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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.12.1879
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1879-12-15
- Erscheinungsdatum
- 15.12.1879
- Sprache
- Deutsch
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- Zeitungen
- Saxonica
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— denkenden Publicum über das, was es liest, über die Ent stehung, den Inhalt und Gehalt, über die Leitung und andere Bildungsfactoren und Eigenschaften dex Zeitungen gewissenhafte Ausschlüsse zu geben, daß man sich müht wie es ja bei uns Deut schen überhaupt nicht anders denkbar ist —, das erwachte Interesse historisch zu vertiefen und andererseits auch rückhaltlos die Schäden aufzudccken, an welchen unsere Presse unwiderleglich krankt. Unter den theilweise ausgezeichneten Arbeiten in dieser Richtung, von denen leider eine beträchtliche Anzahl, um nicht zu sagen die größte, in ihrer Art als ephemere Erscheinungen mit so vielen trefflichen Arbeiten in Flugschriftform das Geschick theilt, unter der Masse der jährlichen Literaturerzeugnisse m Vergessenheit zu gerathen, ist in erster Reihe Professor Wuttke's Buch über „Die deutschen Zeitschriften und die öffentliche Meinung" zu nennen. Mag 'ma^den einseitigen politischen Standpunkt des Verfassers noch so scharf verurthcilen und über diese und jene Ansicht auch auf anderm Gebiete mit ihm rechten — eine Be herrschung des Stoffes, wie sie nicht vollständiger sein kann, wird ihm Niemand abzusprechen vermögen. Und wer einigermaßen in die maßgebenden Verhältnisse Einsicht genommen hat, wird dem Verfasser nicht nur das Verdienst immensen Sammelfleißes zusprechen, sondern ihm andererseits auch Recht geben müssen in seinem pessimistischen Urtheile über den geistigen und sittlichen Gehalt unserer periodischen Presse. Es ist kennzeichnend für die Zerfahrenheit unserer gegenwärtigen Periode hinsichtlich der be stehenden Ansichten über Offenheit und Wahrheit auf dem be legten Gebiete, daß Wuttke das Vorwort zur ersten Auflage seines Buches mit den Worten eines schriftstellerischen Freundes einleiten zu sollen glaubt: „So schreibt man ein Testament." Daß der tüchtigen Arbeit trotz aller perfiden Angriffe und scham losesten Verleumdungen der durch die Geißelhiebe des Schreibers Getroffenen ein ehrenvoller Platz in der Literatur eingeräumt und weite Verbreitung zutheil geworden ist, zeugt doch immer noch von dem lobenswcrth ehrlichen Sinne unserer Leserwelt. Unter den späteren Arbeiten, die zumeist des Fundamental werkes von Wuttke nicht haben entrathen können, scheint mir die beste, überhaupt eine in prägnanter Kürze und lebendiger Gründlichkeit abgefaßte Schrift, diejenige Karl Roscher's zu sein, welche zugleich Heft 3. und 4. der I. Serie der „Bildungs- blättcr für unser Volk" (Emil Oliva in Zittau) bildet. Leider hat dies vortreffliche Büchlein eine Ausstattung erfahren, welche seine genußvolle Lesung überaus erschwert. Offenbar war die- anderen Orten Deutschlands, eine nicht zahlreiche, aber mit der gefähr lichsten Waffe versehene Einwohnerclasse, welche eine ewige Bewegung zu erhalten und zu fördern strebt. Es sind dies die sogenannten Schrift steller. Unter selbigen darf man sich keineswegs gelehrte Männer denken, die ihr Leben dem ernsten Studium widmen, sondern es sind vielmehr großentheils junge, sehr ungelehrte Leute, die auf den Universitäten nicht so viel gelernt haben, um in irgend einem Fache dem Staats dienste sich widmen und den hierzu erforderlichen Prüfungen Genüge leisten zu können. Deshalb hat keiner dieser jungen Tonangeber bis jetzt ein Werk von Bedeutung geschrieben, wohl aber fabriciren sie Flug schriften und füllen die Journale mit ihrem politischen Zetergeschrei, um — zu leben. Denn leben wollen sie, und um leben zu können, schreiben sie. Sie sehen sich als die äußersten Wurzelfasern der Pariser Propaganda an und wissen recht gut, daß sie von ihren schriftstellerischen Producteu nicht mehr werden leben können, wenn sie die ewige Be wegung der Gemüther zu erhalten nicht mehr im Stande sind. Be merkenswerth ist es noch für unsere Zeit, daß unter diesen sogenannten Schriftstellern mehrere Juden gefunden werden." — So der Bericht erstatter der Leipziger Zeitung. Seine ganze Klage ist eine eingehende Illustration der angeführten Bismarck'schen Worte von den catilinarffchen Existenzen und den Leute» vom verfehlten Berns. Zu selber Zeit urtheilte schon ein anderer ehrwürdiger Mann, daß „das Literatenthum ein Krebsschaden der Gesellschaft sei". Und heute? — selbe durch den normirten sehr niedrigen Preis vorgeschrieben nichts destoweniger ist sie zu beklagen. Es klingt paradox und ist dennoch unzweifelhaft wahr, daß eine vollständige Geschichte der Presse überhaupt nicht zu schreiben sein wird — aus Mangel an Material. Nur scheinbar streitet gegen diese Behauptung der große Reichthum unserer Biertische an Zeitungen. Aber man bedenke nur, daß das Papier der selben kein Jahrzehend zu überdauern im Stande ist, daß also auch gerade über jenen Zeitraum, in welchen sich die welt geschichtlichen Ereignisse von größter Tragweite zusammendrängen, deren Einfluß auf unser gesummtes politisches, volkswirthschaft- liches und culturelles Leben sich in lebhaftester Färbung gerade in unserer Tagespresse abspiegelt, nach dieser Seite hin nicht mit der Ruhe, die erst der Verlauf eines halben Jahrhunderts dem Historiker zu geben vermag, abgeurtheilt werden kann. In unverantwortlicher Leichtfertigkeit hat der größere Theil des deutschen Verlagsbuchhandels die schwere Schuld auf sich ge laden, daß nach einem Menschenalter von selbst für die Nach welt hochbedeutenden Werken, deren Entstehung in die letzten 15 Jahre fällt, kaum noch etwas vorhanden sein wird. Holz stoff und Schwerspath und was dergleichen schöne „Papiersub stanzen" mehr sind, werden eine ganze Reihe von Werken aus unserer Literatur vertilgen, über deren Verlust — nach uns die Sündfluth! — sich das kommende Geschlecht trösten mag. An gesichts solcher Thatsachen betrachte ich wehmüthig das zähe Leben einer vor mir liegenden Nummer der Kölnischen Zeitung vom 25. Juni 1814, einen bescheidenen halben Bogen in Quart format, der seiner ganzen Ausstattung nach auf das heutige „Weltblatt vom Rhein" nicht schließen läßt. Um so verdienstlicher ist es, daß dem modernen Preßwesen von befugter Seite her Beachtung und daß namentlich auch den Schäden unserer Zustände specielle Theilnahme gewidmet wird. So ist über das Anzeigewesen schon mehrfach und gut geschrieben worden. In neuester Zeit hat Hr. Robert Schmölder („Das Jnseratenwesen als Staatsinstitut". Leipzig, Meißner L Ganz) demselben Gegenstand ein sehr gut geschriebenes Schriftchen ge widmet. Der herbe Wahlspruch, den es auf dem Titel führt: „Huas wsäioainsntg, non sanani, lorrnin sannt" darf ängstliche Gemüther nicht schrecken; ein milder, ernster Ton geht durch die ganze Arbeit. Ob er im Stande ist, ergraute Sünder zur Buße zu bringen, wage ich zu bezweifeln, jedenfalls aber ist es ver dienstlich, daß wieder einmal dieses Thema ausgenommen und vor der Oeffentlichkeit discutirt wird. Der Verfasser kommt in seiner geschichtlichen Einleitung über die, um mich so auszu drücken, juristische Berechtigung unseres heutigen Anzeigewesens, welches sich in den Tagesblättern breit macht, zu dem begrün deten Ergebniß, daß sich der (zunächst der preußische) Staat durch die Verzichtleistung auf sein alleiniges Recht, vermittelst amtlicher Blätter dem Publicum Anzeigen vorzuführen, nicht nur eines bedeutenden pecuniären Gewinnes, sondern namentlich auch eines nach mehreren Seiten hin gewichtigen Einflusses auf die Sitilichkeit unseres öffentlichen Lebens entäußert hat. Was den ersten Punkt betrifft, ist es interessant zu erfahren, daß das gesammte Einkommen des preußischen Fiscus aus dem „ Intelligenz-Jnsertionszwang", welches dem Militärwaisenhause in Potsdam zufloß, im Jahre 1848 noch nicht soviel betragen hat, wie jetzt etwa allein die Dresdener Nachrichten abwerfen, deren Reinertrag 1875, irre ich mich nicht, auf rund 64,000 Thaler angegeben wurde. Und diese verhältnißmäßig hohe Summe ist doch nur ein geringer Theil des nicht einmal annähernd zu schätzenden Betrages, welcher aus zahllosen Taschen in die Beutel der Zeitungs- und Journalbesitzer fließt. Was nimmt nicht heut-
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