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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.12.1879
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1879-12-03
- Erscheinungsdatum
- 03.12.1879
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- Deutsch
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279, 3. December. Nichtamtlicher Theil. 5055 betrachtet liegt in diesen Erscheinungen etwas Unsolides und das Publicum hat dies auch längst erkannt. Trotz alles Angesührten wird die Zahl Derer — seien es nun Interessenten oder nur Freunde des Althergebrachten — noch groß genug sein, welche in der neuen Forderung einen Rigorismus erblicken, der dem Volksbewußtsein zu wenig entspreche, vielleicht gar das Culturlcben beeinträchtige; denn nach ihrer Meinung werde gerade der bessere Theil der Literatur der Kenntnißuahme des unbemittelteren Publicums entzogen. Andere dürften die Productivzahlen Deutschlands (von circa 14,000 Nummern des Jahres 1878) denen Frankreichs und Englands (von etwa je 5000 Nummern) gegenüberhalten, um zu erweisen, daß Deutschland trotz seines seit einem Jahrhundert groß gewordenen Hanges zur Leihbibliothek die stärkste Privat-Consumption repräsentire. Und doch ist dieser letztere Schluß so wenig richtig, wie ich mich der vorher angedeuteten Besürchtung anschließen kann. Schreiber dieses hat bei seiner srüher ausschließlich buchhändlerischen Thätigkeit durch 17 Jahre hindurch eine daneben bestehende ziemlich umfangreiche Leihbibliothek mit Material versehen und dabei die Erfahrung gemacht, wie wenig nicht nur die populär-wissenschaft liche, sondern die ernstere und vielleicht gediegenere Unterhaltungs- literatur gesucht war; — nicht daß einzelne bedeutende Romane eines großen Leserkreises entbehrt hätten, — aber im Großen und Ganzen behielt doch nur der für wahre Bildung minder wichtige Theil der Literatur — der sensationelle, zum großen Theile repräsentirt durch die zahlreichen Uebersetzungen aus fremden Sprachen — die Oberhand. Diese für Schönheitsgefühl und Phan tasie wahrlich nicht wohlthätige Richtung ist zwar in den letzten zwanzig Jahren durch die um Volksbildung so verdienten „illustrirten Zeitschriften", welche für die besten literarischen Kräfte die höchsten Honorare zahlen können, weil sie in ungeheuren Auf lagen sich fortdauernd in die deutsche Familie einsühren, wohl verdrängt; ein weiteres Terrain werden die Besten unserer deutschen Schriftsteller aber auch für die Buchform gewinnen, wenn sie es nach und nach vermögen, sich von der Leihbibliothek auszu schließen und die alte Gewohnheit des Viel-Lesens und Viel-Ver- gessens ersetzen durch eine wiederholte Lectüre einiger erkaufter guter Bücher. So wird dem Besseren, wie ich hoffe, von vorn herein ein Uebcrgewicht verliehen werden über das Mittelmäßige; möglicherweise verringert sich auch die gegenwärtige Massen produktion. Und hier berühre ich zugleich den zweiten Punkt: die Productivzahl als Beweismittel für die Consumption. Die im Hinrichs'schen Kataloge aufgeführten Werke sind zu nächst nicht ganz und gar das Ergebniß des deutschen Buchhandels, sondern auch derjenigen Nachbarstaaten, welche nach Leipzig hin fortdauernde Beziehungen unterhalten. Mit Oesterreich-Ungarn, den Ostseeprovinzen, der Schweiz, mit den in Amerika und in anderen Welttheilen angesiedelten Deutschen bildet das deutsche Stammland ein Sprachgebiet, dem Wohl nur das englische zur Seite gestellt werden kann. Nun ist das englische Mutterland in der Verwerthung feiner Literaturproducte, verglichen mit dem unsrigen, wohl insofern im Nachtheil, als die englischen Sprach- Tochterstaaten sich zu einheitlichen Staatskörpern erhoben haben, eine selbständige, lebensfähige Literatur, z. B. in den Vereinigten Staaten Nordamerikas erzeugen und, was diese letzteren betrifft, nicht durch eine literarische Convention ihrem Mutterlaude handels pflichtig geblieben sind. England erfreut sich also keinesweges einer ausschließlichen Herrschaft über sein Sprachgebiet, wenn auch ein zelne hervorragende Erscheinungen, sobald sie billig genug geworden sind, um den Nachdruck überflüssig zu machen, eine große Absatzzahl erreichen mögen. Günstiger ist die Position des deutschen Bücher marktes, obschon durch Nachdruck auch vielfach beeinträchtigt, bei der Zerklüftung des deutschen Volkselements im Auslände; ihm steht keine collidirende nationale Production zur Seite und es er hält sich eine große Zahl zerstreuter kleiner Absatzgebiete. Weit wichtiger für unsere Erörterung aber ist noch die Thatsache, daß das Uebcrgewicht in unserer deutschen Productionszahl gar nicht durch die Literaturzweige hervorgerusen wird, welche zu der Leih bibliothek in irgend einer Beziehung stehen. Es sind wissenschaft liche, technische und formal-pädagogische Erzeugnisse, bei uns Deutschen in der mannigfachsten Schattirung vorhanden und jedem Bedürfnisse angepaßt, welche die Zahlen unseres Bücherkatalogs auf solche Höhe bringen und auch im Auslande vielfach Verwerthung finden. Die Belletristik z. B. hat an diesen Zahlen einen verhältniß- mäßig geringen Antheil. Und gerade auf diesem Felde ist der schädliche Einfluß der Leihinstitute am meisten fühlbar. Ein Blick auf die große Zahl der nach einem Jahre oft schon eintretenden Preisherabsetzungen gibt uns darüber Klarheit, wie haltlos der frühere Ladenpreis, aber auch wie unsicher das Speculationsgebict, in welchem Neulinge des Verlagsgeschäftes in unbegründeter Hoff nung aus die Verwendung in Leihinstituten produciren und fort und fort ihre Capitalien zusetzen. Wenn auch diese Unerfahrenen niemals aussterben, so bin ich doch der Meinung, das erwähnte Verlagsgebiet werde durch einen der absatzstörenden Verwendung entgegentretenden Gesetzesparagraphen übersehbar gemacht, der all mählich sich heranbildende nationale Bedarf genauer festgestcllt, und die nach Gehalt und Preis unnatürliche Produktionsweise in andere Bahnen gelenkt werden. Das Territorium des Französischen, als nationalen Mittels des Gedankenausdrucks, zu dem wir außer Frankreich: Belgien, die französische Schweiz, einen Theil von Algier und Mittelamerika rechnen wollen, steht dem Englischen an Umfang zwar immer noch nach; aber der facultative Einfluß der französischen Sprache, zu nächst auf die romanischen Schwesterländer Spanien und Italien, fast noch in höherem Maße aus Polen und Rußland, entfernter, aber immer noch schwerwiegend genug auf die orientalischen Länder, endlich auf Deutschland — obschon nach der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in Familienkreisen die englische Sprache ein Ueber- gewicht sich errang — ist ein so tiefgehender, daß sich wohl daraus der ungeheure Absatz von Senjationsromanen und die dadurch mögliche Preisangemessenheit der französischen Literatur erklären läßt. Eine genauere Untersuchung, und wieviel die Romanliteratur Frankreichs zur Zeit eines E. Sue, A. Dumas, P. Feval die in schweren Ladenpreisen dahinschreitende Belletristik Deutschlands in den 40er und 50er Jahren llbertras, würde zu überraschenden Re sultaten führen. Dieser Absatz drückt sich aber keineswegs durch eine hohe Zahl von Büchertiteln in den Katalogen aus. Es ist dort aber vorhanden, was wir für uns herbeiwünschen: die kolossale Vertriebsmöglichkeit gewisser hervor ragender Erzeugnisse, denen jeder Lesebedürstige durch Kauf seinen Tribut zahlt. Bei der wohlhabenden französischen Nation hat sich nämlich die Sitte gar nicht eingebürgert, ein Buch leihweise zu entnehmen, obschon eine gesetzliche Beschränkung dafür weder in Frankreich, noch in England existirt. 8i äuo iaoiuut iäsw, non sst ickem! Ein und dieselbe Voraussetzung hat unter verschiedenen Verhältnissen ganz verschiedene Wirkungen. Ich kann darum nicht Massen, in der oben vorgeschlagenen Maßregel für uns Deutsche die Heilwirkung zu suchen, wie sehr man auch mit dem beliebten „karü cka so" sie zu bekämpfen versucht sein möchte. Ich unterstelle diesen seit langer Zeit mich bewegenden Ge danken dem besseren Urtheile unserer buchhändlerischen, schrift stellerischen und an der Entwickelung der Nachdrucksgesetzgebung theilnehmendcn juristischen Capacitäten. Berlin. Eduard Quaas. 688»
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