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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.09.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-09-04
- Erscheinungsdatum
- 04.09.1934
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- Deutsch
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X: 206, 4. September IS34. Fertige Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. 3461 Keiner von uns wird je die zwei Stunden des Wartens vergessen unter den erbleichenden Sternen, während langsam das fahle Licht eines trüben Tages heraufdämmerte. Und wir wußten, so standen acht Kompagnien im Graben, Mann bei Mann, den ganzen Höhenrücken hinauf, alle wie wir fröstelnd, be klommen, die Minuten zählend. Um sieben sollten die Minen in die Lust gehen. Mit wildklopfenden Herzen stand man, die Uhr in der Hand. Der Zeiger rückte auf sieben Uhr. Immer noch blieb alles still. Line Sekunde, zwei Sekunden. Line grüne Rakete zischte empor. Dann erbebte die Lrde, der Berg schien zu wanken. Alles drängte nach den Sturmleitern. Ost hatten wir Offiziere uns bang gefragt, würden die so furchtbar mitge nommenen Leute noch fähig sein, einen Sturm auszusühren? Und nun geschah, was die kühnste Hoffnung nicht auszudenken gewagt hatte. Ich habe nie Ähn liches erlebt. Ls war, als wenn jedes erstorbene Röcheln und jeder vergossene Blutstropfen sich mitemporgeschwungen hätte auf die Brustwehr in der rasenden Begierde, dieses zwanzig Schritt breite Stück Lrde, den Inbegriff aller ausge- ftandenen Qualen, endlich unter die Füße zu treten und zu überspringen! Ich war der erste auf meiner Sturmleiter, und doch, als ich oben stand und lossprang, war es, als würde ich von der Welle mitgerissen. Ich kam vorbei an zwei bis an die Hüsten in der Lrde steckenden, schreienden und mit den Armen um sich schla genden Franzosen. Ich sah einen breitschultrigen Alpenjäger dicht vor mir zum Wurf ausholen, ich entriß einem neben mir Hingeftürzten das Bajonett und rannte es jenem durch den Leib. Der gesprengte Graben wurde überrannt, mit brausendem Hurra ging es weiter nach dem zweiten Graben. Was dort Wider stand leistete, wurde mit Handgranaten und dem Bajonett niedergemacht. Und weiter ginge, vom Rausch des Stürmens sortgerissen, den Hang hinab und über einen dritten unbesetzten Graben, bis wir am Fuß der Anhöhe standen. Vor uns dunstige Wiesen. Kein Schuß fiel. Kein Feind zu sehen. Wir sahen uns um. Überall kamen die Unsrigen den Hügel herab. Sieg! Sieg! Wir fielen uns um den Hals, lachten und weinten und küßten einander. Beinah unfaßbar schien uns das Lrlebte. Drei Gräben erobert, weit über das befohlene Ziel hinaus! Der Lorettoberg war unser! Unbegreiflich, daß wir ohne die geringste Störung uns hier in lichten Reihen aufstellen und uns ein graben konnten und in aller Ruhe nach rechts und links Verbindung ausnehmen konnten. Wie wurden die Meldungen begrüßt, die nach und nach einliefen, von der Anzahl der Gefangenen und der Waffenbeute und den geringen Verlusten bei uns. Wie freudig und beglückt war der Bataillonsführer, der durch die Stel lungen ging und uns dankte und uns die Hände schüttelte. Und meine Leute! Ls war, als wäre ich von neuen Gesichtern umgeben. Wie heiß waren sie bei der Arbeit, wie klug und hell zeigten sie sich im Beobachten der leisesten Bewegungen. Der Feind schien völlig überrumpelt. Nervös und unsicher war das wenige Feuer seiner Artillerie. Schon hatten wir hüsthohe Gräben, als gegen Abend aus einem der Wald stücke vor Schloß Noulette ein kraftloser, verwirrter Gegenangriff vorbrach. Schwarze! Turkos! Der Ruf ging von Mann zu Mann. Der Lkel, der sich in jenen Herbst- und Wintermonaten in der Brust des deutschen Soldaten ange sammelt hatte, über die einem weißen Volk von einem andern weißen angetane Schmach und über den gottlosen Verrat am gemeinsamen Blut - wie äußerte er sich plötzlich mit elementarer Gewalt in meiner kleinen Schar. Ls bedurfte keines Kommandos. Schnellfeuer! lies es durch die Reihen. Dann sprangen sie vor. Das Seitengewehr verschmähend, mit den Kolben der umgekehrten Ge wehre schlugen sie die entsetzt Flüchtenden nieder. Die Nacht kam. An die Brustwehr gelehnt, und, die Hand am Gewehr oder am Hahn der Leuchtpistole in das Dunkel starrend, mal einnickend, mal uns wach haltend mit Graben oder mit Gesprächen, so warteten wir den Morgen heran. - Grauen beschleicht mich und unendliche Trauer erfüllt mein Herz, wenn ich der beiden Tage denke, die nun folgten. Der Sieg war uns zugesallen, aber was kostete es, das Gewonnene zu behaupten! Don diesen Tagen spricht keiner, mit Schweigen, wie mit einer Schneedecke, möchte man alles dort Geschehene ein hüllen. Zwei Tage lagen wir fast ohne Schutz in einer Granathölle von nie ge ahnter Schrecklichkeit. Ihr Kameraden, mit denen ich dort lag Leib an Leib, zit ternd, todgeweiht, als Schild gebrauchend die Leichen unserer gefallenen Brüder, noch jetzt in meinen Träumen bedrängt mich eure von wahnsinniger Angst ge hetzte Schar und sehe ich eure irren Blicke hilfesuchend aus mich gerichtet, der nicht Helsen konnte, und ich sehe uns in unserer Verlassenheit warten auf den Wiederbeginn des höllischen Feuers. Und immer wieder aufs neue erlebe ich die Stunde, als endlich in der dritten Nacht die Ablösung kam; wie (ngel, vom Himmel herabgestiegen, erschienen uns die Grenadiere, die mit Holz beladen in ihren schmucken Uniformen in die Stellung einzogen. Rückmarsch der zusammengeschossenen Kompagnien, zum Teil ohne Offiziere, und dann, gegen Mittag: unser Linmarsch in Lens bei klingendem Spiel, noch im Schlammkleid, stumm begafft von den Truppen und der berausgeftrömten Bevölkerung; die Brust zum Sprengen erfüllt mit der Seligkeit des heimge brachten Lebens, mit unbändigem Stolz und mit den Schauern einer säst un tragbaren Schwermut. Lin wundersamer Schimmer liegt über der folgenden Zeit, die wir zubrach ten in einer ruhigen Stellung am Rande von Lens. Land der schwarzen Lrde, t4olr, mit deinen Fördertürmen und Schlackenhalden, deinen schmucklosen Triften und deinen Armut und härteste Arbeit forterbenden Bewohnern, wie ein Paradies erscheinst du uns! Anfangs erging es uns wie Menschen, die lang im Dunkel geweilt haben und die Helligkeit kaum ertragen, wir waren verschlossen und scheu vor den wohltuenden Lindrücken, den stillen Abenden, der traumhaften Behaglichkeit in den mit ein paar Geräten eingerichteten Arbeiterstuben, vor den Frauen und Kindern, mit denen wir lebten. Nach und nach gewöhnte man sich. Loretto! Der Name lag in der Luft. Keiner sprach davon, alle dachten es. Wenn wir im Morgendämmern nach geschehener Ablösung aus der Stellung still hinaufrückten nach unseren Quartieren, wenn am östlichen Horizont die erste zarte Morgenröte heraufzog, die Vögel leis zu zwitschern begannen und im Tal hinter uns die weißen Gräben und die Kohlenhalden im Nebel versanken, ging es mit uns. Wie oft würden wir noch so dahinziehen und einrücken in unser friedliches Dorf? Später am Tag: die Musketiere liegen vor den Ruhequartieren im Gras und sonnen die braunen Leiber; Blütendust, schwankende Narzissen in den Gär ten. I>lotre Dame cke l^orette, rester llckele a ls brsnce! beten die Franzosen weiber. Nix fidel! grinsen die Kerle. Gerüchte gehen um. Kommt das Regiment wieder auf Loretto? Abends - in der Ferne ein sanftgeschwungener blauer Hügel. Da! Blitz neben Blitz, dumpfes Rollen, Rauchwölkchen, Kette von Rauchwolken, es schwillt an, bis der Hügel in eine einzige Säule von Rauch und weißem Dampf gehüllt ist. Line halbe Stunde später alles vorbei, friedlich liegt der Hügel wieder unter dem zarten blaßgrünen Himmel. Lorettobraut, blutgetraut, Soldatenbraut! Tage der Lrwartung! Tage des Grauens vor dem Kommenden und der stillen Zwiesprache mit der eigenen angstvollen, wildaufbegehrenden Seele! Tage trautesten Umgangs miteinander und einer inbrünstigen Hingabe an jeden Augenblick! Nie war uns der Himmel blauer, die Blumen lieblicher und die Mädchen reizender und schwellender erschienen. Das Paradies ist aus Lrden, und ist aus dem schmalen Pfad zwischen Leben und Tod. Als am 26. Mai der Abmarsckbesehl eintraf und der Kommandeur die Offi ziere des Regiments zur Besprechung versammelte, begann er mit den Worten: Meine Herren, ich sehe an Ihren strahlenden Augen, daß ich Ihnen nicht mehr Mut zuzusprechen brauche. Wie ein Sturm gehl dieser Bericht über die Leser hin, ergreift ihn und läßt ihn teilnehmen an der Größe und Ehre echten Soldatentums. 2m Frontkämpfer aber, gleichgültig welcher Waffe, Wachen alle alten Erinnerungen auf. Lin Dichter hebt verborgene Gefühle, dem Einzelnen ehemals kaum bewußt geworden, an den Tag. Und nun, aus dem notwendigen Abstand gesehen und gedichtet, erlebt jeder feine eigene .große" Zeit, über die diese Dichtung einen eigenartigen stolzen Glanz breitet. Lin Buch für alle, das nicht nur die Wirklichkeit gibt, sondern das Beste zeigt, was der Krieg gebracht hat. ^ die Erfüllung des Manneslebens ^ ^ die selbstlose Einsatzbereitschaft ^
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