Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.12.1936
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- 1936-12-24
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- 24.12.1936
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Börsenblatt fllr öen Deutschen Buchhandel Nietzsche führten uns kurz an einige wesentliche philosophische Er scheinungen des vorigen Jahrhunderts heran.« »vr. Beer machte uns dann im Laufe der Woche von der Ebene der Literaturgeschichte her mit der Dichtung und dem Schrifttum des 19. Jahrhunderts bekannt. Zuerst betrachteten wir den historischen Roman und seine verschiedenen Erscheinungsformen im allgemeinen und im Ablauf des 19. Jahrhunderts.« »Auf ähnliche Weise be trachteten wir auch die Landschaftsdichtung, vertieften vor allen Dingen das Wissen um diese Dichtunyserscheinung, setzten Heimat dichtung und Mundartdichtung davon ab und erkannten, wie der große Zusammenhang aller Dichtformen einer Landschaft, vom Sprichwort bis zur höchsten Kunstform, ganz neu gesehen wird. Fllr alle Formen gilt das gleiche Gesetz der Bewährung vor der ureigenen Existenz einer Landschaft. Wir betrachteten dann die Dichter der ein zelnen Landschaften und vergaßen auch diejenigen nicht, für die die Weile der Welt Landschaft' war, die die Sachwalter der Fernsucht, die im Volk steckt, waren, wie Eyth, Gerstäcker und Postl (Seals- fieldj.« »Bei der Betrachtung der Erziehungs-, Entwicklungs- und Btl- dungsromane fragten wir uns, welchen Wert die Beschäftigung mit der Dichtung des 19. Jahrhunderts heute noch haben kann. Denn die Goethesche Bildungswelt ist ebenso wie die Kellers und Stifters und anderer heute nicht mehr oder doch nur in beschränkter Weise ver bindlich für uns. Trotzdem ist es durchaus fruchtbar, daß wir uns mit der geistigen Wertwelt dieses Jahrhunderts vertraut machen: die Weisheit vergangener Zeiten ist uns in den großen Dichtungen zu gänglich. Wenn wir die Bildungswelt unserer Tage wirklich aus formen wollen, können wir die Schau der Vergangenheit nicht ent behren, wenngleich wir uns auch hüten müssen, etwa den Martin Salander' in das 20. Jahrhundert übersetzen zu wollen.« »Die allgemeinen literarischen Darstellungen wurden durch die ausführliche gründliche Behandlung einzelner wesentlicher Bücher des vorigen Jahrhunderts ergänzt. Zehn bestimmende Dichtungen waren vor der Freizeit von uns gelesen worden und mußten auch nach Wahl schriftlich beurteilt werden. Es waren Bücher von Bren tano, Droste-Hülshoff, Gottfried Keller, Ludwig, Meyer, Mörike, Naabe, Stifter, Storm. Soweit die Teilnehmer bei ihrer Haus aufgabe' nicht schon beglückende Entdeckungen gemacht hatten (Raabe und Stifter hatten besonders begeistert), brachte uns vr. Beer diese Bücher überzeugend nahe, sie uns erschließend und vielleicht vor handene Hemmungen und Mißverständnisse wegräumend, sodaß diese Dichtungen wie viele andere besprochene Bücher des 19. Jahrhunderts völlig entstaubt und in einer ungekannten Frische und nahen Leben digkeit vor uns erstanden.« »Nachzutragen ist noch, daß während einer Arbeitsgemeinschaft über alte und neue Klassiker-Ausgaben gesprochen wurde, besonders über die Neu-Ausgabe des Bibliographischen Instituts und über die Verkaussmöglichkeiten dieser Lese-Ausgaben der Klassiker.« »Der Inhalt eines Buches ist von der Sprache nicht zu trennen, aber es war ein glücklicher Gedanke der Freizeitleitung, jede dieser beiden Fragen durch einen anderen Referenten behandeln zu lassen. Professor Roede meyer von der Universität Frankfurt/Main war für die sprachlich-dichterische Seite des Schrifttums zuständig'. Er versuchte, uns die ,Ohren aufzuknöpfen' und wir haben wohl alle gemerkt, wie nötig das ist und wieviel tiefer wir ein Werk verstehen durch ein bessexes Hinhören auf die Feinheiten und Ausdrucksmög lichkeiten der deutschen Sprache. Vom Atem als der Einheit und dem Wunder des Lebens ging es aus, und das Wort Stifters aus dem ,Witiko' über das Glück und das Streben nach dem Ganzen, das vr. Beer seiner Arbeit vorangestellt hatte, wandte auch Professor Noedemeyer für seine Betrachtungen an. Er lenkte unseren Blick immer wieder auf das lebendige Ganze des Menschen, einer Land schaft, eines Volkes. Beglückend war die Erkenntnis, die Professor Noedemeyer ans seinen Beobachtungen und Erfahrungen gewonnen hatte, daß eine ganz innige Wechselbeziehung zwischen Form und Charakter einer Landschaft und der darin wohnenden Menschen und ihren sprachlichen Äußerungen bestände. Auf Märchen und die schöpfe rische Sprachgestaltung des Volkes wurde hingewiesen, und ,dah Kunst die Aufgabe habe, die Kunst vergessen zu machen'. Am stärksten in den Bann geschlagen hat uns Professor Noedemeyer wohl, als er seine Theorie praktisch anwandte und uns an einem Abend ,Die Chronik von Grieshuus' von Storm vorlas.« »Auch aus unserem Kreis heraus wurde der Wunsch laut, sich praktisch im Vorlesen zu üben und fünf ganz verschiedene Teilnehmer der Freizeit brachten uns Proben der Literatur zu Gehör. In frei mütiger Offenheit ging Professor Noedemeyer später auf die Arten dieses Vorlesens ein.« »Da ab Donnerstag der österreichische Dichter Franz Nabl bei uns weilte, hatten wir die Freude, Gestalt und Werk eines uns bisher ziemlich unbekannten Dichters beieinander zu sehen. Am ersten Abend seiner Anwesenheit erzählte uns Nabl in teils lustiger, teils 1120 ernster Weise von süddeutscher Mundartdichtung und brach dabei eine Lanze für den steirischen Dichter-Arzt Hans Kloepfer, von dem er einige — begeisternde — mundartliche Gedichte vortrug.« »An einem anderen Abend fuhren wir alle in einem von der Kurverwaltung Diez/Lahn zur Verfügung gestellten Autobus nach Diez, um dort den Kurgästen einen Literarischen Abend zu gestalten.« »vr. Beer hatte den Abend mit sinngebenden Worten eingeleitet. Mit einem Lied zu Beginn und am Schluß versuchten wir Freizeit-Teil nehmer, die Vorlesungen mittätig einzufassen.« »Wir hörten hier zum ersten Male ,unseren Dichter' ein eigenes Werk, nämlich die Novelle ,Die Dogge' aus dem Novellenband ,Das Meteor' lesen, die uns durch warmherzige, feinsinnige Gestaltung sehr gefiel. Prof. Noedemeyer las noch einige Gedichte — aber das Kurpublikum war anscheinend auch schon zu literarisch .verwöhnt', um für diese .ollen Kamellen' den rechten Geschmack aufzubringen. Das ärgerte uns recht, aber es war der Zusammenstoß mit der Wirklichkeit, die von unserer Burggemeinschaft aus natürlich anders aussah. Für mich persönlich aber war das Schönste, was ich von Franz Nabl hörte, die noch unveröffentlichte Novelle, die uns der Dichter am letzten Tage vor der Abreise im Walde vorlas.« »vr. Kirchner, Frankfurt/Main, Gaureferent für das Schrift tum, war an einem Nachmittage unser Gast und sprach über »die NS.-Bewegung und die Pflege des deutschen Schrifttums«. Einige Mißverständnisse, die sich nach Schluß der Rede ergeben hatten, waren in der Aussprache, als sich Herr vr. Kirchner kameradschaftlich zu uns setzte, bald geklärt und die Ziele und Mittel der verschiedenen Institutionen zur Schrifttumspflege waren uns neu deutlich ge worden.« »Bei all dieser Arbeit, die je nach dem Wetter im Walde oder in unserm Saal stattfand, hatte sich inzwischen eine wirkliche Freizeit- Gemeinschaft gebildet. Die Referenten, unser Dichter und der Frei zeitleiter waren immer mitten im Kreis der Teilnehmer. Hans Köster hat in seiner Begrüßungs- und Schlußansprache kurz auf das Wesen und die besondere Art der buchhändlerischen Freizeiten, die sich im Laufe der Jahre geformt habe, hingewiesen und die Verpflichtung hervorgehoben, die auch wir jungen Buchhändler dem Werk des Füh rers gegenüber haben.« »In einem Rundgespräch ging Hans Köster auf die fachlichen und beruflichen Sorgen und Nöte der einzelnen Kameraden ein, die auf Befragen auch von den Möglichkeiten der Weiterbildung durch die Firmeninhaber und durch eigene Initiative erzählten.« »Am Sonnabend verließen wir unsere Burg, um eine schöne Autobusfahrt durch das Lahntal zum Rhein hinab zu machen. Dies mal war uns das Wetter hold, sodaß wir von der Loreley den Rhein im schönsten Sonnenschein sehen konnten.« »Am Abend kamen dann all die unterhaltenden Kräfte zu ihrem Recht, die schon tagelang vorher angefangen hatten, alle Teilnehmer anzudichten und sich sonst auf den kameradschaftlichen Abschlußabend vorzubereiten. Wir waren recht fröhlich zusammen — auch noch in der Keller-Küche der Burg —, aber am anderen Morgen, nach dem Abschlußrundgespräch, in dem auch Wünsche und Einwendungen laut wurden, gings ans Abschiednehmen«. »Es ging zu schnell vorbei, denn es war schön«, und »Hoffentlich auf Wiedersehen bei einer nächsten Freizeit«! »Zu gemeinsamer Arbeit waren junge Menschen aus verschie denen Gauen« zusammengekommen. Gemeinschaftsarbeit erfordert das schnelle Zustandekommen einer wirklichen Gemeinschaft und ernste Mitarbeit eines jeden einzelnen. Hiervon hängt das Gelingen jeder Freizeit ab. D)ie Gemeinschaft, so scheint es mir (der ich auch die vorjährige Rhein-Mainische Freizeit in Mettlach/Saar mitgemacht habe), hat sich auch diesmal wieder durch die bewährte Freizeit-Ord nung schnell gebildet. Gleicher Beruf und gleichgerichtete Interessen erleichtern das menschliche Sich-Näherkommen sehr. Rundgespräch, gemeinsames Singen und fröhliches Beisammensein haben auch bei unserer Freizeit bald den richtigen Kontakt hergestellt.« »Besonders fördernd und anregend für die Arbeit war das harmonische Zusam menarbeiten der Referenten. Dadurch wurde ein Nebeneinander von vorneherein unmöglich gemacht und das Arbeitsergebnis zu einem ab gerundeten Ganzen geformt. Das Jneinandergreifen, das das Typi sche dieser Freizeit war, wurde auch noch dadurch gefördert, daß nicht nur Buchhändler Gestalter und Mitarbeiter dieser Freizeit waten, sondern auch der Dichter, der Bibliothekar und der Sprachforscher ihren Teil zum gemeinsamen Ganzen gaben. Diese Gemeinsamkeit aller am gleichen Werk mußte dem einzelnen neue Kraft und neuen Mut geben zur Arbeit an seinem Platze, denn er weiß, daß er nicht allein dasteht und daß man von ihm erwartet, daß er seine Pflicht tut, damit das Ganze gelinge. Das war vielleicht der letzte Sinn der Freizeit, daß sie unseren Blick nach oben und nach unten weitete und uns lehrte, im kleinen das Große zu sehen.« Hans Köster.
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