Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.11.1933
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1933-11-18
- Erscheinungsdatum
- 18.11.1933
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19331118
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193311183
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19331118
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1933
- Monat1933-11
- Tag1933-11-18
- Monat1933-11
- Jahr1933
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
269, 18. November 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b. DtschnBuchhandel. ln sich aufnimmt, ihre Zielsetzung zu der seinen macht. Kurz und gut, wenn er nicht in ihrer Nachhut, sondern in ihrer Vorhut mit marschiert. Jede Revolution hat ihre Tendenz; sie hat ein Ziel, das sie ver ficht und dem sie mit leidenschaftlichem Bemühen zustrebt. Sie wird nicht Ruhe geben können, bis dieses Ziel erreicht ist; und ist es er reicht, dann muß sie eifersüchtig darüber wachen, daß es aus- gebaut und gesichert wird. Hier aber wird das Wort Ten denz in eine höhere Bedeutung hineingehobcn, als es sie im trivialen Sinne genießt. Tendenz an sich ist weder gut noch böse und weder bcjahens- noch verneinenswert. Es geht immer um das Ziel, das sie will. Seine Größe gibt auch der Tendenz ihre Größe, und seine Bedeutungslosigkeit läßt auch sie zum bloßen Schemen verblassen. Revolutionen, die eine Umwälzung größten historischen Ausmaßes vollziehen, verfechten eine Tendenz, deren Größe dementsprechend ist. Sie muß bejaht werden, wenn man die Revolution bejaht. Ver neint man sie, dann stellt man sich nicht gegen die Tendenz, sondern gegen die Revolution selbst und wird früher oder später in ihrem Strudel untergehen. Revolutionen sind im Leben der Völker notwendig, und zwar werden sie immer dann kommen, wenn die normale Entwicklungs fähigkeit eines Volkes infolge der Erstarrung ihres organischen Lebens so verkrustet und verknorpelt ist, daß damit eine ernsthafte Bedrohung des gesunden Volksdaseins eintritt. Krisen, die gesetz mäßig nicht mehr gelöst werden können, werden entweder durch Ge walt gelöst, oder sie treiben zum Untergang des Volkes, das von ihnen befallen ist. Revolutionen haben deshalb auch ihre sittliche Berechtigung; sie vollziehen sich nach einer höheren Moral, als sie legalen Vorgängen innewohnt. Es verdient dabei kaum eine Be achtung, ob sie von gelegentlichen Exzessen begleitet sind; man kann ein Kind nicht nach den Kinderkrankheiten beurteilen, und man darf ein Licht nicht ausblasen, um den Schatten zu beseitigen. Volkwerdung der deutschen Nation. Der Sinn der Revolution, die wir gemacht haben, ist die Volkwerdung der deutschen Nation. Diese Volk werdung war zweitausend Jahre lang die Sehnsucht aller guten Deutschen. Man hatte sic auf gesetzmäßige Weife, ich weiß nicht wie oft, versucht; jeder dieser Versuche war fehlgeschlagen. Erst in diesem heißen Ausbruch der nationalen Leidenschaften unseres Volkes wurde sie möglich. Ihr Vollzug war um so mitreißender, spontaner und wilder, je länger man versucht hatte, sie durch künstliche Stau dämme aufzuhaltcn. Was von oben nicht gekonnt und meistenteils auch nicht gewollt wurde, das haben wir von unten praktisch durch geführt. Das deutsche Volk, einst das zerrissenste der Welt, durch Parteien und Meinungen fast atomisiert, in seine Bestandteile auf gelöst und damit zur weltpolitischen Ohnmacht verurteilt, seit 1918 ohne Waffen, und was schlimmer noch war, ohne Willen, sich unter den anderen Völkern zu behaupten, erhob sich in einer einzigarti gen Demonstration seines nationalen Kraftgefühls und vollzog da mit eine Einigung, die bis dahin nur von wenigen starkgläubigen Menschen für möglich gehalten, von allen anderen aber als un wahrscheinlich, gegen jede Erfahrung und Lehre der Geschichte ge richtet, belächelt und abgelehnt wurde. Wir können heute die historische Tragweite dieses Bolkwer- dungsprozesses überhaupt noch nicht überblicken. Wir selbst, die wir ihn vorbereitet haben, stehen vor ihm in staunender Bewunderung, ohne uns seiner Größe und seiner in Zukunft hineinwirkenden Be deutsamkeit überhaupt bewußt zu sein. Wir haben durch unsere Re volution eine Vergangenheit deutscher Ohnmacht überwunden, das deutsche Volk hat sich in ihr selbst wiedergesunden, sie hat dem deut schen Wesen einen neuen Charakterzug ausgeprägt. Man wird für alle Zukunft von Deutschland nicht reden können, ohne von ihr auszugehen. Grenzen der individuellen Freiheit. Das System, das wir niederwarsen, fand im Liberalismus seine treffendste Charakterisierung. Wenn der Liberalismus vom Individuum ausging und den Einzelmenschen in das Zentrum aller Dinge stellte, so haben wir Individuum durch Volk und EinzelmenschdurchGemeinschaft ersetzt. Freilich mußte dabei die Freiheit des Individuums insoweit eingegrenzt werden, als sie sich mit der Freiheit der Nation stieß oder in Widerspruch befand. Das ist keine Einengung des Freiheitsbe griffes an sich. Ihn für das Individuum überspitzen, heißt die Freiheit des Volkes aufs Spiel setzen oder doch ernsthaft gefährden. Die Grenzen des individuellen Freiheitsbegrisfes liegen deshalb an den Grenzen des völkischen Freiheitsbegriffes. Kein Einzelmensch, er mag hoch oder niedrig stehen, kann das Recht besitzen, von seiner Freiheit Gebrauch zu machen auf Kosten des nationalen Freiheits- begrifses. Denn nur die Sicherheit des nationalen Freiheitsbegriffes verbürgt ihm auf die Dauer persönliche Freiheit. Je freier ein Volk ist, desto freier können sich seine Glieder bewegen. Je eingeengter aber seine nationale Daseinsgrundlage, um so illusorischer eine ver meintliche Freiheit, die seine Kinder genießen. DasgiltauchfürdenschafsendenKünstler. Die Kunst ist kein absoluter Begriff; sie gewinnt erst Leben im Leben des Volkes. Das war vielleicht das schlimmste Vergehen der künstlerisch schassenden Menschen der vergangenen Epoche, daß sie nicht mehr in organischer Beziehung zum Volke selbst standen und damit die Wurzel verloren, die ihnen täglich neue Nahrung zusührte. Der Künstler trennte sich vom Volk; er gab dabei die Quelle seiner Fruchtbarkeit auf. Bon hier ab setzt die lebens bedrohende Krisu der kulturschafsenden Menschen in Deutschland ein. Kultur ist höchster Ausdruck der schöpferischen Kräfte eines Volkes. Der Künstler ist ihr begnadeter Sinngeber. Es wäre vermessen, zu glauben, daß seine göttliche Mission außerhalb des Volkes vollendet werden könnte. Sie wird für das Volk durchgcführt, und die Kraft, deren er sich dabei bedient, stammt aus dem Volk. Verliert der künstlerische Mensch einmal den festen Boden des Volkstums, aus dem er mit harten, markigen Knochen stehen muß, um den Stürmen des Lebens gewachsen zu sein, dann ist er damit den Anfeindungen der Zivilisation preisgegeben, denen er früher oder später erliegen wird. Ist die eben überwundene deutsche Geistesepoche nicht ein be redter Beweis dasür? Die deutsche Kunst, losgelöst von den Kräften des Volkstums und nur noch einem individuellen Freiheitsbegrifs huldigend, der sehr bald in der geistigen Anarchie ausmündete, ver lor sich im Gestrüpp des modernen Zivilisations-Taumels und war bald nur noch Experiment, Spielerei oder Bluff. Sie hatte jede Kühnheit der Konzeption, jeden Mut der Gestaltung und jede Verwegenheit des Stils verloren. Sie sank herab zum bloßen Artistentum. Ihre Probleme waren nicht mehr die Pro bleme, die die Welt erschütterten. Und das war für ihren Fort bestand um so gefährlicher, je gefüllter die Zeit mit großen Auf gaben war. Eine Kunst, die sich vom Volke trennt, hat kein Recht, sich darüber zu wundern, daß das Volk sich von ihr trennt. Das Volk vergilt nur Gleiches mit Gleichem. Es geht seinen eigenen Weg und sucht auf die ihm eigene Art der Probleme Herr zu wer den, die das Schicksal ihm aufgegeben hat. Verfall des geistigen Lebens. Wenn die Kunst nur noch für die Kunst gilt, wenn ihre Ge setze nur noch dem künstlerischen Menschen verständlich sein sollen, dann verengert sich der Kreis ihrer Gläubigen in einem Umfang, daß ihre primitivste Existenzsähigkeit auf das tödlichste bedroht ist. Wenn die akuten Probleme des Lebens nicht mehr die großen Würfe sind, mit denen der künstlerisch schaffende Mensch nach der Unsterblichkeit zielt, dann hat er bereits seine eigentliche Sendung verspielt. Und es w ird dann nicht mehr lange dauern, bis er sich in den Abwegen eines bloß artistischen Snobismus verirrt und da mit dem tätigen Lechen für immer verlorengeht. Die, die berufen waren, dem Volk die. geistigen Führer zu schenken, verbergen sich hinter dem Volk, stat t vor ihm zu stehen. Sie überlassen das Volk sich selbst, das nun ini öden Genußtaumel einen Ersatz für fehlende Kultur sucht, um am "Ende vor der trostlosen Leere seines geistigen Daseins schauernd zurückzuschrecken. Damit ist die Klassenscheidung auch aus kulturellem Gebiet ge geben. Der Künstler, der Dolmetsch eines ganzen Volkes sein soll, stellt sich eindeutig auf die Seite von Besitz und Bildung. Er wird dem Volk fremd, so wie das Volk ihm fremd geworden ist. Der Liberalismus endet im Verfall des geistigen Lebens. 881
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder