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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.02.1914
- Strukturtyp
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- 1914-02-25
- Erscheinungsdatum
- 25.02.1914
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^ 46. 25. Februar 1914. Redaktioneller Teil. Dürftnblatt >. d. Dychn. BuiWuilvcU ungen nicht übel nehmen. Gerade die letzte Zeit hat so manche Gründung dieser Art hervorgebracht, die kurze Zeit ein scheinbar glänzendes und innerlich doch schon den Todeskeim in sich tragen des Dasein führte und dann rasch wieder von der Bildfläche ver schwand. Anscheinend betrachten viele Leute den Kunsthandel als ein bequemes, nobles Geschäft, zu dem man keine Kenntnisse brauche, Wohl aber darin auf leichte Weise recht viel Geld verdie nen oder gar reich werden könne. Stuttgart. Arthur Dobsky. Zum Kampfe gegen wirkliche und angebliche Unzüchtigkeit. Auszug aus dem Stenographischen Bericht der Verhandlungen des Reichstags vom 18. Februar 1914 über de» Etat für die Reichsjustiz verwaltung. (Fortsetzung und Schluß zu Nr. 45.) <I)r. Müller, Meiningen, fortfahrend:) Nu» wiederhole ich den Vorwurf, den ich hier bei allen diesen Gelegenheiten immer wieder erhoben habe: während man ans Ver einen Seite hochbedeutsame künstlerische Werte in einer derart törichten Weise beschlagnahmt und beseitigt, läßt man auf der anderen Seite offensichtliche Schmutzereien vollständig ungeschoren. (Sehr richtig! links.) Es gibt zwei Kategorien von solchen Schmutzereien. Die eine, die unbedingt unzüchtig ist, brauche ich hier weiter gar nicht zu behandeln; denn i» ihrer Verurteilung sind alle Teile dieses hohen Hauses voll ständig einig. Es gibt aber noch eine zweite Gattung: das sind die ge schmacklosen Schmutzsachen, die unter den im Jahre 1909 geschaffenen 8 184 a des Reichsstrafgesetzbuches gehören, die, ohne »unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen«. Ich habe mir erlaubt, eine Reihe derartiger Postkarten auf dem Tische des Hauses niederzulegen, die hier von der Polizei freigegeben worden sind. Ich glaube, ein ein facher Vergleich dieser schmutzigen Postkarten mit diesen edlen Repro duktionen zeigt, daß das alte Wort wahrhaftig auch heute noch richtig ist, daß die Polizei, wenn sie sich mit derartigen Kunstsachen abgibt, eben immer und immer wieder vorgeht wie der Elefant im Porzellan laden (Sehr richtig! links), daß sie jedesmal vorbeitappt, wirkliche Werte zertrümmert und andere unreine Dinge ungeschoren läßt, die tatsächlich unter das Strafgesetzbuch fallen. Ich mache der Polizei gar keinen Vorwurf daraus, daß sie in einer derartig unverständlichen Weise gegen derartige Kunstsachen vorgeht. Woher soll denn die Polizei auch das Kunstverständnis nehmen? Ganz neu ist ja der Feldzug auch gewiß nicht, der von der Polizei hier wiederum gegen gewisse Wachsb listen in Konfektions- und Friscurläden eröffnet wurde. Das ist dieselbe gesellschaftliche Tar- tüfferie. Während man bei Hofbällen jede Dame, die einen Zoll zu wenig nackt ist, einfach von dem Hofball zurückweist (Heiterkeit), geht man in dem vorliegenden Falle gegen WachSbnsten vor (große Heiter keit) und hat Angst vor ihnen. Das ist wahrhaftig unsinnig. In einer ganzen Reihe von Fällen hat die Polizei derartige Wachsbiisten in Friseur- und Konfektionsläden wegschaffen lassen. Abgeordneter Heine (Dessaus: Die sind auch verlockender als die Hofdamen! — (Große Heiterkeit.) — Herr Kollege Heine, ich weiß nicht, ob Sie so große Praxis auf Hofbällen haben. (Erneute große Heiter keit. — Abgeordneter Heine (Dessaus: Intuition!) Ich meine, so harmlos ist die Sache auf den Hofbällen auch nicht. Da sind doch eine Reihe von 17- und 18jährigen Fähnriche» und jungen Leutnants, die durch eine derartige Nacktheit, wie sie hier aufgestellt wird, auch ver dorben werden können. (Große Heiterkeit. — Zuruf links.) Also ich meine, daß es doch geradezu kindlich ist, in einer solchen Weise die Sittlichkeit retten zu wollen. Nun, in der Vorlage, die heute in unseren Besitz kommt, soll maßgebend sein der Begriff »öffentliches Ärgernis wegen der sitt lichen Gefährdung der Jugend«, das mit der Ausstellung derartiger Bilder erregt wird. »Öffentliches Ärgernis« ist ein böser Begriff. (Zuruf rechts.) — Ich glaube, Herr Kollege Schultz (Brombcrg) stimmt mir sogar hierin bei, wenn ich sage, daß der Begriff des öffentlichen Ärgernisses tatsächlich schon viel Ärgernis in Nichterkreisen und auch bei den Verteidigern erregt hat. Der Begriff des öffentlichen Ärgernisses ist einer der kautschukartigsten und zweifel haftesten Begriffe, die es geben kann, besonders wenn es sich um den normalen Schutzmann handelt. Einer meiner politischen Freunde hat nur über seine Erfahrungen über den Begriff des öffentlichen Ärger nisses eine sehr hübsche Geschichte erzählt. Ein Schutzmann trifft einen Angeklagten in einer sittlich sehr wenig schönen Situation; dieser wurde deswegen vor Gericht geschleppt. Der Vorsitzende fragt nun die beiden Belastungszeugen, natürlich zwei Schutzmänner, zuerst den Schutzmann 1: haben Sic Ärgernis genommen? Der Schutzmann 1 sagt vorschriftsmäßig: ja, Herr Vorsitzender. Da wendet er sich an de» Schutzmann 2: haben Sie auch Ärgernis genommen? Da sagt Schutzmann Nr. 2: nein, Herr Vorsitzender. Darauf sagt der Vor sitzende: ja, warum haben Sie denn kein Ärgernis genommen? — der Schutzmann 1 hat doch Ärgernis genommen. Da sagt der Schutz mann 2: je, Herr Vorsitzender, der Herr Polizcihauptmann hat uns verboten, Ärgernis zu nehmen. (Schallende Heiterkeit.) — Meine Herren, es ist noch nicht aus, es kommt noch schöner. (Heiterkeit.) Nun sagt der Vorsitzende: ja, warum hat denn der Herr Polizeihauptmann verboten, Ärgernis zu nehmen? Da sagt der Schutzmann Nr. 2: er hol in der Jnstruktionsstunde zu uns gesagt: ihr Kerle habt über haupt kein öffentliches Ärgernis zu nehmen, ihr müßt bloß feststellen, daß die anderen Leute öffentliches Ärgernis genommen haben. (Stür mische Heiterkeit und Hört! hört! links.) Da fragt nun der Vor sitzende: ja, warum hat aber trotzdem der erste Schutzmann Ärgernis genommen? Da sagt der zweite Schutzmann: je, der erste Schutzmann war nicht in der Jnstruktionsstunde (Erneute stürmische Heiterkeit), wo uns der Polizeihauptmann gesagt hat, wir dürfen kein Ärgernis nehmen. (Wiederholte stürmische Heiterkeit.) Meine Herren, das ist das öffentliche Ärgernis! Ich sollte meinen, wir sollten uns sehr hüten, diesen alten vagen Begriff von neuem in dieses neue Gesetz einzuschmuggeln. Wir haben auch eine derartige Verschärfung gar nicht notwendig; denn die neueste Errungenschaft auf diesem Gebiete ist die poi-noZi-apdia sventnalis, eine ganz neue juristische Erscheinung. (Heiterkeit.) — Die Herren möchten wissen, was bas ist? Ich habe hier eine Postkarte, die künstlerisch gar nichts wert ist. Aber sie zeigt diesen neuen Fall der poi-noxi-aMia svantualis sehr drastisch. Da kommt nämlich wieder ein Schutzmann als Zeuge vor. Die Postkarte hat als Unterschrift: Vogel, fliegst in die Welt hinaus. (Heiterkeit.) Ein junger Mann mit einem Neiseköfferchen geht davon. Zum Fenster schaut eine Frau mit einem Baby hinaus, ein Baby, das an Nacktheiten bloß das Gesicht und ei» Händchen zeigt (Heiterkeit), sonst isb es vollständig in den Kissen cingemaucrt. Es ist also eine Postkarte, die vollständig rein, wenn auch töricht ist, und in der auch vom Stand punkt der Nuditätsschnllffler nichts gefunden werden kann. Nun wird der Schutzmann gefragt: ja, wie kommen Sie denn dazu, diese Postkarte zu konfiszieren? Darauf sagt der Schutzmann: da diese Frauensperson im Fenster keinen Trauring trägt (große Heiterkeit), so muß man annehmcn, daß da auf die Folgen des außerehelichen Bei schlafs hingewiesen wird. (Große Heiterkeit.) Diese polizeiliche Pu tativunsittlichkeit (große Heiterkeit) wird in der Folge sehr gefährlich werden können. Wenn man eine solche Phantasie in Postkarteir hineinlegt, so können Sie sich denken, was wir in Zukunft von der heutigen lax zu erwarten haben. Ich möchte infolgedessen dringend warnen, daß wir mit großen Schlagworten diese gesetzgeberische Auf gabe so ini Handumdrehen regeln. Ich meine, wir sollten unS durch das Vorgehen der sogenannten Sittlichkeitskammer, der 12. Straf kammer in Berlin, warnen lassen. Diese Strafkammer hat ja den gan zen Tag nur in Unsittlichkeit gemacht. (Heiterkeit.) Sie hat sich mit nichts anderem beschäftigt als mit der sogenannten Unsittlichkeit. Daß da die Harmlosigkeit, die Unbefangenheit und Natürlichkeit dieser Leute vollständig verschwindet, ist klar. Nur so ist es auch erklärlich, daß^ dieses Tribunal der 12. Strafkammer eine gewisse Unfehlbarkeit in inoridus bekam, daß diese Richter eine ganz besonders anormale Moral ausgestellt haben, mit der gottlob das Reichsgericht etwa? auf geräumt hat. Deswegen möchte ich mich gegen eine derartige Konzentrierung dieser sogenannten Sittlichkcitsprozcsse wenden. Die Leute müssen ja einerseits vollständig abgestumpft, aber auf der anderen Seite auch wieder besonders scharf gegen ganz reine Dinge, wie ich sie hier vorge bracht habe, werden. Diese Praxis ist um so gefährlicher, als sie eine bereits vorhandene krankhafte Sittlichkeitstuerei und -Heuchelei fördert, die das Pendant der unzweifelhaft vorhandenen Laszivität bedeutet. Die schönen Vorträge, die Herr Kollege I)r. Bell hier gehalten hat, haben eine sehr ernste Seite auch im täglichen Leben, ganz abge sehen von den Fällen der Kunst, die ich hier behandelt habe. Meine Herren, nicht bloß die berühmte Turnhose der Mädchen wirkt auf weite Kreise vollständig unzüchtig. (Heiterkeit.) Es ist ein wahrer Scgen, daß der Deutsche Kaiser und der König von Bayern sich jetzt endlich selbst einmal durch den Augenschein davon informiert haben (Sehr gut! links), daß diese Turnhose für Mädchen in der Deutschen Turncrschaft gar nichts Unzüchtiges an sich habe. Es ist gerade nach dem offiziellen Vorgehen seitens der obersten kirchlichen Behörden in Deutschland ei» wahrer Segen, daß der Deutsche Kaiser und der König von Bayern in die Lage versetzt waren, zu sehen, wie unsinnig eine der artig falsche Prüderie, ein derartiges falsches Sittlichkeitsgetue ist, das weit über die Grenzen der Vernunft hinausgeht. Nicht bloß die berühmte Turnhose der Mädchen, sondern auch eine bloße Matrosen- 315
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