vier Vergehen des vollendeten und eines Vergehens des versuchten Betrugs auf eine Gefängnisstrafe von einem Jahr, wobei fünf Monate Untersuchungshaft einzu rechnen sind. Pfarrer Faulhaber kam im Jahre 1886 von dem Landorte Lippoldsweiler nach Hall und begründete hier das Diakonissen haus. Um letzteres finanziell zu unterstützen, begann er, ohne Betriebskapital, eine Reihe von Jndustrieen aus dem Boden wachsen zu lassen, wie die Fabrikation und den Vertrieb von Drahtbörsen, Beschlägen, Patentartikeln, z. B. von Kaminschutz hauben, und insbesondere auch eine Verlags- und Sortiments buchhandlung. Die Zahlungsverbindlichkeitcn wuchsen dadurch ins ungeheuere, bis im vorigen Jahre die Katastrophe eintrat. Bei dem Konkurse verlieren die nicht bevorrechtigten Gläubiger 494168 Die Gesamtschulden beliefen sich auf über 800000 Die finanzielle Lage Faulhabers war schon im Jahre 1896 eine sehr schlimme, denn es waren in diesem Jahre sechzig Wechsel im Gesamtbeträge von 53000 ^ protestiert worden. Mit einer zün denden Rednergabe und mit faszinierendem Wesen begabt, hat Faulhaber es jedoch fertig gebracht, nicht nur von vermögenden Witfrauen, sondern auch von vielen Pfarrern und sogar von Dienstboten immer wieder weitere Darlehen zu erhalten. Die Wege, die dabei sowohl er, wie sein Sekretär Herwig einschlugen, waren derart verwerflich, daß sie als vollendete Betrugshand lungen gestraft werden mußten. Der Mangel an Wahrheitsliebe 457*
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