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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.12.1912
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- 1912-12-16
- Erscheinungsdatum
- 16.12.1912
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Nichtamtlich er Teil. 282, 16. Dezember 1912. lassen. Je mehr ich sinne, desto härter zeigt sich die Nutz zu knacken. Ich blättere in dem Stoß von Drucksachen, die sich in diesen Monaten neben mir angehäuft haben, ich lasse die Weihnachtskataloge aller Grützen und Richtungen durch die Finger laufen, ich blicke in einen Haufen Prospekte, die dem Weihnachtsfeste ihre Entstehung verdanken: überall das Wort Weihnachtsbuch — Weihnachtsbllcher — Zum Festgeschenk usw. usw. Ich sehe schon, sie alle sagen mir nichts. Da fasse ich mir einen — der soll beichten! Für all die anderen soll er mir, der beliebige, Rede stehen. Sehen wir, was er sagt. »Weihnachts-Bücher« steht darauf gedruckt. »Neue Weihnachts-Bücher« lautet die Überschrift des ersten Abschnittes auf der Innenseite, der sich wieder in folgende Unterabschnitte teilt: Novellen — Romane - Gesamtausgaben, Lyrik, Epos, Drama — Literaturgeschichte - Philosophie, Pädagogik — Religionswissenschaft, Erbau liches — Musik — Bildende Kunst — Geschichte, Kultur geschichte, Biographie, Briefe, Politik — Geographie, Reifen, Völkerkunde — Naturgeschichte, Hygiene, Technik — Bilder bücher — Jugendschriften für Knaben — Für junge Mädchen - Verschiedenes. — Weihnachtsbücher! Ja, warum denn Weihnachts- bücher? Bücher sind es eben, wie andere auch, will mir scheinen. Ich werde gegen mich selbst mißtrauisch und nehme meinen »Literarischen Ratgeber« zur Hand. Die Bücher sind da nach eiwas anderen Gesichtspunkten geordnet, es sind viel leicht einige Gruppen gebildet, die sich in den Abteilungen der Weihnachlsbücher verstecken, wie: Erziehung zur Kunst- reife — Kleid, Wohnung, Garten — Heimatschutz, Naturschutz, Denkmalpflege - Deutsche Sprache, Deutsches Volkstum — Volksbücher — Frauenfrage und anderes, doch kann ich nicht sehen, warum sich diese Begriffe nicht ebenfalls unter »Weih nachtsbücher« einordncn ließen, wie auch etwa Handel und Gewerbe, Rechts- und Staatslehre, Volkswirtschaftslehre oder Mathematik. Gemeinsam haben alle diese Gruppen nur das, daß sie sich zu Weihnachtsbüchern machen lassen durch ihre Ver wendung zu Weihnachtsgeschenken und daß es sich dabei durch gehend nicht um broschierte, sondern mit mehr oder weniger (meist mit viel »weniger«!) Geschmack gebundene Bücher handelt. Nicht immer zu ihrem Heil, denn ich z. B. wählte ein sonst gutes Buch dieser Tage nicht, da es gar zu »festlich« anssah. Wer s haben sollte, hätte meine Gabe verspottet. Man Pflegt Weihnachten als das Fest der Freude zu bezeichnen; wenn erfüllte Wünsche Freude machen, wird es das für Viele sein, denn abgesehen von lieblosem und sche matischem Schenken, wird vor den Festtagen viel geforscht und viel gesonnen, um Wünsche zu erfahren oder zu erraten. Da zeigt sich denn, daß der Bruder Arzt gerne ein Buch über Kunstgeschichte, der Neffe Chemiker eines über Staatslehre, die Braut eines über Goethe, der Freund ein solches über die Lurche der Heimat hätte. Für all das haben unsere Verleger reichlich gesorgt; es ist nur nötig, aus dem großen Vorräte von Literatur das sür den jeweiligen Zweck am meisten ge eignete Werk auszuwühlen, und — das Buch ist ein Weih- nachtsbuch. Es kann also nach dieser Auffassung einfach alles zum Weihnachtsbuch werden. Die Weihnachtskataloge deuten dies an, indem sie Bücher aus fast allen Wissensgebieten anpreisen. Lediglich Sparsamkeitsgründe bei der Herstellung dieser Bü cherverzeichnisse verhindern wohl, daß auch solche Literatur reichlicher angezeigt wird, die wegen der notwendigen sach lichen Vorbildung weniger die Propaganda in der weite» Allgemeinheit lohnt. Ganz stimmt diese Deutung des strittigen Begriffs aber doch nicht. Sehen wir näher zu: Der Begriff »Weihnachtsbuch« im Händlersinnc läßt sich in einer ganz bestimmten Richtung zunächst einschrän ken: es ist ein populäres Buch, eines, das jeder lesen und zur Not verstehen kann, der über die DurchschnittSbildung des Normal-Mittelschulmenschen männlichen oder weiblichen Geschlechter verfügt. Und es ist ein gebundenes Buch, wie schon bemerkt. Daraus ergibt sich die Tatsache, daß ein Buch umso eher ein Weihnachtsbuch ist, je weniger es von seinen Lesern Son derbildung voraussetzt; deshalb Wohl auch die Nennung der Novellen und Romane an erster Stelle in dem Kata log, von denen viele Hunderte in den Wochen vor Weih nachten mit Rücksicht auf den kommenden Bedarf ihren Geburtstag haben. Man mißverstehe mich nicht — ich weiß genau den Wert guter erzählen der Literatur zu schätzen und würde nicht versäumen, diese in einem Verzeichnis für Literatur k e n n e r ebenfalls an erste Stelle zu setzen, aber aus anderen Gründen als der Händler für die Menge, der zuliebe nun einmal die Kataloge zu Weihnachten herausgegeben werden. Weihnachtsbücher in besserem Sinne als das einzeln erwerbbare Buch sind die Gesamtausgaben. Die Höhe ihres Preises verhindert meist, daß ein Mensch in Durchschnitts- Verhältnissen, der für sich oder auch noch sür Angehörige zu sorgen hat, sie im Lause des Jahres für sich selbst anschafft. Zum Feste ist mancher froh, in ihnen ein willkommenes Ge- schenk gefunden zu haben, von dem er nicht fürchten muß, daß es eine Dublette ist. Der verhältnismäßig hohe Preis dieser Gesamtausgaben ist hier also gewissermaßen ein Werlsteigerer, während er sonst ein Verbreitungsbeschränker ist und — ob wohl es hier nicht eigentlich hergehört — ein Freudedieb und Bildungsbeschneidcr. Die Verleger, die Einzelbände von ihren Gesamtausgaben verkaufen, arbeiten nicht nur besser in ihre Taschen, sie tun es auch für die Sortimenter und das Lese publikum, denn es finden sich leicht 20 Leute, die einen ein zelnen Band taufen, ehe sich ein Mensch findet, der für einen Autor 15, 20, 35 aus einmal hinzulegcn in der Lage ist. Trotzdem sind aber die Gesamtausgaben von Werken der schönen Literatur zweisellos Weihnachtsbücher guter Art, wenn auch nicht reine Weihnachtsbücher. Ganz locker ist wohl wieder der Zusammenhang zwischen dem Feste der Geburt unseres Herrn und Heilandes zu Lyrik, Epos, Drama, cs sei denn, man nähme an, solche un nützen Dinge wie Versdichtungen und Theaterstücke kaufe sich ja der Beschenkte doch nicht selbst, er entgehe also ohne sie als Weihnachtsgabe der ihnen innewohnenden Freudewirknng; eine Unsicherheit hinsichtlich des in dieser Richtung Erwünsch ten und Bekömmlichen drückt sich in dem immer stärkeren An- schwcllen von Anthologien aus, die seit dem Erscheinen be kannter Vorbilder unter immer neuen Gesichtspunkten, oder auch ohne solche, auf den Weihnachtsmarkt kommen, soweit sie nicht aus ähnlichen Gründen schon zur Osterzeit der ins Leben tretenden Jugend geboten werden, mit oder ohne be wußt-ethischem oder religiösem Beigeschmack. »Literaturgeschichte« ist dann im Wegweiser für Bücher freunde zum Weihnachtsfesl ein weiteres Kapitel überschriebe». Ihm sind natürlich auch die Bücher über hervorragende Dich ter eingeordnet. Nebenbei — Literaturgeschichten im vollen Sinne sind kaum üblich; die Werke dieser Gattung sind ge meinhin mit dem gestillt, was die Erzeuger poetischer Literatur angeht, solcher, die Dramen, Epen, Lyrik oder Prosa-Epik, also erzählende Werke, geschrieben haben. Warum wohl unsere großen Geschichtschreiber, Naturwissenschaftler, Politiker usw. nicht in der Gesellschaft ihrer phantasievollen Zeitgenossen an zutrcffen sind? Ich glaube vor mir einen riesenhaften alt fränkischen Zopf grillenhaft baumeln zu sehen. Doch — Lite raturgeschichte und Christbaum? Wer reimt sie zusammen, f wenn nicht auch der nur zu dieser Zeit für so unnötige Aus-
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