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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.10.1933
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1933-10-03
- Erscheinungsdatum
- 03.10.1933
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- Deutsch
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irlne Eltern sind Heinrich Bentlage und Emma Ostendorf zu Bippen. Ich wurde als das fünfte ihrer Kinder am 24. März 1891 auf dem Hof ' Bentlage im Kirchspiel Menslage geboren, unter einem hohen schwarzen Strohdach voll grüner Moospolster, in einem uralten Haus aus Fachwerk und Lehm wänden,- einstmals einem Wasserschloß zwischen Sümpfen und Mooren, an das 1648 ein Stück angebaut wurde, das bis vor wenigen Jahren immer noch „Das neue Ende" hieß. Das Haus, das von Eichen umstanden war — oft deutlich ächzte und seufzte vor Alter und im Sturm beim Gedonner der Bäume leise schwankte und zitterte, wurde vor einigen Jahren abgebrochen, aber auf einer Siedlung im Moor noch einmal wieder aufgeführt, weil das Holz noch kerngesund gewesen war. Meiner Geburt nahe vorauf ging ein Ereignis, das dieselbe beschleunigt haben soll. Nämlich eines Tages brachte man meiner Mutter den Vater auf einer schnellgezim merten Bahre ins Haus,- er war beim Niederstürzen einer mächtigen Eiche von einem ihrer weitausladenden Aste zu Boden geschlagen und halb erdrückt worden. Mein Vater lebt heute noch, aber damals erlitt meine Mutter, die mich eben bei sich trug und ihn für tot hielt, einen solchen Schrecken, daß ich durch diesen das Licht der Welt vor der Zeit erblickt haben soll. Die ersten Lebensjahre sind erfüllt von bleicher Angst vor großen Hunden, Zigeunern, Schornsteinfegern - die manchmal zu viert bis fünft auf ihrem gelben Wagen auf unfern Hof kutschiert kamen, um sich von dort aus über die Gegend zu verteilen, und vor Schneider Scheerhorn, der mich fast Nacht für Nacht bis in den Traum verfolgte, für meinen Vater arbeitete, beim Sprechen Speichel verspritzte, eine weiß- und schwarz- Außerdem hatte ich noch Angst vor groß Ich glaubte auch, daß alle Menschen ein! sie taten und sagten, einen mir verborge! Dann kamen eine Ewigkeit hindurch Toren, die einen bellend, das heiße M! mit starken Schulkindern, die einen knuss auch verteidigten und einmal sogar an e! Darunter gab es Besuchsfahrten zu Ol Vettern und Basen, deren alte Höfe al ähnlich unserm eigenen Hof, wie kleineDö'I um ihre Gärten hatten, geschnittene Lauben Türme von hundertjährigen Eiben,- die in und tiefe Stuben, die ewig dunkel waren! Waren nicht meine beiden Eltern Dicht! Geschichten, sagte uns Balladen und sang uns alte unbekannte Lieder und erzl wunderbaren Leuten, unter den merkwü! tragen hatte, in der es Wiesen gab wig aber keinem Grund darunter,- in der jäh l sanken,- in der es lange Reihen von Hünl zeugen, Urnen und Römerwaffen. War! gewesen, war ihr so viel Merkwürdiges konnten, nicht bei ihr gewesen zu sein. Mit meinem Vater durfte ich oft Wag kleinen Städten und Dörfern, Höfen un Wege, jeden Hof und jedes Holz, jedes < und mir bei stockfinsterer Nacht Irrlichterl stümpfe, die dazu mit ihrem Holz noch la Auch alle Onkel und Tanten waren Dl über ihr Feld und über ihr Vieh spra Leuten auf den Höfen rund um sich he kürzer tot waren, von denen aber auch nl Auch alle unsere Knechte und Mägde dia Welt aussah und wie es darauf zuging, der Welt und eine ganz bestimmte Vorjs darauf,- besonders von den Holländern Väter Kunde gebracht hatten, die noch jel Und Dichter waren auch unsere Vettern! und Heide und uns bei dunkler Nacht ließen — auf Dielen mit flackernden Feu! liche Menschen hin, deren Tun wir ateml Bald fing ich an, mit dichterischen Stoffs im Sturme wunderbar hin- und herbogel lichen Spielen fort, in gewaltigem Raul Heft, um niederzuschreiben, was so gewall Dann kamen Jahre, die alle künstlerische! mußte tüchtig Mitarbeiten, feierte schöne I und gelbe Gamaschen trug und dessen kichern kam. find, Sündflut und Gewittern, lmnis vor mir hätten, und daß alles, was iinn hätte. ochulwege mit großen Hunden vor allen den Waden, aneinander weitcrlieferten,- luckten und drohten, einen dazwischen aber Kilometerstein das Taschenmesser schliffen, und Tanten und einer Reihe prachtvoller ade irgendeines Bruches oder Moores, lEichenhatnen lagen,- die geschorene Hecken rln, Pyramiden und Figuren darin: wahre I Häusern Dielen hatten wie aus Museen, oaumschatten, Nebeln oder Wolken. )eden Abend erzählte uns meine Mutter auf und alte überlieferte Weisen. Sie hon ihrer Jugendzeit, die sich unter lauter Umständen und in einer Gegend zuge- -ummi: nur mit einer Grasdecke oben, ' und Stücke Erdreich ins Bodenlose ver lern gab und Sandbölle voll Steinwerk- e Mutter nur eine einzige Stunde fort fahren, daß wir uns nicht genug grämen rn machen durch Bruch und Moor — zu delungen, wobei er über jeden Stein am und jeden Stumpf Geschichten erzählte f St. Elmsfeuer und leuchtende Weiden- nmerten. ! Sie erzählten ebenfalls, wenn sie nicht lauter wunderbare Geschichten von den zwar zum Teil meist schon länger oder nug lebten. Sie erfuhren und lernten nicht, wie die Im machten sie sich aber doch ein Bild von vom prachtvollen Leben der Menschen dänemarkern, von denen diejenigen ihrer fommcr zur Arbeit hingezogen waren, en Höfen, die uns Mitnahmen in Bruch blinde Fenster in einsame Häuser sehen her in matterhellte Stuben, auf absonder- obachteten. fingen,- sprang jäh aus Bäumen, die sich l Heuboden herab, oder mitten aus herr- I meine Kammer, an mein blaues Schul- ängte, und brachte es - nicht heraus, ligung in den Hintergrund drängten. Ich durfte viele Reisen machen, bis ich 1914 durch ein schweres Erlebnis aufgerüttelt wurde, mich gegen die Meinen abschlvh unvl anfing, ernsthaft zu zeichnen und zu schreiben, worin ich Fortschritte gemacht hatte, ohn«^ mich geübt zu haben. Meine Mutter und Schwestern, die mich sonderbar fanden, glaubten mich vor begkn-I nender Schwermut, oder sogar Verrücktheit bewahren zu müssen und beschlossen, mich! zu einer augenblicklich in Nürnberg lebenden Schwester und ihrem Mann zu schicken ^ und mich dort die Kunstschule besuchen zu lassen. Ich sträubte mich heftig dagegen, fühlte mich dadurch völlig gestört, aber man ließ mir I Hüte garnieren, kaufte mir Kleider und Kostüme, belegte für mich einen Platz auf der I Kunstschule, drückte mir eine Fahrkarte in die Hand und schob mich vergnügt ab. In I Nürnberg kam ich am 1. Oktober 191Z zu Rudolf Schiestl in die graphische Klaffe. Ich ^ arbeitete mit Feuereifer, kopierte abwechselnd Dürer und Richter. Am Schluß ves Semesters war ich Rudolf Schiestls Braut, einige Monate später I seine Frau. Ihm allein habe ich zu danken, meinen künstlerischen Weg gefunden zu haben,- durch ihn wußte ich plötzlich, worauf es ankommt in der Kunst. Ich schrieb vom ersten Tage an Tagebücher in der Art des Mörickeschen Haushaltungs-! buches, Erinnerungen und Skizzen, bis ich 1926 mit meiner ersten Erzählung aus Tirol zurückkam. t er Verlag freut sich, eine wahre Dichterin entdeckt zu haben. Mit dem Buch.. l/nrer cksn Licken"* ist etwas ganz Neues geschaffen worden, jenseits aller Literatur und Kunst. In zwölf innerlich und äußerlich miteinander verwobenen Erzählungen vom deutschen Norden wird ein Volk vor uns lebendig, das wir vermeinten, nur noch in der Sage suchen zu dürfen. Aber in dieser Biographie eines deutschen Stammes schenkt uns Margarete Schiestl-Bentlage die Wirklichkeit eines Schatzes von unerschöpflichem Reichtum. Wir bewundern die schlichte, reife Art ihres Erzählens. Wir leben mit ihr auf den großen, einsamen Höfen unter den Eichen. Jede einzelne Szene steht unverkennbar und leuchtend vor unserem Auge. Wir find gepackt von der fast männlichen Kraft, mit der sie die Schicksale dieser natur- und kindhaften Menschen meistert, und wir lieben ihre tiefe Güte und Weisheit und ihren göttlichen Humor, der stets neben aller erschüttern den Tragik zu spüren ist. Das Große und Letzte des Werkes, das, was ihm jene kaum erreichbare Vollkommen heit gibt, liegt in der seelischen Einheit, die aus Landschaft und Menschen wächst. Die Dichterin verschmilzt Schicksal und Erde zu einem Neuen, das uns in seinem Zusammen hang offenbart, wie sehr wir alle einander verbunden sind. Geschlecht auf Geschlecht ging über die niedersächsische Ebene, stark, treu und beharrlich: Jahrhunderte sprechen in diesem Buch, das einer Landschaft ergreifendes Denkmal setzt und uns eine neue Liebe lehrt — die Liebe zur Gemeinschaft. *l/nter tien Dicken. ^lus rienr I/eben eines tienksc^en Grammes 294 Seiten. Geheftet 3.80. Leinen 5.50. Erscheint Anfang Oktober ) >1/ Paul List Verlag Leipzig
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