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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.12.1911
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- 1911-12-30
- Erscheinungsdatum
- 30.12.1911
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- Deutsch
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IS208 d. Lisch». Nichtamtlicher Teil. ^ 802, 30. Dezember ISIl. lands war. Kann diese Kunst sterben? Nein, Hand aufs Herz, ganz gewiß nicht. Und so wie dieser aus gezeichnete Landschafter sich über alle Erscheinungen der Mode des Tages behaupten wird, so verfügt die Kunst des 20. Jahrhunderts doch noch außer ihm Uber eine solche Un menge starker Bäume, aus denen frische Aste und Zweige heroorschießen, daß man ob des Unkrautes, das daneben wuchert, ganz gewiß noch nicht den Tod zu fürchten braucht. Betrüblich ist nur, daß wieder einmal der pure Unverstand, das Muckertum sittenschntifflerischer Gesellen und ihrer Helfer der Kunst Knüppel zwischen die Beine werfen und sie an ihrer freien Bewegung hindern wollen. Ein lebhaftes Kopfschütteln, ein mitleidsvolles Lächeln und wahrscheinlich auch eine ehrliche Wut wird in diesen Tagen durch die Kunstwelt gegangen sein. Denn die Polizei hat wieder einmal ihre segensreiche Tätigkeit entfaltet. Und ausgerechnet in München. Das Stucksche Bild »Schwüle Nacht« hat dran glauben müssen und ist den Häschern in die Hände gefallen. Natürlich nicht das Original, sondern die wundervolle Hansstaenglsche Repro duktion, die sich ein Kunsthändler erlaubt hat auszustellsn. Ob dies nun unter einer Anzahl mehr oder weniger einwandfreier Bilder geschehen ist oder nicht, ist ziemlich gleichgültig, cs bleibt be dauerlich und peinlich, daß es in deutschen Landen und vor allem in der ersten deutschen Kunststadt noch möglich ist, daß auf die Denunziation einiger hochmoralischer Schwäch linge hin der rohe, ungeschickte Verstand eines Subaltern beamten über ein Werk der Kunst verfügen darf. Ich kann hier nicht große Worte machen um diesen neuerlichen Mißgriff, der der freien Kunstanschauung unserer Tage abermals einen Schlag ins Gesicht versetzt, nur möchte ich von neuem den Ruf ertönen lassen, daß das Kunstrichteramt endlich der Polizei entrissen werde und daß sittenstarke, ästhetisch und ethisch fein empfindende Männer, die sich nun keineswegs mit dem seilen Mantel der Tugend zu umgeben brauchen, Einheitsbegriffe, Normen schaffen möchten über das, was er laubt ist und was nicht, und zwar nicht für einzelne Städte und Provinzen, sondern für alle 25 deutschen Bundesstaaten. Notwendig ist es, denn unter diesen Umständen kann man die in dem Titel der Broschüre Victor Aubertins enthaltene dunkle Prophezeiung doch wohl schließlich der Erfüllung näher rücken sehen. Und das wäre doch schade um die Kunst, die uns trotz aller Anfeindungen der Mißlustigen, der Hypochonder, der Sittenapostel und der übergeschnappten Ästheten soviel Schönes beschert, daß unser Leben kaum reicht, um alles nur recht zu genießen. Lre longa, vita brsvis, schrieb mir Gustav Schönleber kürzlich, mit dem Be merken, daß er, der Sechzigjährige, noch hurtig Weiter arbeiten wolle. Wie kann man da vom Sterben der Kunst reden!? Mit einer hochbedeutenden Publikation erscheint der Kunstverlag von Stiefbold L Co. in Berlin auf dem Plan. Es handelt sich um Professor Angelo Janks viel umstrittene Bilder im Reichstagsgebäude. Das Schicksal dieser Gemälde des temperamentvollen Münchner Meisters, der wie keiner berufen schien, das verblaßte, abgebrauchte Historienbild aus des seligen Cornelius Zeiten mit der Kraft seiner farben reichen Palette und dem kultivierten Empfinden des hoch gebildeten Künstlers neu zu beleben, ihm eine neue Form zu geben, ist noch in aller Erinnerung und wird den nun mehr erfolgten Veröffentlichungen von vornherein das weitestgehende Interesse sichern. Janks Kunst, zuerst be kanntgemacht durch die »Jugend«, von deren Mitarbeitern er einer der ersten war, ist zu spezifisch, zu persönlich, als daß man bei der Lösung einer Aufgabe, wie sie ihm hier mit der Verherrlichung dreier bedeutender Momente aus der deutschen Geschichte gestellt wurde, nicht auch etwas Besonderes hätte erwarten müssen. Freilich, wie nun einmal um alles, was aus der Art schlägt, sich Meinungs verschiedenheiten, heftige Kontroversen, gepaart mit kleinlichen, partikularistischen Bedenken, entspinnen, so auch hier, wo ein Künstler mit seiner ganzen Überzeugung und Leidenschaftlich keit die Tradition durchbrach und lediglich dem künstlerischen Impuls folgte. Janks Künstlertum hier zu charakterisieren, würde zu weit führen, man kennt es, kennt seine Eiserne Wehr aus dem wundervollen Blatt des Voigtländerschen Verlags und kennt seine mit ungeheurer Spontanität und stupender Beobachtungsgabe hingeworfenen Reiterbilder aus dem Ligll lato, die er, als Hauptmann d. R. ein Pferde kenner 0! knväainsllto, mit Bravour und Unermüdlichkeit schafft. Man braucht nur an sie zu denken, um zu wissen, daß auch hier, in diesen drei Bildern ein Eigener, Großer am Werke war. Karl der Große empfängt die Gesandten Harun al Raschids in Paderborn 777, Friedrich Barba rossa, Unterwerfung der Lombardei und die Neuschaffung des Deutschen Reiches in der unvergeßlichen Szene, da König Wilhelm in der Schlacht bei Sedan 1870 an der Spitze seiner Truppen zurückkehrt, diese Themata bilden den Inhalt der grandiosen Schöpfungen. Es kann und soll hier gewiß nicht das Verdienst jener Maler verkleinert werden, die im Dienste der großen Sache uns mit mehr oder minder großer Künstlerschaft die bedeutungsvollen Momente der Geschichte des Deutschen Reiches verewigten, aber bei aller Hochachtung vor ihren Werken: diese ungeheure Leben digkeit, diese Unmittelbarkeit und diese unbedingte Wahr haftigkeit, mit denen diese den Künstler leicht auf Abwege bringenden Szenen konzipiert und ausgcstaltet wurden, sind in ihrer Art doch ganz grandios. Und wo immer uns und unseren Nachkommen die Geschehnisse einer vergangenen großen Zeit vergegenwärtigt werden sollen, wird man auf diese Schöpfungen Janks verweisen müssen. Daß Stiefbold L Co. sie nun durch ihre Publikation der Allgemeinheit zu gängig gemacht haben, ist ein verdienstvolles Werk. Möge es auch gelohnt werden dadurch, daß der Kunsthandel sich des Vertriebes in regster Weise annimmt. Es existiert eine Fürstenausgabe auf Handjapan mit Marke, alle drei Bilder komplett zu 240 eine Vorzugsausgabe auf China in 30 Exemplaren zu 120 ^ und eine allgemeine Ausgabe mit der Schrift auf China zu SO Für Schulen, Rat haussäle und ähnliche Räume jedenfalls ein ganz herrlicher Schmuck, gleich eindrucksvoll und bedeutend vom historischen wie vom künstlerischen Standpunkte aus. Der Verlag Grauert <!!- Zink in Berlin bringt wieder wie im Vorjahre ein sehr stimmungsvolles Weihnachtsblatt für den Kunstsammler und zwar eine Original-Radierung von Fritz Krostervitz. Auch die Technik dieses Künstlers ist auf zu gediegener Basis begründet, als daß man hier, bei aller Liebenswürdigkeit des Sujets, das uns den Winter im Dorfe zeigt, bei aller subtilen Vertiefung in die feinsten Verästelungen der Natur, nicht auch etwas durchaus Künstle risches erwarten könnte. Sicher ist dieses Blatt geeignet, in unserer stimmungslosen, schneearmen Zeit doppelte Freude zu bereiten, zumal der Vorzugspreis von 12 dem Wunsche nach Besitz in weitestem Maße entgegenkommt. An wirklichen Schlagern, wie sie der Kunsthandel ja schon lange wieder einmal ersehnt, scheint es zu fehlen. Die riesenhaften Geschäfte, die man vor einigen Jahren mit dem dümmsten, geschmacklosesten Zeug machte, leben nur noch in der Erinnerung, und vergebens durchforscht der Kunstsorti menter die Mappen der Verleger nach dem großen Ereignis des Jahres. Aber es will nicht kommen. Nun wollen wir ja ganz gewiß nicht jene Zeit wieder herbeiwünschen, wo man nur mit dem elendesten, fadesten Zeug, das mit Kunst nichts zu tun hatte, das Publikum vollstopfen konnte, aber andrerseits ist der Wunsch, daß das, was einst der Kitsch
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