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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.01.1888
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1888-01-30
- Erscheinungsdatum
- 30.01.1888
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. Ein offenes Wort über die literarische Überproduktion und die literarische Ausbeutung. Wer das tägliche Leipziger Zettelpaket durchzusehen hat, kennt die mit den immer zahlreicher werdenden Etablissements Cirknlaren Hand in Hand fortwährend sich steigernde Flut von Ankündigungen neuer und neuester Erscheinungen. Wem aber der Genuß versagt ist, hier die Spreu vom Weizen zu sondern, dem giebt das täglich dicker werdende Börsenblatt genugsam Gelegenheit ähnliche Wahrnehmungen zu machen, und selbst die geringe Zahl der Glücklichen, welche die Klippe einer gewissenhaften Durch sicht des Börsenblattes zu übergehen in der Lage sind, können sich durch die alljährlich veröffentlichten Übersichten überzeugen, daß nicht nur ein fortdauerndes numerisches Übergewicht der deutschen litterarischen Erscheinungen über die anderer Länder, sondern auch ein erschreckendes Anwachsen unserer Litteratur von Jahr zu Jahr stattfindet Wir beschränken uns deshalb hier darauf nur beispielsweise anzuführen, daß, während die beiden Hinrichs'schen Bücherverzeich nisse vom Jahre 1872 auf einem Raum von 708 8'.-Seiten 8958 neue Erscheinungen angaben, die genannten zwei Verzeich nisse vom Jahre 1886 bei gleichem Druck und Format, 1073 8".-Seiten umfassend, bei einem Zuwachs also von 365 Seiten aus eine ungefähre Gesamtzahl von 15000 schließen lassen, eine Ver mehrung also von rund 5000 innerhalb eines Kalenderjahres nach einem Zeitraum von nur 15 Jahren! Zunächst wirkt unstreitig diese große Zunahme und das steigende Angebot auf die ohnehin bereits übersättigte Kauflust des Publikums ungünstig ; die damit Hand in Hand gehende Vermehrung der geistig mittelmäßigen oder unbedeutenden Er scheinungen beeinträchtigt zweitens den Absatz und damit die materiellen Lebensbedingungen des geistig Bedeutenderen; endlich drittens aber tritt noch ein schädigender Faktor hinzu in der mehr und mehr auflretenden litterarischen Ausbeutungssucht, zunächst in der periodischen Litteratur und durch dieselbe. Die von Jahr zu Jahr zahlreicher werdenden, sich den Platz streitig machenden »belehrenden und unterhaltenden« Wochen-, Monats-, Vierteljahrs- u. s. w. Zeitschriften nehmen nachgerade Zeit und Lesekraft zahlreicher Leserkreise derart in Anspruch, daß auch hierdurch der Bücherabsatz -entschieden mehr und mehr be einträchtigt wird, zumal da viele dieser Zeitschriften auch äußerlich, durch bildliche Darstellungen einladend und bestechend und dadurch häufig geradezu vom eigentlichen Inhalt ablenkend, vorweg Be schlag legen auf einen namhaften Teil auch bedeutenderer Geistes- produkte, die, angezogen durch schnellere Erscheinungsweise, durch verlockendes Äußeres und auch wohl durch bessere Honorierung, hier einen Platz suchen und finden, sodaß, wenn sic dann später einer selbständigen Ausgabe eines und desselben Schriftstellers eingereiht werden sollen, ihnen häufig dort der dafür nolwendige Leserkreis und Absatz verringert wird. Aber noch ein anderer, nicht zu unterschätzender Übelstand ist bei manchen dieser periodischen Erscheinungen zu rügen: es wird hier durch die überhandnehmende Verbreitung eines enchklo- Pädischen Wissens die Bildung zahlreicher Leserkreise, namentlich des gebildeten Mittelstandes, mehr und mehr verflacht. Viele jener Zeitschriften, die ursprünglich ausschließlich der sogenannten schönen Litteratur zugewandt waren, haben in neuerer Zeit auch die schönen Künste, die Geschichte, namentlich die Biographie, den Briefwechsel, sogar die Tagespolitik, ja selbst einzelne Fachwissen schaften , wie Rechts- und Heilkunde, in ihre Sphäre gezogen. Die weiter hinten angedeutete geringe Zunahme der noch jctzt als ausschließlich der schönen Litteratur angehörig in den Kata logen bezeichneten Zahl giebt davon Zeugnis. Nach den Hinrichs'schen Katalogen betrug die Anzahl deutscher Zeitschriften aller Art im Jahre 1872 1026. Diese Ziffer ist im Jahre 1886 bis auf 1726 gestiegen, ergiebt also inner halb 15 Jahren einen Zuwachs von 700. Es sind dies demnach etwa 11(496 aller Erscheinungen des Jahres 1886. Erwägt man aber, daß in der oben genannten Gesamtzahl von 15 000 die Fortsetzungen älterer Bücher,ferner die Flugschriften, die Karten u. s. w, eine nicht unbeträchtliche Zahl bildet, so stellt sich jener Prozentsatz zu Ungunsten der nenerschienenen Bücher des Jahres 1886 noch wesentlich höher. Bezeichnend für die verschiedenen Litteratnrfächcr ist nun das Verhältnis des Wachstums in den einzelnen derselben inncr- halb der letztverflossenen fünfzehn Jahre. Die Handelswissenschaftcn (einschließlich der Gewerbskunde) stehen sowohl in der Gesamtzahl ihrer periodischen Erschei nungen als auch nach dem Zunahmegrade seit 1872 obenan. Der Hinrichs'sche Katalog von 1872 giebt ihre Zahl auf 120, derjenige von 1886 aber auf 265 an, also eine Zunahme von 145. In der Reihenfolge des Zunahmcverhältnisses folgen nun die Volksschriften mit einer Vermehrung um 62 seit 1872, diesen zunächst die Staats- und Rechtswissenschaften, sowie die Geschichte mit ihren Hilfswissenschaften mit je 54, dann die Heil kunde mit 47, die Knnstlitteratur (einschließlich Malerei, Bild hauerkunst und Musik) mit 42, die Erziehungsschriften (ein schließlich deutscher Schulbücher) mit 39, die technische Litteratur (Bau-, Maschinen-, Eisenbahn-, Bergwerks- und Schisfahrtskunde) mit 37, die Theologie (einschließlich der E-banungslitteratur) mit nur 30, bei einer Gesamtzahl von 207; hiernach, die Forst- und Jagdkunde mit 28, die Haus- und Landwirtschaft mit 26, die Naturwissenschaften (einschließlich Chemie und Pharmacie) mit nur 23 (nämlich 94 im Jahre 1886 gegen 71 im Jahre 1872, was bei der großartigen Entwickelung dieser Wissenschaften auffällig ist.) Die gleiche Zunahme von 23 weist die Erd- beschreibungslitteratur auf; ihr folgen die neueren fremden Sprachen mit 20 (1872 zählten sie nur 6, 1886 26), die ency- klopädischen Wissenschaften (einschließlich der Sammelwerke) mit 1!-!, die vermischten Schriften mit 17, die Jugendschriften mit 13. Den Reigen schließen dann die Kriegs- und Sportskunde, die alten Sprachen (einschließlich der Orientalia), die Mathematik, die Freimaurerei, die sogenannten schönen Wissenschaften (Romane, Gedichte, Theater) mit beziehungsweise 11, 5, 4, 4, 1. — Die Gesamtzahl der letzteren ist seit 1872 von nur 17 bis 1886 also nur um 1 gestiegen! Einzig die Philosophie ist von 1872 bis 1886 in ihrer perio dischen Litteratur von 7 auf 4 zurückgegangcn, was in der Thal für uns Deutsche, die wir von Ausländern das »philosophische Volk« genannt werden, bezeichnend zu nennen ist. So sehr die Bedeutung und der Einfluß anerkannt werden muß, welchen berufene Federn im Gebiet der periodischen Litte- ratnr sowohl auf das größere Publikum, als namentlich auf die sogenannten Fachkreise ausüben, so wenig bestritten werden kann, daß in der Fachlittcratnr die periodischen Erscheinungen natur gemäß unentbehrlich und von bedeutendem Werte sind, so muß doch, dünkt uns, die gerade hier vielfach zunehmende, bereits oben er wähnte Ausbentungslust getadelt werden, welche um so beklagens werter ist, als dem Fachmann die ihm unentbehrliche Lektüre der Periodischen Fachblätter durch den Ballast von Wiederholungen des ihm bereits Bekannten erschwert und unerquicklich gemacht wird, ganz abgesehen von der Schädigung des Originalverlegers. Aber nicht nur auf dem Gebiete der periodischen Litteratur findet eine solche Ausbeutung statt, sondern auch bei Büchern. Es beweist dies die fortwährende Zunahme sogenannter kompila- torischer Erzeugnisse auf den verschiedensten Litteraturgebieten, und zwar solcher, die ohne eigene geistige Zuthaten in erster Linie den Zweck verfolgen, aus fünf Büchern ein sechstes her zustellen. 68*
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