Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1926
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104, k, Mai 1926. Rcdaltioireller T«il. BSrtenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Die Zensurfrage kommt in den Staaten nicht zur Ruhe und wird immer wieder von den verschiedensten Seiten erörtert. Auch der Witz hat sich der Zensur bemächtigt. Ein Schriftsteller fragt einen Kollegen: »Ist der Roman von N. N. endlich erschienen?«. Der Gefragte ant wortete: »Noch nicht, vor dem Kriege fürchtete der Verleger, das; das Buch beschlagnahmt werden würde, uird jetzt befürchtet er, daß es nicht beschlagnahmt wird.« Im Jahre 1876 wurde am 4. Juli die Hundertjahrfeier der Un- abhängigkeitserklärung begangen, und dies Jahr war auch gleichzeitig das Gründungsjahr der amerikanischen Bibltotheken-Vereiutgung (American vibrarx ^sgoeistion). Diese Vereinigung hat daher in diesem Jahre ihre 50-Jahrfeier, und sie ladet dazu die Bibliothekare und Freunde des Bibliothekswesens aus aller Welt ein. Die Feier lichkeit wird vom 4.-9. Oktober in der für Kongresse bevorzugten schönen Badestadt Atlantic City (New Jersey) abgehalten (s. a. Bbl. Nr. 71, S. 387). Der amerikanische Verleger George Palmer Putnam organisiert und leitet eine Grönland-Forschungsreise, um Gegenstände für die meereskundliche Abteilung des ^meriean dlukeuw ok Natural lliotor^ in Ncw Aork zu sammeln. Als Begleiter hat Knud Nasmussen zu- gcsagt. 8cü. Wie hoch dürfen die Finanzämter bei nicht ordnungsmäßiger Buch führung schätzen? — Ober die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer ordnungsmäßigen Buchführung sind viele Steuerpflichtige immer noch nicht im klaren. Der Neichsfinanzhof hat vor kurzem in einer Ent scheidung — Urteil vom 17. September 1925, VI L 158/25 — eingehend zu der Frage, wie hoch die Finanzämter bei nicht ordnungsmäßiger Buchführung schätzen dürfen, Stellung genommen. Dem Urteil lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde: Ein Steuer pflichtiger hatte, wie durch Buchprüfung scstgestellt worden war, keine ordnungsmäßigen Bücher geführt, und es wurde deshalb vom Finanzamt eine Schätzung auf Grund des 8 210 NAO. vorgenommen. 8 210 be sagt, daß dann zu schätzen ist, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Stcuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann. Das Ergebnis dieser Schätzung überstieg nun nach Aussage des Steuerpflichtigen das wirkliche Einkommen um ein Be trächtliches. Es wurde also deshalb gegen die Schätzung des Finanz amts die Nechtsbeschwerdc eingelegt und in dieser unter Ausführung mehrerer von dem Finanzamt zu hoch festgesetzten Einkoinmenposten um Berichtigung der Schätzung gebeten. Der Neichsfinanzhof versagte aber der Beschwerde den Erfolg, trotzdem er zugeben mußte, daß ver schiedene Schätzungen des Finanzamts tatsächlich zu hoch waren. Die Ablehnung der Beschwerde begründete der Neichsfinanzhof damit, daß das Ziel einer Schätzung auf Grund des 8 210 NAO. nicht darin be stände, nur alle nachweisbaren Umsätze und Gewinne zusammenzu tragen, sondern darin, das wirkliche Einkommen bzw. den tatsächlichen Umsatz eines Steuerpflichtigen zu ermitteln. Um dieses Ziel zu er reichen, müsse berücksichtigt werden, daß die Zusammentragung aller nachweisbaren Beträge noch keineswegs unbedingt das wirk liche Ergebnis darzustellen brauche. Vielmehr dürfte es den Fi nanzämtern in den meisten Fällen unmöglich sein, wirklich alle Be träge zusammenzubringen. Es sei zur Abstellung dieses Ubelstandes deshalb notwendig, die Schätzungen über daS wirklich nachgewiesene Ergebnis hinaus noch entsprechend zu erhöhen. Diese Ausführungen des Reichsfinanzhofs zeigen mit aller Deut lichkeit, daß sich die Finanzämter bei der Vornahme von Schätzungen nicht darauf beschränken sollen, als Schätzungsergebnis nur die Be träge anzusetzen, die an Hand von Büchern oder sonstigen B-legen einwandfrei festgestellt werden können, sondern daß auf diese festge stellten Beträge außerdem noch ein gewisser Nisikoaufschlag gemacht werden soll, und zwar für die Beträge, die eventuell den Feststellungen entgangen sind. Es wird also Hiermit den Finanzämtern gewisser maßen anheimgestellt, über das Maß ihrer Schätzungen noch willkürlich hinauszugehen. Es ist, soweit man die bisherige Praxis der Finanz ämter kennt, anzunehmen, daß sie von dieser Befugnis weitestgehenden Gebrauch machen werden und es dann den Steuerpflichtigen überlassen, auf irgendeine Art und Weise den Gegenbeweis zu führen. Das wird in der Praxis in den meisten Fällen auf Schmierigkeiten stoßen, da sich die betroffenen Steuerpflichtigen gerade durch das Fehlen einer ordnungsmäßigen Buchführung des besten Beweismittels selbst be raubt haben, sodaß ihnen nichts anderes übrig bleibt, als die viel zu hohen Steucrbeträge zu entrichten. Es kann deshalb allen Ge werbetreibenden nur dringend ungeraten werden, ordnungsmäßige und einwandfreie Bücher zu führen. vr. G. Hauptversammlung des Hansa-Bundes. — Der Hansa-Bund für Gewerbe, Handel und Industrie hält seine Hauptversammlung am 7. und 8. Mai d. I. in Stuttgart ab. Der Präsident des Hansa- Bundes, vr. Fischer, Köln, M. d. N., spricht über: »Die wirtschafts- und finanzpolitischen Gegenwartsforderungen«. Advokat vr. E. v. Hofmannsthal, Wien, hält einen Vortrag über das Thema: »Die Ver einheitlichung des deutschen und österreichischen Wirtschaftsrechts als Vorstufe großdeutscher Wirtschaftseinheit«, und Reichsminister a. D. Dcrnburg wird in einem umfassenden Referat die Forderungen ver deutschen Wirtschaft zur Weltwirtschaftskonferenz darlcgen. Der Leiter der Abteilung für Auslandsrecht beim Hansa-Bund, Rechtsanwalt vr. Rost, Berlin, wird über die Bedeutung des internationalen Rechts für den deutschen Kaufmann und Industriellen Bericht erstatten. Ge neraldirektor vr. Fick, Würzburg, spricht über »Die internationalen Probleme der modernen Sozialpolitik«. Starker Rückgang der Konkurse im April. — Nach Mitteilung des Statistischen Neichsamts wurden im April durch den »Neichsanzeiger« 1302 neue Konkurse — ohne die wegen Massemangels abge lehnten Anträge auf Konkurseröffnung — und 9 2 3 angeordnete Geschäftsaufsichten bekanntgegeben. Die entsprechenden Zahlen für den Vormonat stellen sich auf 1871 bzw. 1481. Die XI. Wiener Internationale Messe (Herbstmesse) findet dies mal vom 3. bis 12. September 1926 statt, wird also zwei Tage längerdauern als die bisherigen Messen. Lagebericht des Zentralausschusses der Papier-, Pappen-, Zell stoff- und Holzstoff-Industrie für den Monat April. — Die Lage der papicrerzeugenden Industrien ist gegen die Vormonate kaum ver ändert. Die Zellstoffpreise erfuhren eine geringe Senkung, ebenso einige Papiergruppen. Wegen der anhaltenden Unsicherheit und Ka- pitalknapphcit wird auch weiter von den Käufern große Zurückhaltung geübt. Trotzdem zum Teil auf Lager gearbeitet wird, sind erhebliche Produktionseinschränkungen durch Kurzarbeit bzw. Stillegung nötig. Ein Dickens- und ein Thackeray-Muscum in London. — Bei der diesjährigen Feier des Geburtstags von Charles Dickens am 7. Fe bruar wurde von den literarischen Vereinen Londons beschlossen, das Wohnhaus des größten englischen Humoristen in der Doughty Street in London anzukaufen und zu einem Dickens-Museum umzugestalten. Abgesehen von Handschriften und Bildern, wie sie sich in jedem der artigen Museum befinden, will man hier den Hauptwert auf eine Sammlung aller Erstdrucke der Schriften von Dickens legen, und zwar nicht nur auf englische Erstdrucke, sondern auch auf die Erstdrucke seiner Übersetzungen, mögen sie nun zu seinen Lebzeiten oder erst später er schienen sein. Die gleiche Ehrung wie Dickens soll auch Thackeray er fahren, dessen Wohnhaus im Kensington-Viertel Londons augenblicklich zum Verkauf ausgeboten ist. Die Verehrer Thackerays fürchten näm lich, daß das Haus, in dem der berühmte englische Schriftsteller jahr zehntelang wohnte und seine bedeutendsten Romane schrieb, dein fort schreitenden Verkehr zum Opfer fallen werde, wenn es nicht in staat lichen oder städtischen Besitz überginge und als Thackeray-Museum vor der Zerstörung geschützt wäre. Das Musikhistorische Museum iu Florenz. — In Florenz ist das neu gegründete und dem Konservatorium Luigi Cherubim angegliederte Museum für die »Geschichte der Musik« eröffnet worden. Den Grundstock dieses einzigartigen Instituts bildet die bekannte, von dem kunstliebenden Großherzog Ferdinand II. von Toscana (gestorben 1670) zusammengebrachte mediceische Jnstrumentensamm- lung, deren Verwaltung sein Sohn Cosimo lll. im Jahre 1716 dem Paduäner Cembalisten Bartholomeo Christofori, dem Erfinder dcS Klaviers, übertragen hat. Überdies sind die bibliothekarischen Rari täten des Museums nicht minder bedeutend, so die wertvollen Codices des 15. und 16. Jahrhunderts, Erstausgaben von Giacomo Peri, Palestrina, und ein »Stabat Mater« von Alessanbro Scarlatti. Die Einweihungsfeier wurde durch ein Kammermusikkonzert auf den alten Meisterinstrumenten wirkungsvoll eingcleitet. Kostbare Goethe-Briefe. — Zu den kostbarsten Schätzen der Leip ziger Universitätsbibliothek gehört die Goethe-Sammlung des Verlegers Salomon Hirzel, der bekanntlich auch der Verleger und Freund Gustav Freytags war. Wie schwer es Hirzel oft gemacht wurde, seine kostbaren Schätze zusammenzubringen, zeigt folgendes hübsche Geschichtchen, das sich in FreytagS Lebenserinnerungen findet. 585
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