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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.02.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-02-11
- Erscheinungsdatum
- 11.02.1907
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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Nichtamtlicher Leit. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 1597 35, il. Februar 1907. Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen, Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt, Mißraten jetzt, und jetzt vielleicht gelungen, Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt. Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen, Erscheint es in vollendeter Gestalt. Was glänzt, ist für den Augenblick geboren; Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren. Ist einmal von einem Dichter und seinen Werken dieser Höhepunkt erreicht worden, ist er allgemein anerkannt und gelesen, steht sein Wert gar für alle Zeiten fest, so daß er der kleinen Schar der Auserwählten, der Klassiker, beigezählt wird, — dann liegt die Aufgabe ihm gegenüber für das Buchgewerbe verhältnismäßig einfach. Es gilt vor allem, seine Werke den großen Massen, die nach ihnen verlangen, so leicht wie möglich zugänglich zu machen. Dazu gehört ein Preis, der auch für einen kleinen Geldbeutel erschwingbar ist. Das setzt die Herstellung von großen Auflagen und einfache Ausstattung voraus; aber wir dürfen verlangen, daß auch in den geringsten Ausgaben unsrer großen Meister die Ehrfurcht vor dem Wortlaut durch korrekte Texte gewahrt werde, daß das Papier dauerhaft sei (denn grade dem kleinen Manne sind seine wenigen Bücher ein Schatz für das Leben), daß gegen die Gesetze der einfachen Schönheit in Druck und Einband nicht gesündigt werde. Tragen doch diese Klassiker ausgaben in unzählige bescheidene Häuser den einzigen Hauch aus dem großen Reiche der Kunst; um so mehr sollen also alle, die an der Herstellung solcher Ausgaben beteiligt sind, sich dessen bewußt bleiben, daß sie eine edle Pflicht zu er füllen haben. Leider steht es damit noch nicht zum besten. Die meisten sogenannten eleganten Einbände der billigen Klassiker sind mit sinn- und geschmacklosen Ornamenten in Gold und schreienden Farben überladen, und schlägt man die widerlich prunkenden Bücher auf, so erblickt man ein erbärm liches Holzpapier, abgenutzten, fehlerhaften Satz mit schlechter grauer Farbe gedruckt, und der Band droht beim ersten kräftigen Anfassen auseinanderzufallen. Mit solchen Büchern ist höchstens denen gedient, die sie Herstellen und vertreiben, aber nicht den Lesern, auch wenn diese beim Einkauf ein paar Pfennige gegenüber besseren Ausgaben ersparen. Denn einmal ist der Gebrauchswert wegen der schnellen Abnutzung ganz gering, dann aber geht durch die fehlerhaften Texte und die geschmackwidrige, ärmliche Ausstattung ein guter Teil der ästhetischen Wirkung und die Freude am Besitz ver loren. Den Herstellern und Verlegern solcher Klassiker, wie sie namentlich die Warenhäuser vertreiben, kann der Vorwurf nicht erspart werden, daß sie eine wichtige Kulturaufgabe vernachlässigen und den Ruf des deutschen Buchgewerbes schädigen. Höheren Ansprüchen haben diejenigen Ausgaben älterer hervorragender Schriftsteller zu genügen, die für die be mittelten Kreise bestimmt sind. Hier soll ein schönes Äußeres die würdige Schale edler Früchte bilden, ein feines Stil gefühl befriedigt werden, indem der richtige' Mittelweg zwischen ärmlicher Sparsamkeit und überflüssigem Prunk ge funden wird. Das Buch künstlerischen Inhalts nähere sich selbst dem Kunstwerk, es verkörpere den Geist, den es um schließt, es stimme den Leser auf den Ton, der in seinem Innern widerklingcn soll. Die Forderung ist leicht gestellt, ihre Erfüllung um so schwieriger. Das lehren die zahl reichen, zum Teil mit großem Aufwand hergestellten Klassiker ausgaben der letzten Zeit. Da ist z. B. ein noch unvollendeter Goethe, der in Druck, Papier, Bearbeitung und Erläuterung hohen Ansprüchen genügt, aber gebunden in einen Lein wandband, auf dem vor einem Sternenhimmel eine kokett lächelnde, süßliche Sphinx liegt. Vergleichen wir damit einen soeben erschienenen Schiller, so erblicken wir hübsche Lederbände in zierlichem Taschenformat auf Dünndruckpapier, Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. technisch in jeder Beziehung vollendet, aber bis ins kleinste englischen Vorbildern nachgeahmt. Ich weiß wohl: »Man kann nicht stets das Fremde meiden, Das Gute liegt uns oft so fern.« Aber hier, meine ich, hat die Bequemlichkeit und die deutsche Untugend der Ausländerei zur Vernachlässigung der Pflicht geführt, die jedem künstlerisch entwickelten Gewerbe gestellt ist: in seinen Leistungen unsere nationale Kultur abzuspiegeln. Und ferner sehe ich in dem Äußern solcher Bücher einen stilistischen Mangel. Ohne zu archaisieren, kann doch ein Erzeugnis früherer Zeiten so eingekleidet werden, daß der Geschmack der Gegenwart zugleich mit dem historischen Ge fühl befriedigt wird. Das ist aber nicht der Fall, wenn die »Räuber« oder »Wilhelm Teil« in einer vornehm-kühlen Antiqua vor uns hintreten und der ganze Habitus des Buches uns so raffiniert modern anmutet. Der Eindruck braucht nicht nur auf der erwähnten Schriftgattung zu be ruhen; aber sie trägt das Wesentlichste dazu bei, weil sich für unser Fühlen mit dem Begriff »Fraktur« der Begriff »deutsch« eng verbindet (ob historisch begründet oder un begründet, darauf kommt es nicht an). Bei antikisierenden Dichtungen, wie denen Hölderlins oder den »Römischen Elegien« Goethes, lassen wir uns schon eher die Antiqua ge fallen; aber ganz unpassend erscheint sie uns für die Werke der Romantiker, Heines »Buch der Lieder« oder Mörikes Gedichte. Soeben ist eine im übrigen sehr stimmungsvolle Ausgabe von E. T. A. Hoffmanns Märchen erschienen, ge schmückt mit alten Bildern der ersten Drucke, aber in einer zierlichen Antiqua, die weder der romantischen Innigkeit noch der Phantastik der Märchen entspricht. Die Ursache dieser mangelhaften Verbindung zwischen dem Gegenstand und der Gestalt des Buches ist hier, wie so oft, daß der Einzelband einer Sammlung angehört, für die ein für allemal die Ausstattung bis in jede Einzelheit fest gelegt ist. Auch für diese meist so gefälligen uniformen Reihen haben wir die Anregung und die Vorbilder von England erhalten. Aber wenn wir auch das Gute, was die technisch ausgezeichneten und praktischen Sammlungen der Engländer uns bieten, gern nützen wollen, — müssen wir denn nun jede Einzelheit, wie es leider so oft geschieht, insbesondere das sklavische Festhalten an derselben Schrift gattung, ebenfalls nachahmen? Wir sollten doch nicht vergessen, daß wir in unsrer zweifachen Schrift, neben allem Lästigen, was sie mit sich bringt, auch ein Mittel haben, Stimmungen feiner zu differenzieren, als es den Ausländern möglich ist. Immerhin dürfen wir uns aber trotz dieses Einwandes der im Anschluß an die englischen Muster geschaffenen kleinen Klassikerausgaben freuen. Sie stellen das Beste dar, was in dieser Hinsicht unser Buchgewerbe geleistet hat, und repräsentieren die durch schnittliche künstlerische Kultur der Gegenwart auf ihre Art ganz stattlich. Dagegen fehlt es uns bis jetzt noch an Druckwerken, die unsre höchsten geistigen Schätze in entsprechender monu mentaler Fassung darböten. Nach der Zeit der Pracht werke unseligen Andenkens hat offenbar die Furcht vor dem leeren Prunk, dem geschmackwidrigen, künstlerisch wertlosen Bilderschmuck alle Versuche gehindert, die mit den Mitteln geläuterter Buchkunst dem gewiß vorhandenen Bedürfnis nach Luxusausgaben Befriedigung böten. Die trefflichen und kostbaren Faksimilenachbildungen alter Drucke kommen dafür nicht in Betracht, zumal da sie durchweg in ganz kleinen, meist schon vor dem Erscheinen vergriffenen Auf lagen gedruckt werden. Als Leistung großen Stils sind nur »Die Nibelungen« Joseph Sattlers zu nennen, während die neuere Dichtung leer ausgeht. Auch auf diesem Gebiete geht England tonangebend 211
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