Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.01.1937
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1937-01-07
- Erscheinungsdatum
- 07.01.1937
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19370107
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193701076
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19370107
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1937
- Monat1937-01
- Tag1937-01-07
- Monat1937-01
- Jahr1937
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
weise viel häufiger gelesen werden. Bei der Einzelausgabe der »Wahlverwandtschaften» kann man sich dagegen sogar recht gut vorstellen, wie heute ein Waschzettel dafür ausfallcn würde <»>die ewige Saga vom organischen Chemismus der Seele» etwa). Und ebenso unmittelbar würde der »Wilhelm Meister» wirken — aber da lassen uns schon sämtliche Neuausgaben im Stich, und es gibt meines Wissens keine Dünndruckausgabe in der Art der unzähligen Faustneudrucke. Es geht hier natürlich nicht nur um die Frage, ob dieses oder jenes Goethewerk mehr oder weniger gelesen wird. Sondern um das gesährdete Bewußtsein, daß wir Deutsche in einer Tradition leben, die einen Maßstab für alles Gegenwärtige bilden muß. Und diese Schwächung des Traditionsbewußtseins fühlen auch unzählige, die sich suchend und fragend an die Dich tung wenden. Sie haben das schmerzliche Empfinden, daß man sie mit einer Menge von Halbseitigem und Routiniertem über schüttet. Etwas stimmt da nicht: das bleibt ihr spontaner, im einzelnen noch gar nicht kritisch gemeinter Eindruck. Die einen stumpfen schließlich dagegen ab, und darüber verschwindet dann allmählich auch ihr Interesse für das Buch. In ihrer Unklarheit fordern sie statt dessen »Tatsachen», sic werden vielleicht Radio bastler oder Briefmarkensammler, und später wundert man sich bei irgendeinem zufälligen Anlaß nur, daß sie trotz ihrer Ver engung »früher mal» anscheinend recht viel gelesen haben. Da hilft dann allerdings auch keine »Woche des Buches» mehr. Andere finden sich dagegen nicht mit solchen Enttäuschungen ab — viel leicht besitzen sie von Natur ein engeres Verhältnis zur Sprache und suchen deshalb nach der Entfaltung dieser weiter wirkenden Krast. Sie blicken in die Vergangenheit, und wir hören dann von ihnen die bezeichnende, uns allen bekannte Frage: was kann man eigentlich von der älteren deutschen Dichtung heute noch lesen? Ja, was eigentlich? Es gibt Verzeichnisse; aber sie stellen alle mehr oder weniger folgerichtig bestimmte, abgeleitete Bil- dungsintercsfen, vor allem ästhetische, in den Vordergrund, während der Leser in jener Richtung die geistige Welt sucht, aus der seine eigene entspringt. Bor allem ist jedoch mit einer Auf zählung von Titeln praktisch überhaupt nicht geholfen, solange wir nicht auch jeweils eine Reuausgabe nennen können, die alle historischen Umwege ausschaltet und den geistigen Gehalt in der stärksten Vergegenwärtigung zur Geltung bringt. Fehlende Ausgaben. Diese Neuausgaben fehlen uns. Es ist heute viel leichter, die antike, die englische, französische und russische Dichtung in deutscher Sprache als Ganzheit auszunehmen, wenn man sich von einem Erfahrenen in dem llbersetzungschaos beraten läßt. Der deutschen Dichtung gegenüber bleiben jedoch alle Ratschläge nur Notbehelfe. Was der einzelne erlebt, wenn er vergeblich nach der schönen Geschenkausgabe einer weniger bekannten älteren Dichtung des 19. Jahrhundert sucht, das spiegelt die Situation im ganzen für jeden, der ein Bild der deutschen Tradition aufbauen will. Eines der sinnfälligsten Beispiele für das Übergewicht rein ästhetischer Wertungen sind die vielen Nooellcnsammlungen, die von Heyse bis Hofmannsthal herausgegebcn wurden; suchen wir dagegen nach drei oder vier Bänden, die das Profil der verschie denen Romantiker wiedergeben, weil jeder von ihnen eine Mög lichkeit des Deutschen repräsentiert, dann sind wir schon im Stich gelassen. Die schöne Sammlung Tieckscher Novellen, die einst Paul Ernst herausgab, ist längst verschollen. Grundsätzlich andere Ziele verfolgt das monumentale Sammelwerk »Deutsche Lite ratur in Entwicklungsreihen», an das man vielleicht denken könnte, und dennoch füllen einzelne Bände wie der Rokoko-Goethe eine Lücke aus, die nicht nur das literaturwissenschaftliche Arbeits- material angeht. Aber schon der Preis der Bände, die Auswahl im ganzen und auch manche Einzelheiten, die im Äußerlichen vor allem bei den Prosabändcn liegen, weisen auf die wissenschaftliche Bestimmung dieses höchst wertvollen Unternehmens hin. Das ist sein Vorzug und sein Nachteil gegenüber Kürschners National literatur, deren Linie in dieser Hinsicht vieldeutiger blieb, obwohl sie sich — wohl gemerkt: zu ihrer Zeit! — vielleicht mit einer größeren Bändczahl an einen breiten Leserkreis wandte, — aus Kosten ihrer wissenschaftlichen Brauchbarkeit, auch schon damals. Und heute, da die Literaturwissenschaft über ihre philologische Arbeit hinaus ihr eigenes Ideal exakter Forschung entwickelt — heute ist es wahrscheinlich vollends unmöglich, ihre fachlichen Notwendigkeiten mit der Vergegenwärtigung deutscher Dichtung zu vereinigen, die der denkende Deutsche ebenso notwendig braucht. Aber das wäre ein Verlagsplan, der sich dem ersten Konver sationslexikon oder den ersten volkstümlichen Klassikerausgaben zur Seite stellen könnte: den Weg der deutschen Dich tung in ihren heute noch lebendigen Zeug nissen darzu st eilen — die Selbstgestaltungen im Wort zu erneuern, die wir heute als Teil unseres eigenen Selbst empfinden, und die nur deshalb nicht mehr zu uns sprechen, weil das Schaffen der Vergangenheit durch die Überproduktion der .allerletzten Jahrzehnte verschüttet wurde. Eine Bücherreihe, welche Romane, auch Unterhaltungsromane, Dramen und Gedichte um faßt und dem unproduktiven, enttäuschenden Lesen in Literatur geschichten ein Ende macht, weil sie die fortwirkende Tradition selbst zum Sprechen bringt. Nicht ein Picken nach Einzelheiten, das nur das Eingängigste sucht und deshalb ständig das Gleiche wiederholt: dieselben romantischen Märchen, den »Grünen Heinrich» und »Die Ahnen» oder gar den widerwärtigen Spindler, sondern ein Freilegen der Strömung, die in die Gestaltung unseres gegenwärtigen Kampfes mündet; vom Heliand bis zum Jere mias Gotthelf. Aber das sind heute noch Phantasien, und der Sortimenter mutz sich zunächst dies und jenes, teilweise von entlegenen Ver legern, zusammensuchen, um wenigstens unvollständig das Best mögliche zu erreichen. Wenn er sich jedoch zweifelnd fragt, ob das die Mühe lohnt, und vielleicht auch an manchen Mißerfolg denkt — dann muß er sich zugleich überlegen, was er denn schon aktiv dafür getan hat, um den Käufer darauf hinzulenken. Von den Neuausgaben, die an der hintersten Wand des Lagers ver stauben, kann man allerdings keine Wirkung erwarten; auch die meisten Novitäten wären in solchen Verstecken unverkäuflich. Felix Stieme r. Einbandstoffe von heute Der nachstehende, anscheinend aus Herstellerkreisen stammende Aufsatz über Bucheinbandstoffe ist der Nummer 1 der neuen Zeit schrift »Das deutsche Buchbinderhandwerk« entnommen, die aus dem Zusammenschluß des »Allgemeinen Anzeigers für Buchbin-dereien«, des »Journals für Buchbinderei und Schreibwarenhandel« und des »Nach- richtcnblattes der Berliner Buchbinder-Innung« entstanden ist. Im Zusammenhang mit den Fragen des Vierjahresplanes diirfte er auch unsere Leser interessieren. D. Schriftltg. Seit Jahr und Tag wird immer wieder über Nohstoffknappheit gesprochen und mit Rücksicht darauf an irgendwelchen Ersatz für die seit vielen Jahrzehnten eingeführten Einbandgualitäten aus Faser stoffen gedacht. Es ist in derartigen Ersatzstoffen auch schon manches auf den Markt gekommen. Allerdings war es recht kurzlebig, weil ja in eigentlichen Einbandstoffen bis hente überhaupt noch kein Mangel ein- getretcn ist, im Gegenteil, jeder, der damit zu tun hat, hat beinahe die Qual bei der Wahl, und für den Käufer eines Buches ist fast jede geschmackliche Richtung berücksichtigt. Allerdings ist die Versorgung mit althergebrachten Bucheinbandstoffen aus Fasermaterial nur deshalb bisher in so reichlichem Maße möglich gewesen, weil sich die einschlägige Industrie mit entsprechenden Opfern dafür einsetzte. Auch in abseh barer Zukunft wird es hier beim alten bleiben können, weil ja in der heimischen Kunstfaser für die Erzeugung von Bucheinbandstoffen nicht nur ein Ersatz, sondern etwas Edberes und insbesondere außerordent lich viel Schöneres geschaffen wurde. Zur Zeit befinden wir uns wohl mehr oder weniger in einer Übergangszeit, in der Mischungen aus Naturfaser und heimischer Faser Einfluß auf die Art der Fertigung und Veredlung ausllben. Vielfach liegt es nicht in der Hand der Hersteller, die Farbe oder den Endeffekt im voraus genau zu bestimmen, weil eben in der Struktur der Natur- 14
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder