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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.12.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-12-13
- Erscheinungsdatum
- 13.12.1934
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- Deutsch
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1P LSO, 13. Dezember 1934. Redaktioneller Teil. Vörs-nbt-tt f. !>.DIschn.B„chhand,l Stiefkind Bilderbuch Von Dr. Willi Fr. KöniHer Gerade vor Weihnachten! Gerade weil jetzt die Bilderbuch- Auslagen nichts Besonderes sind! Gerade weil jetzt doch oft ein wenig schlechtes Gewissen dabei ist, wenn die alten Bestände vom vorigen Jahr von den verstaubten Regalen im hintersten Winkel hervorgeholt werden! Gerade deshalb heute ein Wort, ein sehr ernstes Wort über das Bilderbuch! Soll der Erwachsene immer den Vorzug vor dem Kind haben? Er findet tagaus, tagcin, im Februar wie im Mai und November und zu Weihnachten seine illustrierten Bände: deutsches Land oder Kriegsgeschehen, Fliegerei oder Abcnteuer- fahrtcn. Er blättert sie gern durch, die Bildbände, nicht nur zu Weihnachten. Der Buchhändler hat sie immer für ihn bereit, nicht nur zu Weihnachten. Und das Kind? Seine Bilderbücher haben eben bis Ostern zu reichen. Dann spielt cs im Garten oder auf der Straße, wahrscheinlich bis Okto ber. Im November werden nochmals die Weihnachtsgabcn vom Noch 31 Tage bis zur EaaraWmmung! Uns geht es nicht um Eisen und Kohlen. Uns geht es um den deutschen Menschen an der Saar. Saarland ist seit alters urdcutsches Land. Deutsch sind Bauer und Bergmann. Wir wissen es. Wir warten mit Euch auf den Tag, der wahrmachen wird, was ein Sohn Eurer Erde aus heißem Herzen Euch zuruft, und wir stimmen mit ihm ein in den Ruf der Gewißheit: „Dann brecht Ihr durch die Tore heim ins deutsche Land, und seid erlöst von hartem, grenzenlosen Leid". Rudolf Heß vorigen Jahr herausgeholt, und den Dezember erfüllt die Vor freude. Also: die Zeit des Bilderbuchs ist die Weihnachtszeit. Nein, dreimal nein! DieZeitdes Bilderbuchs ist das ganze Jahr, wohlgemerkt das ganze mit zwölf Mona ten zu dreißig oder einunddreißig Tagen! Welcher Erwachsene sitzt nicht gern in einer Stunde der Er holung über einem Bildband? Nicht nur die Unterhaltung ist Freude, auch das Lernen, das Erfahren, die Kenntnis, die so viel leichter eingehen aus dem Bild als aus dem Text. Das Bild ver langt keine Arbeit, doch Aufmerksamkeit. Das Bild verlangt Teil nahme, verlangt ein waches Auge. Und es gibt Wissen von den fernsten Dingen, von den fremdesten. Der Erwachsene würde nie aus sein Recht verzichten, das er auf das Bild hat. Und dem Kind soll dieses Recht genommen, vor enthalten werden, da es doch noch viel größer ist? Der Erwachsene sucht Bekanntschaft mit der Welt und ihrem Geschehen. Er weiß, daß er sie nicht nur in der tatsächlichen, son dern gerade in der Welt der Vorstellungen, in der vom Menschen geschauten und gestalteten Welt findet. Er weiß, die Welt ohne den Menschen nützt ihm nichts. Denn da erst beginnt die Kultur, wo der Mensch die Dinge dieser Welt gestaltet, wo er sich mit ihnen auseinandersetzt, schöpferisch, mit Bezug auf sein tätiges Leben. Wie oft vergleicht man ein Volk mit dem Menschen, seine An fänge mit der Zeit der Kindheit! Auch beim Kind beginnt die Kultur an einem Punkt, demselben: da, wo es anfängt, seine Umwelt zu sehen, sie zu sich in Beziehung zu setzen, sich in sie einzuordncn.' Das ist ihm aber nur möglich in der menschlichen Form, auf die auch der Erwachsene nicht verzichten kann. Nichts aber ist im Kindesleben wichtiger als dieser erste Versuch einer Bekanntschaft mit der Welt und die Formen, in denen er sich vollzieht. Sollte dieser Bedeutung genug geschehen, wenn sie sechs Wochen vor Weihnachten anerkannt und in ihrem Wert bejaht wird? Die Erkenntnis: das Bilderbuch ist für das Kind kein Luxus, kein Geschenkartikel, der seinen Wert im besonderen Anlaß zum Schenken hat. Das Bilderbuch ist ein unentbehrliches Mittel im Entwicklungsablauf des werdenden jungen Menschen. Daß die Menschen als Erwachsene oft falsch sehen und urteilen, folgt aus dem Charakter unzähliger Bilderbücher, die für das Kind aus der Welt des Erwachsenen heraus entstanden sind. Das Kind will za gar nicht unsere Vorstellungsformen. Und wir haben nicht das Recht, die Vorstellungswelt des Kindes nach unserm Muster zu vergewaltigen. Darum ist das Bilderbuch, das die Welt mit den Augen des Erwachsenen ge sehen darstellt, ein Verbrechen am Kind. Wer lächelt heute noch überlegen beim Anblick primitivster Kunstäußcrungcn niederer Volksstämme? Nur der Dumme! Denn auch unser Weg führte einmal über diese Primitivität. Wer aber — und wir schlagen alle an unsere Brust — hat nicht schon über die Unbeholscnheit im Kinderbildevbuch gelächelt, mit dem geheimen oder ausgespro chenen Gedanken, es sei doch wohl richtiger, dem Kind fertige, vollendete Bilder vorzulegen? Das Bild, das die Hände eines Nur-Erwachsenen gezeichnet haben, bleibtdem Kinde fremd. Es will seine Welt, seine Farben, feine Formen, seine Perspektive. Daß es sich eines Tages darüber hinausentwickelt — dafür sorgt schon die Natur. Es wird älter, es lernt lesen. Das Bild überwicgt noch immer, aber der Text taucht auf, nimmt allmählich mehr und mehr Raum ein. Das Kind nähert sich mit seiner Einfühlung in das beschriftete Bild der Vorstcllungswelt des Erwachsenen, es wächst aus der Welt der Anschauung in die Welt des abstrakten Denkens hinein, es lernt gliedern, ordnen, deuten. Wer wollte dieser Entwicklung dadurch vorgreisen, daß er dem Kind im Bild die Ansicht des Erwachsenen von seiner Um welt gibt? Der Stahlstift der Mannigfaltigkeit findet für seine Arbeit im Loben des Erwachsenen eine große Kupferplatte, über deren Reich tum an Prägungen, Licht und Schatten manche Einzelheit ver- lorengeht. In der Vielsalt verliert der einzelne Eindruck an Be deutung. Anders im Leben des Kindes: die Einzelheit Prägt sich ein, sticht hervor, bestimmt stärker. Und damit wächst die Verpflichtung derer, die die Verant wortung für das Wachsen des kindlichen Geistes, der kindlichen Seele tragen. Der billige Eindruck haftet so stark wie der wertvolle. Aber in der Wertlosigkeit des ersten liegt seine Gefahr. Darum: das Bilderbuch mutz vor allen andern Bücherngutsein! Darum: im Bilderbuch ist Schund gefährlicher als bei allen andern Büchern! Ist das schon genügend bedacht? Was verlangen wir heute vom Schrifttum für den Er wachsenen, auf welche Forderung haben wir uns mit der Erkennt nis vom Werden des Volkes, vom Werden zum Volk besonnen? Das Buch soll Aufbau zeigen, soll wcitcrbringen, im weitesten Sinn sittlichen, das bedeutet schöpferischen Wert haben. Diese Erkenntnis gilt in vornehmerem, weil wirkungsvollerem Maße vom Bilderbuch und ist doch zu selten ausgesprochen. Der Erwachsene — lassen wir ihm seinen frommen Glauben! — ist dem Kind gegenüber reif: er kann anerkennen, kann ablehnen. Das Kind nimmt auf, ohne selbständig viel zu werten. Der Schund auf dem Bildcrbuchmarkt ist nicht nur Sünde gegen das Kind, er ist Verbrechen am Menschen überhaupt, der auf solcher Grundlage wächst, ist Verbrechen am Volk. Das Bilderbuch ist kost bar wiedie Seele des Kindes. Solche Einsicht ist bedeutsam für den Bilderbuch-Verleger. Große Auflagen billigster Bilderbücher — billig hat hier nicht nur etwas mit dem Preis zu tun! — sind leider bisher noch das bessere Geschäft gewesen, aber ein Geschäft, das schleunigst unterbunden werden muß. Das Geld, das aus der Gefährdung derkindlichenSeeleindenKa st enrollt,! st Blut geld, auch wenn diese Gefährdung auf scheinbar unbedeutendsten Wegen geht. 1088
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