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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.05.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-05-15
- Erscheinungsdatum
- 15.05.1913
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil »Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo!« (Vgl. Nr. 9S u. 105 d. Bl.) Die Leitung des Dürerbundes will in der letzten Zeit so schnell die Kultur für sich erobern wie die Franzosen Berlin. Die merkwürdigsten und angestrengtesten Schritte sind in dieser Hinsicht von ihr gemacht worden; ich glaube, es sind nicht die schlechtesten ihrer Freunde, denen dabei der Atem ausgeht. Das ist der Grund, weswegen das Folgende geschrieben wird. Herr I)r. Avenarius hat im »Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel« (Nr. 105 vom 9. Mai 1913) bei Gelegenheit einer Organisationsfrage, die Art des Ver kaufs von Büchern betreffend, sich zu einem Aufsatz Hinreißen lassen und ein Projekt mit unter seinen Schutz genommen, durch das auf die Vermittler geistiger Ware eine Bevor mundung ausgellbt werden würde, die ihresgleichen sucht, über das Interesse der direkt Beteiligten hinaus würde die Durchführung dieses Plans weiteste Kreise treffen, und das umso nachdrücklicher, je mehr sie es sich gefallen ließen. Dies ist die Veranlassung zu den nachstehenden Zeilen. Jahrelang mit den Bestrebungen des Dürerbundes und seines Organs, des Kunstwarts, vertraut, rückhaltlos seine großen Verdienste, nicht eben nach Art der Rede Mark Antons, anerkennend und bewundernd, habe ich nie eine geheime Furcht unterdrücken können, daß die steigende Macht ihm eines Tages zum Verhängnis werden könnte. Das ist meines Er achtens seit ungefähr einem Jahre der Fall, wenn auch die ersten Anzeichen schon länger zurück liegen. Es ist die alte, aber immer wieder neue und fast tragische Erfahrung, daß beste und reinste Ideen von ihrer Hoheit verlieren, wenn sie allzu praktisch werden wollen. Da ist zuerst ein großer und begeisternder Gedanke, der mir wie von einer überragenden geistigen Macht aus Kampf und Sehnsucht heraus gegeben wird, und ich bin bereit, mein Wirken in seinen Dienst zu stellen und tue es. Monate, Jahre, Jahrzehnte vollbringe ich, ein beständiges Opfer, diese Arbeit; aber nun, unmerklich, eine Gefahr, der nur die ganz Großen entgehen, schiebt sich die Arbeit als Arbeit vor die Idee: Aus dem besten Herrscher wird der Tyrann, der Künstler verfällt der Manier, der Kulturträger wird zum Träger der Kultur. Sie macht nicht mehr ihn, sondern er will sie machen. Der Kundige kennt die Schichten, für welche das Wirken und die Gaben der Kunstwartbestcebungen geradezu eine Offen barung waren. Auf großen Flächen vorher unbebauten, brachen Landes sind viel tausend Früchte gezogen worden: aber das Land fängt jetzt an, Großgrundbesitz zu werden. Und auch hier entsteht die Frage der Bodenreform. Der Sämann von Thoma geht auf einer der Veröffentlichungen des Kunstwarts über den Acker. Gewiß, wenn Halme wachsen sollen, muß man Pflügen und säen, aber das wäre doch ein närrischer Landwirt, der nun auch Regen und Sonnenschein und das Wachsen übernehmen wollte. Vier hunderttausend Deutsche umfaßt nach der Angabe des Herrn vr. Avenarius der Dürerbund. Die Zahl sei ihm ohne weiteres geglaubt, aber um die Bildung muß es etwas ängst lich stehen, wenn diese Bildung immer noch so viel straffe Leitung braucht. Die Berechtigung zu solchem Zweifel entnehme ich zwei der gehütetsten Bestrebungen der Dürerbundleitung, den lite rarischen Jahresberichten und dem Ratgeber, nicht — und ich betone das nachdrücklich — ihrer Bemühung, immer neue, bisher uuausgeschlossene Schichten unseres Volkes zu gewinnen. Aber die vierhunderttausend nun endlich glücklich gebildeten Deutschen sind, müßte man denken, in dieser Hinsicht aus dem Gröbsten heraus. Kein Verständiger leugnet, daß bei der über fülle der Produktion und oft skrupelloser Reklame eine ge diegene Kritik und Sichtung notwendig ist, aber man wird doch nicht zu einem wirklichen Kritiker nur dadurch, daß man kritisiert. Die großen Meister auf diesem Gebiet haben immer nur dadurch gewirkt, daß man hinter der Kritik den Mann sah und hinter diesem seine Idee. Dann allein, nur dann, wird mein eigenes Urteil frei, ich brauche mein berechtigtes Selbstgefühl und meine Lebensauf fassung nicht zu unterdrücken, sondern ich stehe als Mensch einem andern gleichsam gegenüber, und wir können im Geiste gemeinsam über das Buch reden, das vor uns liegt. Um ein Beispiel zu gebrauchen: wenn ich weiß, daß die Rubrik »Deutsche Dramatik« im letzten Jahresbericht vielleicht von einem Professor geschrieben worden ist, der auch diese oder jene Literaturgeschichte, hinter dem Ofen zu lesen, geschrieben hat, dann werde ich über sein Schimpfen, denn etwas anderes war es nicht, lächeln und mit Bedacht gerade diejenigen Dramen lesen, die er besonders heruntergemacht hat. Wie ich umgekehrt ein Buch einer andern Kritik um so lieber zur Hand nehmen werde, weil ein Mann, den ich sonst schätze, es mir empfiehlt; denn ich kann mich doch schließlich nur zu den Gebildeten rechnen und mich weiterbilden, wenn meine Urteilskraft so weit selbständig geworden ist. Statt dessen setzt sich da eine Reihe von Anonymis hin, in dieser Hinsicht angesehen wahrhafte »Dunkelmänner«, und dekretieren. Ich finde das sehr wenig menschlich und gar nicht deutsch. Und dies gleichermaßen dem Publikum gegenüber wie den Autoren. Wenn Tausende mir Vertrauen schenken, so ist das sehr schön; meine einzelne Kraft und ihre Wirkung wird in das Tausend fache gesteigert; aber ich bin dieses Vertrauens wenig wert, wenn ich ihm die Augen nehme. Gerade wenn die Dürer- bundleitung sich nicht mit den Kritiken ihrer Gewährsmänner identifiziert, hat sie sie notwendig den Vierhunderttausend zu präsentieren; was sie bekanntlich nicht tut. Da ist es mir doch noch lieber, wenn ein Verlag bei der Anzeige eines Buches eine größere Reihe von verschiedenen Kritiken über dasselbe gibt. Es ist sicher, daß viel Unfug in dieser Beziehung getrieben wird, aber es ist nicht wahrschein lich, daß zehn verschiedene Kritiken von zehn verschiedenen guten Blättern nicht soviel Rückgrat und Urteilskraft haben sollten wie ein Anonymus, der nur deswegen zu Worte kommt, weil ein großer Betrieb ihn deckt. Daß end lich das allgemeine Niveau, auf dem die Kritiken des Dürerbundes stehen, mit der Zeit ein unerträglich bevor mundendes und anmaßendes geworden ist, ist wohl kein Ge heimnis mehr für die Leute, die überhaupt in Betracht kommen. Aus demselben Boden scheint mir nun auch dieser Plan, eine eigene Staffelei mit den vom Dürerbund empfohlenen «67 Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 80. Jahrgang.
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