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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.11.1932
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- 1932-11-21
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- 21.11.1932
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Nr. 271. Leipzig, Montag den 21, November 1932, W. Jahrgang. Der alte Aeim Frankfurter Zeitung kenMelon Der alte Heim Von Ernst Heilborn Wer der alte Heim war? Der Arzt Berlins. Wenn es in der Ärzteschaft der Hauptstadt Männer mit nach haltigeren wissenschaftlichen Leistungen gegeben hat und noch gibt, — keiner, der von der Gesamtheit der Bevölkerung derart als Helfer gesucht worden wäre. Den jeder rief und der zu jedem kam. Heim, damals 59 Jahre alt, reitet durch den Tiergarten, seineKran- ken aufzusuchen, er begegnet dem König, der zu Fuß geht, und der sagt ihm: „Gehe morgen zur Armee. Leben Sie wohl, lieber Heim." Das war vor der Schlacht bei Jena. Ein paar Jahre später sitzt Heim am Sterbebett der Königin Luise, und sie hält krampfhaft seine Hand und läßt sie nicht los. Aber ob der Heim nun vollends zum „alten Heim", einem Mann von über 70 Jahren, geworden ist — irgendein Bettelarmer zieht nachts die Glocke an seinem Haus in der Kronenstraße, er steht auf und folgt ihm in irgendwelche entlegene Kammer. Hatte an fünfStun- den Schlaf ohnedies übergenug Folgt eine lange eingehende Besprechung, die damit schließt: Ein einspinnendes, seelisch erquickendes Buch! * Ein Lebensroman wie Carl Ludwig Schleichs „Be sonnte Vergangenheit", nur ein ganzes Jahrhundert früher. Künstlerisch schlichtes, aber auch ein breites, farbiges Gesell schafts- und Kulturgemälde. Ein alter Thüringer Dorfpfarrer, der seine sieben Kinder spartanisch erzieht, Hofleben, Universitäts betrieb des 18. Jahrhunderts in Halle, Leiden, London und Paris. Ernst Heim wird der. gefeierte und volkstümliche Ber liner Arzt, der die Hand der sterbenden Königin Luise hält und in die hohen Stockwerke Alt-Berlins steigt. Sonniges Glück breitet sich vom Thüringer Vater her über der weitverzweigten tüchtigen Familie aus. Fester Vorsehungsglaube, Kühnheit im Beruf, taktvolle Liebe, gesunder Witz und sichere Natürlichkeit begleiten die reiche Lebensarbeit des Hochbetagten. — Den Arzt wird manches fachlich interessieren. Jedem gebildeten Menschen wird das schlichte, warme Familien- und Charakterbild eine Be reicherung sein. Loewe, Odenspiel in „Buchkammer". Gute Biographien und Selbstbiographien sind ein Quell der Be lehrung und Erbauung. Man lernt treffliche Menschen kennen und vergangene, z. T. bedeutende Zeiten werden lebendig. Ernst Ludwig Heim starb achtundachtzigjährig. Bei seinem goldenen Doktorjubiläum ernannte ihn die Stadt Berlin zu ihrem Ehrenbürger. Der König lud ihn zu Gast. Eine Schar von Verehrern, darunter Staatsminifter von Altenstein, Graf Gneisenau und Staatskanzler Fürst Hardenbera, stiftete ein ganzes Fuder edlen Rheinweins, das mit Musik und Fackeln inmitten einer unabsehbaren Menschenmenge zu seiner Wohnung gefahren wurde. Galt es doch dem allverehrten, geliebten Arzt und Menschenfreund, dem weit und breit berühmten „alten Heim". Noch heute ist sein Andenken in Berlin nicht erloschen; das Märkische Museum besitzt eine Sammlung von Erinnerungsstücken an ihn. Schon als Student in Halle fing er an zu praktizieren. In Ein Familienbuch nach Briefen, Tagebuchaufzeichnungen mündlicher und schriftlicher Überlieferung. Mit guten Vollbildern. Leinen RM 6.— Berlin hatte er in manchen Jahren über tausend zahlende und dazu 2—3000 nichtzahlende Patienten. In seinem 74. Lebens jahre waren es noch insgesamt über tausend, im 81. Jahre noch 600 Patienten, und noch mit 84 Jahren übte er seine Praxis aus! Hufeland sagt von ihm, daß die Leute sich schon gesund fühlten, wenn er nur ins Zimmer trat. In der hübschen Dar stellung des Buches steigt aus den Aufzeichnungen seines Tage buches, aus Briefen und Erzählungen das ganze alte Berlin vor uns auf. Den Alten Blücher feierte er in kurzem Toast als den jüngsten Doktor nach der Verleihung dieses Titels an Blücher durch die Universität Oxford, worauf dieser umgehend sein Glas auf den „Feldmarschall der Doktoren" austrank. Schon um 6 Uhr morgens behandelte er seine „Nichtzahlenden", die sich oft zu Hunderten in seinem Zimmer drängten, und erst um 10 Uhr abends war seine Praxis zu Ende — dann las er noch seinen Homer oder sonst ein gutes Buch. Selten schlief er länger als 3 Stunden. Glücklich war sein ganzes Leben. „Ich besitze ein zufriedenes und heiteres Gemüt." „Was ist unser Leben, wenn es nicht fröhlich ist." Und als hoher Achtziger: „Ein Leben ohne Tätigkeit ist kein Leben für mich." Schwere Schicksalsschläge, wie den Tod seiner Tochter Henriette v. Grolmann, trug er mit Er gebenheit: „Dies hat Gott getan. Ich bin ruhig. Er sei ge priesen, der uns schuf und sterben heißt." Im Hinblick auf die Unsterblichkeit, an die er mehr und mehr glaubte, setzte er sich selbst die Grabschrift: „Kein Ort der Trauer für die Familie Heim." — Ein reiches Familienleben breitet sich vor uns aus. Ein Sohn und vier Schwiegersöhne kommen glücklich und mit Ehren durch die Freiheitskriege — herrliche Briefe werfen Schlag lichter auf die bewegte Zeit. Um zwei Zentren gruppiert sich die Darstellung des Buches in der Hauptsache: Um Berlin und um das kleine Dörfchen Solz bei Meiningen mit seinem Pfarrhaus, von wo das reich ent faltete Leben des alten Heim seinen Ursprung nahm. Dazwischen führt uns der Entwicklungsgang unseres Helden durch ganz Deutschland, Böhmen, Holland, England und Frankreich. Die Schilderung des Pfarrhauses und seiner Bewohner macht einen besonders wertvollen Teil des Buches aus. 200 Jahre sind die Heims dort Pastoren gewesen. Der alte Magister Heim tritt mit aller Deutlichkeit vor uns hin. Die sechs Söhne werden alle vom Herrn „Magister" bis zu ihrem sechzehnten Lebens jahr unterrichtet. Ein gewaltiges Stockregiment hält die Bande in Ordnung. Und doch hängen sie am Vater mit der größten Verehrung. Sein unbedingtes Vertrauen zu ihrem Arbeitseifer und ihrer Rechtschaffenheit erwidern sie mit größter Hingabe an ihre Pflicht. Der Alte ist aber auch ein ganzer Mann. Bringt er es doch fertig, mit einem Einkommen von 200 bis 300 Ku ranttalern sämtliche sechs Söhne studieren zu lassen, die es dann auch alle zu etwas Tüchtigem im Leben gebracht haben. Aus der Verehrung und Liebe zu den E.tern entspringt ein groß- artiges Zusammenhalten und gegenseitiges Sorgen füreinander unter den Brüdern und ihren Familien ein langes Leben hin durch. Treffliche Briefe aus allen Zeiten der Entwicklung legen hiervon Zeugnis ab. Immer wieder treffen sich die Brüder einmal in der alten Heimat, eine Leistung zu einer Zeit der Verkehrsschwierigkeiten ohne Eisenbahn! Fünf Brüder gelobten einmal, ehe sie sich wieder trennten, einander am Grabe der von allen grenzenlos geliebten Mutter treue Bruderliebe und einen christlichen Lebenswandel im Geist der Verklärten. Das war keine Phrase. Das Schönste war es für den „alten Heim", wenn ihm seine treüe Lebensgefährtin die Bergpredigt vorlas. Aber er war kein Duckmäuser. Im Gegenteil. Köstliche Blüten seines trocknen Humors zieren noch heute die Berliner Anek dotensammlungen usw. Professor Or. Biedermann, Berlin ,,Der alte Heim" wird eins der gefragtesten Geschenkbücher werden und bleiben. LNavttu IVavneM LDerrlas * Vevliu LV Y Börsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel. SS. Jahrgang. 769
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