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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.10.1935
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- 1935-10-03
- Erscheinungsdatum
- 03.10.1935
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X- 230, 3. Oltober 1835. Redaktioneller Teil Börsenblatt f. b. Tlschn Buchhandel. Früh schon beginnen deutscher Geist und deutsche Dichtung in Lienhard Wurzel zu schlagen; die vier Pfennige, für die sich der Schüler in der Pause einen »Weck» laufen sollte, werden ge spart, bis es ab und zu zu einem Buche reicht. Ebenso zeitig setzt eigenes Dichten ein: auf dem Heimweg von, Gymnasium erzählt Lienhard seinem Freund »oft auf viele Fortsetzungen ausge sponnene Erzählungen«, mit denen er immer dann auszuhören pflegt, wenn sie am spannendsten sind. Auch eigene Dramen wer den versaßt und ausgeführt: »Konradin« heißt ein solches Trauer spiel, »das aus etwa fünf Seiten rasch und knapp erledigt war«; die Ausführung eines Einalters »Walladin« wurde von den Lehrern verboten. Mit deni Einzug auf der Universität (Straßburg l885) be gann das harte und heftige Hin und Her zwischen Pflicht und Neigung, zwischen »Theologie und Dichtung«, das eine Vorstufe zu dem späteren über fast zehn Jahre sich hinstreckenden Kampf um und gegen Berlin darstellt. Schwer lastete auf ihm das Ver sprechen, das er der sterbenden Mutier gegeben, aber ebenso un widerstehlich riß an ihm die dichterische Neigung, die er bald als ein Schicksal fühlte, mit dem der Kampf ausgenommen werden mußte, wenn er darunter nicht zerbrechen wollte. Im Thomas- Stift zu Straßburg spielen sich diese Kämpfe ab. In ihrem Mittel punkt stehen die schmerzvollen Zweifel über sein wirkliches Kön nen, steht das Hin- und Hergerissenwerden zwischen den Not wendigkeiten des Brotstudiums und der Hingabe an seine dich terische Leidenschaft. Die bange Frage, ob er zum Dichter berufen sei oder nicht, erfüllt seine Tage und geistert durch die Träume seiner Nächte. Das »Tagebuch eines Studenten« (in »Jugend- sahre«) aus jener Zeit (Winter 1888/87) spiegelt dies tapfere Ringen des jungen Kämpfers um seinen eigenen Lebenston wider. Bon seinem Können und seiner Ausgabe überzeugt, wagt er den entscheidenden Schritt, der ihn von der Theologie weg- und der Literatur zusührt; und der äußerlich zusammenfällt mit der Übersiedlung von Straßburg nach Berlin. Als der elsässische Student im Jahre 1887 zum erstenmal auf dem ^Pflaster Berlins« sich erging, da tat er es als junger Mensch, der an sein Talent glaubte, der es für notwendig hielt, sich in den Mittelpunkt Berlin zu stellen, um eine Ausgangs stelle für die beabsichtigte literarische Tätigkeit zu haben, und der also mit dem Ehrgeiz in diese Stadt gekommen war, sich durch zusetzen und sich bald einen geachteten Namen im literarischen Leben Deutschlands zu erwerben. Dabei muß bedacht werden, daß Lienhard als Deutscher der Rcichslandc Elsaß-Lothringen, die zu Deutschland gehörten und doch unglücklicherweise neben dem Reiche hcrlebten, in Berlin unter die Ausstrahlung bisher nie in der Nähe empfundener magisch-politischer Kräfte geriet. Kaiser Wilhelm I., die Ver körperung des Reiches, lebte noch, und als er starb, lag sein Nach folger ebenfalls schon auf den Tod krank. Dazu kam die gewaltige Persönlichkeit des Reichsgründcrs Bismarck. All dies, und da neben die seltsame» Reize einer völlig andersartigen Landschaft, der märkischen Kiescrnlandschaft »mit den fernen, feinen Sonnen untergängen und den einsamen Waldseen«, formten nachhaltig an dem jungen Kämpfer. Aber die Bemühungen des jungen Dichters, Berlin gleichsam von innen heraus zu erneuern, zu beseelen, schlugen fehl. Bitter enttäuscht wandte er sich von Berlin ab, um es einige Jahre dar auf abermals zu versuchen. Aber nun war schon der Naturalis mus zum Durchbruch gekommen, an den Lienhard den Anschluß nicht finden konnte. Nachdem der Dichter zunächst Berlin noch einmal den Rücken gekehrt hatte, wagte er den dritten Ansturm, diesmal mit dem Bemühen, gegen den Naturalismus eine neue Kunstrichtung, die Heimatkunst, zum Sieg zu führen. Auch dieser dritte Ansturm endete mit einem Rückzug, — mit einer Flucht in die deutsche Landschaft, in die Einsamkeit — herbeigeführt nicht zuletzt durch die Enttäuschung, die er mit der Heimatkunst selbst durch deren talentlose Vertreter erfahren hatte. Die dichterischen Ergebnisse dieses Jahrzehnts (1887—1907) sind neben einer Reihe von Dramen die bedeutsamen Plaudcr- und Wanderbücher: »W a s g a u f a h r t en« und »Thüringer Tagebuch«. Hier sei ein Blick geworfen auf das, was Lienhard mit der Heimatkunst überhaupt wollte. Er meint damit alles andere als eine unzuträgliche Verengung des Standpunktes oder eine Be schränkung auf den heimatlichen Kirchturm, er fordert eine »reife« Heimatliebe und bildet einen Heimatbegrisf, der nichts mit einem bloßen Kreisen um den eigenen Acker zu tun hat; er fordert ein »reifes« Stamincsbewußtsein, das heißt einen Bolksbegriff, der über die engeren Stammesgrenzcn hinausgreift in das allgemeine Vollsschicksal. Nur aus eine solche »reise Liebe zu deutschem Land und Volk darf und kann sich allein eine moderne Heimatkunst aufbauen«. »Alle Volkspoesic im besten Sinne des Wortes ist eben dadurch so sehr erfrischend und kann eben darum in jeder Litera turerneuerung so sehr als immer neue Anregung gelten, weil diese Dichter, von Homer bis zum Nibelungenlied, mit der Land schaft in Berührung stehen«. Heimatkunst ist nicht Stammeskunst, Heimatkunst ist Nationaldichtung im weitesten Sinne. Lienhard hat sich unablässig dagegen gewehrt, unter Heimatkunst Klein stadtkunst irgendwelcher Art verstanden zu sehen. Er wollte mit seinem Kampfruf »Los von Berlin!« gerade das Gegenteil einer Verengung erreichen, und er hat nie anders gedacht, als über die Heimatkunst den Weg in die große Kunst zu nehmen, wie er das mit seinem eigenen Schassen schließlich getan hat, und zwar nicht nur im Dichten, sondern fast mehr noch im Betrachten und Deuten des unvergänglichen Besitzes unseres Volkes an Werken großer Kunst. So sind für sein Lebenswerk die vor und neben den eigenen größeren Dichtungen (Romantrilogie: »Oberlin«, »Spielmann«, »Westmark«, die Wartburgtrilogie dramatischer Dichtungen u. a. m.) entstandenen Zeitjchriftenwerke »Wege nach Weimar- (6 Bände, 1905—1908) und »Meister der Menschheit« (1918—1927) mindestens ebenso bedeutsam wie jene. Die »Wege nach Weimar- und die dazugehörigen »Meister der Menschheit-, die sich noch viel ausschließlicher in der Welt sinnbildlicher Deutungen bewegen, sind nur verständlich für den, der weiß, was Lienhard mit dieser Symbolik gemeint hat. Er hält »jene wertvollen Menschen und Orte-, die er uns in den ge nannten Werken vorstcllt, für »Orientierungspunkte, Stätten der Sammlung, Aussichtstempel auf unserer Wanderung durch das reizvolle und ernste Gebirge des Lebens«. Die großen, weithin strahlenden Sinnbilder, deren Jdeen- und Lebensgehalt Lienhard in den »Wegen nach Weimar« und »Meister der Menschheit« nachdrücklich hcrausarbeitet, sind die Be griffe »Weimar» (Idealismus) und »Wartburg« (Protestantis mus), zu denen als ein dritter Begriff »Potsdam« (Sanssouci) hinzutrilt. Die geistige Ideenwelt, die durch diese drei Sinnbilder umschrieben wird, ist für Lienhards Stellung zu allen Fragen des Lebens, insbesondere auch des volklichen Lebens Deutschlands, entscheidend geblieben. Seine Bemühungen um die Erneuerung des klassischen Idealismus hat man ihm vielfach als Epigonen tum ausgedeutet. In Wirklichkeit wollte natürlich auch er eine Lebensbewegung, — er nannte sie: »deutscher Idealismus« —, mit deren Hilfe der Materialismus überwunden und die deutsche Aufgabe der Zeit gemeistert werden sollte. Die Tatsache, daß Lienhard noch nicht deutlich genug sah, daß die Lösung dieser Ausgabe — Schaffung einer neuen deutschen Zukunft — nur im politischen Raume vor sich gehen und mit Politischen Mitteln erreicht werden konnte, liegt in seiner geistigen Herkunft be gründet; sie berührt nicht seine deutsche Haltung, die er ohne jede Schwankung vom ersten Ansturm auf Berlin im Jahre 1887 durchhielt bis zu seinem Tode im Jahre 1929. Das erstaunliche Wunder seines Lebens, nur erklärbar aus dieser eindeutigen, geraden Haltung, bleibt das Hineinwachsen des Grenzmärkers in die deutsche Mitte, das ihn zu einem leiden schaftlichen Mahner an die Gesinnung auf den Kern und Ur sprung unseres Wesens, auf die Größe, Schwere und Schönheit unserer geschichtlichen Aufgabe werden ließ. In seinem Herzen lebte je und je das Deutschland, dessen endgültige Formung die weltgeschichtliche Tat Adolf Hitlers darstellt, mächtig und stolz nach außen, seinem Wesen treu nach innen, erfüllt und getragen von einer großen, erhabenen, jeden Opfers und jeden Einsatzes würdigen Idee. 823
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