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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.03.1888
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- 1888-03-05
- Erscheinungsdatum
- 05.03.1888
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die Einziehung des Klosterguts auf die Motive der Habgier und des Neides zurücksühre. Der Begriff »Thatsache« umfaßt aber nicht bloß die in die äußere Erfcheinung iretenden Ereignisse, sondern auch die im Innern der Menschen sich vollziehenden Vorgänge, wie Beweggründe, Absichten und Ziele (vergleiche Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen Band 4 Seile 232, Band 8 Seite 109). Inwiefern eine Bestimmtheit der behaupteten Thatsache» vermißt wird, ist nicht er findlich. Rcchtsirrtümlich ist auch der weitere Entscheidungsgrund des ersten Richters, daß die bezeichneten Verordnungen bereits ihre volle Er ledigung gesunden haben. Offenbar stellt sich hier der Richter aus den Standpunkt desjenigen Teils der Doktrin, welcher unter »Anordnungen der Obrigkeit« nur solche Maßnahmen verstanden wissen will, welche von der Regierungsgewalt des Staates in einer für die Regierten verbindlichen Weise erlassen und noch zur Zeit für die Regierten wirksam und verbindlich seien, nicht aber schon ihre volle, Wirkung gelhaii haben und zum Abschluß gelangt seien. Die Unhalt barkeit dieser Auffassung ist bereits in dem Urteil des Reichsgerichts vom 21. Juni 1881 (Entscheidungen in Strassachen Band 4 Seite 297- dargelegt. Der erste Richter stützt aber die Freisprechung noch auf solgende weitere Erwägungen: Die in Frage stehenden Verordnungen seien vor 60 Jahren er gangen und gehören ebenso wie die Verhältnisse, welche sic regelten, der Geschichte an; sie seien nicht von der gegenwärtige» Regierung erlassen; 8 13l habe aber den Zweck, die bestehende Rechtsordnung und somit auch nur die bestehende Regierung in ihre» Anordnungen zu stützen; die Rechtsordnung werde aber nicht gestört, wenn An ordnungen einer konkreten Regierung aus längst vergangenen Zeilen angegriffen werden; eine Kontinuierlichkeit der heutigen Regierung mit jener Regierung anzunehmen, erscheine unzulässig, zumal kein Reprä sentant der letztere» heute am Leben sei; wollte man dies lhun, so müßte man auch die Negierung ans den entferntesten Zeiten — zu Beginn des Staates — mit der heutigen in Verbindung bringen. Dieser Entscheidungsgrund rechtfertigt allerdings die Nichtanwendung des 8 131. Aus dem Wortlaut der Vorschrift läßt sich zwar eine der artige Einschränkung des Begriffs »Anordnungen der Obrigkeit« ebenso wenig herleiten, wie aus der Stellung der Vorschrift in> VIl. Abschnitt, welcher die Überschrift »Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung« trägt. Dagegen erheischt der Zweck der Vorschrift eine Aus schließung derjenigen Anordnungen, welche weder vom Kundgebenden in Beziehung zu der zur Zeit der Thai bestehenden Regicrungsgewalt oder deren Organen gesetzt sind, noch zu der bestehenden Regieruugs- gcwalt oder deren Organen in einer derartigen Beziehung stehen, daß in der Kundgebung ein Angriff gegen dieselben gesunden werden kann. Zunächst ist nämlich ein legislatorischer Grund »ichl erkennbar, welcher dazu hätte Anlaß geben können, auch solche Anordnungen unter Stras- schutz zn stellen, welchen lediglich eine geschichtliche Bedeutung zukommt, oder welche von der bestehenden Regierung als verfehlt erkannt und deshalb beseitigt worden sind. Die Entstehungsgeschichte des 8 13t läßt aber auch darüber keinen Zweifel, daß der Gesetzgebung solche Absicht fern lag. Die Motive zu 8Z 128, 129 des Entwurfs des Reichs Strasgesetz- buchs begründen die mit wesentlichen Einschränkungen erfolgte Über nahme des 8 lOl des preußischen Strafgesetzbuchs in das Reichs-Straf gesetzbuch durch Rücksicht aus die Gefährdung der Rechtsordnung, welche zu besorgen ist, wenn Maßregel» der Regierung durch Behauptung be stimmter verwerflicher Thatsachen in ihren Motiven und Zwecken ver dächtigt werden. Von einer Gefährdung der Rechtsordnung kann aber nicht die Rede sein, wenn Anordnungen einer früheren Regierung in Frage kommen, welche zu der gegenwärtigen Regierung in gar keiner Beziehung stehen, auch nicht fälschlich in eine solche Beziehung ge bracht sind. Ter nur mit Einschränkungen im 8 131 des Reichs-Strafgesetz buchs wiedergegebene 8 lOl des preußischen Strafgesetzbuchs haue zur ursprünglichen Grundlage den 8 151 Teil II Titel 20 des preußischen Allgemeinen Laudrechts: wer durch srechen unehrerbietigen Tadel oder Verspottung der Landes gesetze und Anordnungen im Staate Mißvergnügen und Unzufrieden heit der Bürger gegen die Regierung veranlaßt, hat . . . verwirkt. Hier ist die Erregung von Mißvergnügen und Unzusriedenheii gegen die Regierung als Thatbestandsmerkmal ersordert. Davon nahm man schon in de» Entwürfen von 1833 und 1836 Abstand, indem man die gegen den Staat, die Verfassung oder die Verwaltung desselben oder obrigkeitliche Anordnungen oder öffentliche Behörden gerichteten unehr erbietigen und beleidigenden Angriffe mit Sucase bedrohte. In den weiteren Stadien erachtete man cs für zweckmäßig, die Angriffe aus die Amtsehre der einzelne» Behörden hier ganz auszuscheide». Immer aber fand man das strafrechtliche Moment in der Gesahr für die innere Sicherheit, welche sich wesentlich in dem Vertraue» zu den staatlichen Einrichtungen und zu den Anordnungen der Staatsregierung gründet. (Vergleiche Goltdainmer, Materialien zum preußischen Strafgesetzbuch Band 2 Seite 158 u. solg.; Bericht der Kommission der II. Kammer zu 8 90 des Entwurfs des Strafgesetzbuchs; Bericht der Kommission der I. Kammer zu 8 66 des Entwurfs eines Gesetzes über die Presse, Drucksachen 1850/51 Nr. 88.) Als Objekt des Angriffs wurden also die Staatsregierung und deren Organe aufaefaßt, und zu Gunsten des Vertrauensverhältnisses zwischen der Staatsgewalt und den Staats angehörigen, als einer der wichtigsten Stützen für die öffentliche Ord nung, sollte gegen Schmähungen, Verhöhnungen u. s. w. Regression geübt werden. Es ist aber nicht erfindlich, wie dieses Vertrauen durch Angriffe aus Staatsaktionen, welche einer längstvergangenen Zeit an gehören und zur gegenwärtigen Staatsregierung in gar keiner Be ziehung stehen, beeinträchtigt werden soll. Eine Einschränkung des Be griffs »Anordnungen der Obrigkeit« in dem angegebenen Sinne ist danach als selbstverständlich voransg setzt.' Das ergiebt auch folgende Betrachtung: Der 8 10> des preußischen Strafgesetzbuchs enthält nicht als Erfordernis des Thatbestandes die Wissenschaft des Thäters von der Entstellung der behaupteten oder verbreiteten Thatsachen, weil man 1 auch die Fahrlässigkeit treffen wollte (Bericht der Kommission der II. Kammer zu 8 90 des Entwurfs des Strasgei tzbuchs). Nach der Wortfaffilng des 8 >01 wäre auch die geschichtsw-ssenschaftliche Dar legung der Motive und Ziele, welche bei Akten srüherer preußischer Staatsregierungen maßgebend gewesen sein sollen, nach dieser Straf vorschrift zu beurteilen gcwffen, falls dem Forscher ein aus Fahrlässig keit zurückzusührender Irrtum zur Last fiele. Das kann unmöglich be absichtigt worden sein. Daraus ergiebt sich, daß das preußische Gesetz nicht die Anordnung selbst, sondern die bestehende Staatsregierung oder deren Organe schützen wollte. Daß gegenwärtig 8 131 des Reichs- Strasgcsetzbnchs aus solche geschichtswissenschaftliche Darlegungen keine Anwendung finden kann, ergiebt sich klar aus der Fassung der Vor schrift. Da aber dem 8 131 gegenüber dem 8 101 des preußischen Strafgesetzbuchs unzweifelhaft eine Ausdehnung nach seiner Richtung hin bat gegeben werden sollen, wird ma» dem Begriff »Anordnungen der Obrigkeit« in 8 131 des Reichs-Strafgesetzbuchs eine umsassenderc Bedeutung nicht geben können, als ihm in 8 101 des preußische» Strafgesetzbuchs beigewohnt hat. Änzuerkenncn ist, daß die Feststellung, ob zwischen den zum Gegen stände der Kundgebung gemachten Anordnungen der Obrigkeit und der zur Zeit der That bestehenden Regierung Beziehungen vorhanden sind, im Einzelfall erheblichen Schwierigkeiten begegnen kann. Solche Schwierigkeiten liegen aber auf dem Gebiet ihatsächlicher Erwägungen und es muß deren Überwindung dem Thatrichter überlassen werden. Im vorliegenden Fall ist vom ersten Richter nicht festgestellt, auch von der Anklage nicht behauptet, daß in der Kundgebung die Einziehung der Klöster in C. und P. zu der gegenwärtigen Staatsregierung in irgendwelche Beziehung gesetzt worden sei. Daß thalsächlich eine solche Beziehung nicht vorhanden, nimmt der erste Richter vielmehr an, indem er eine »Kontinuierlichkeit« und Verbindung zwischen der früheren und der gegenwärtigen Regierung negiert. Der icchiliche Ausgangspunkt der erstricht erlichen Erwägungen muß als richtig anerkannt werden. Eine etwa irrige Auffassung historischer Vorgänge würde die Revision nicht begründen. 3) Unhaltbar ist dagegen die Erwägung, mittels welcher der erste Richter den Thatbestand einer Beleidigung (Strafgesetzbuch 8 185) negiert. Nach der Feststellung des ersten Urteils wird auf Serte 256 des vom Angeklagten niii Kenntnis des Inhalts verlegten und im Buch handel vertriebenen Buches über die Gründe berichtet, welche dazu An laß gegeben haben, die Stadt Marienwerder zum Sitz einer Regierung zu machen. Hieran wird folgende Bemerkung geknüpft: Von jener Zeit an kennzeichnete sich die Marienwerder Regierung und ist bis zuni heutigen Tuge berühmt — ub ueta st kuotu loguuntur — als die dem polnischen Element am meisten feindliche. Die Anklage findet in dieser Redewendung eine Beleidigung der Königlichen Regierung zu Marienwerder. Der erste Richter sührt dagegen aus: Der Ausdruck »feindlich« enthält durchaus nichts Ehrenrühriges und muß bei der Beurteilung von Maßnahmen der Regierung durch Mitglieder bestimmter politischer Parteien, zu denen auch die Polen zu rechnen sind, als durchaus statthaft angesehen werden. Es ist daher gugenommen, daß dem Angeklagten bei der Verbreitung jener Äußerung das Bewußtsein, sie sei sür die Regierung beleidigend, gefehlt habe. Diese Begründung ist unklar und unzureichend. Die Anklage findet offenbar in jenem Passus den der genannten Behörde gemachten Vor wurf. daß sie durch ihre Maßnahmen mehr, als andere Behörden, eine feindselige Gesinnung gegenüber dem polnischen Teil der Bevölkerung ihres Bezirks bethäiigt habe und daß ihre amtlichen Verfügungen von dieser Voreingenommenheit Zeugnis ablegtcn. In diesem Sinne ist der Vorwurs einer seindlichcn Gesinnung gegen einen Teil der Bewohner ^ des Landes zugleich der Vorwurf der Parteilichkeit und zweifellos be- § leidigend. Ob aber in diesem Sinne der Ausdruck »feindlich« in dem Buche gebraucht sei, hatte der erste Richter zu prüfen, und er erledigt weder die Anklage, noch geht er von dem Verständnis des Begriffs der Beleidigung aus, wen» er unter allen Umständen in dem Ausdruck nichts Ehrenrühriges und den der Regierung i» Beziehung aus ihre 154*
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